J.D. David

Mondschein


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den Angriff starten? Oder wünscht Ihr erst im Morgengrauen anzugreifen?“, fragte General Taskor Graufels den Oberbefehlshaber der kargatianischen Truppen vor der Burg Eisentor. Er schaute hoch zu dem Prinzen. Der Erbe der Königswürde Kargats war ein stattlicher Mann, der viele seiner Diener überragte. Sein Leib war durch viele Jahre des Kampfes gestählt und zwei kleine Narben zierten sein Gesicht, verliehen ihm eine herausragende Stärke. Diese wurde von den kurzen schwarzen Haaren und dem dunklen Dreitagebart untermauert.

      Kronprinz Beorn erhob sich aus seinem Thron, der im Heerführerzelt des kargatianischen Heerlagers stand. Der Thron war recht einfach, aus Holz gefertigt mit hohen Armstützen. Auf der Rückenlehne, über dem Kopf des Kronprinzen, war das Wappen Kargats eingearbeitet. Auf einem viergeteilten rot-weißen Hintergrund war mittig eine Krone zu sehen, zusätzlich war im oberen Teil links auf rotem Grund ein weißer Stern und rechts auf weißem Grund ein roter Stern abgebildet. Der Sitz war mit den Fellen verschiedener Tiere gepolstert.

      „Gut, General. Ich wünsche noch heute anzugreifen. Sie dürfen heute Nacht nicht mehr ruhig schlafen. Befiehl den Männern Aufstellung zu nehmen, die Triboke sollen auf meinen Feuerbefehle warten. Lass mein Pferd satteln, und meine Leibgarde soll sich bereit machen, ich werde die Schlacht selbst anführen.“

      Der General salutierte kurz und zackig. „Jawohl, mein Herr. Wir sind in einer Stunde angriffsbereit.“

      Taskor fluchte innerlich. Er hielt es für keine besonders gute Idee, bereits heute Nachmittag anzugreifen. Natürlich, wenn man noch länger wartete war es möglich, dass Valorien noch Verstärkungen erhalten würde. Aber der Nachmittag war einfach zu kurz, um einen solch massiven Angriff sinnvoll zu starten. In seinen Gedanken versunken wollte General Taskor gerade das Zelt verlassen als der Eingang aufgeschlagen wurde und ein Bote, der offensichtlich sehr in Eile war, hereingeplatzt kam. Sofort verbeugte er sich ehrfurchtsvoll, als er vor dem General stand und den Kronprinzen im hinteren Teil des Saales sah.

      „Was willst du?“ fuhr der General den Boten an. Dieser musste erstmal Luft holen, bevor er antworten konnte.

      „Prinzliche Majestät, Euer Gnaden, das Eisentor... Es hat sich geöffnet. Und König Thanhold... Er... Er... Er greift uns an.“, keuchte er.

      General Taskor schaute schockiert zu Kronprinz Beorn, der sowohl ihn als auch den Boten mit einem bösen Blick bedachte. Der Kronprinz hatte mit vielem gerechnet, mit der Verteidigungsstärke der Valoren, mit ihrer Durchhaltestärke, mit der Härte der Mauern oder des berühmten Tores, aber niemals, niemals hätte er mit einem Angriff gerechnet. Waren ihre Truppen nicht deutlich überlegen? Waren sie nicht die Angreifer? Was dachte sich dieser König Thanhold nur? Was passierte hier?

      „General, sofort, alle Mann sollen Aufstellung nehmen. Meine Leibgarde zu den Pferden. Wir werden den valorischen Schweinen zeigen, wo sie ihr Hochmut hinführt.“

      Wütend stampfte Beorn aus dem Zelt, dicht gefolgt von General Taskor.

      Geron von Dämmertan blickte über die Schulter hinweg über die Männer, die hinter ihnen waren. Sie hatten es wirklich geschafft, gut fünfhundert Reiter zu stellen. Er blickte in entschlossene Gesichter. Alle waren sich der Verantwortung bewusst, die jeder hier gegenüber ihrem Reich und Heimat Valorien hatte. Jeder wusste, dass einige den Abend nicht mehr erleben würden. Doch alle waren bereit, hier an diesem Tage hinter König Thanhold zu reiten. Geron wendete seinen Blick wieder nach vorne. Dort schwangen gerade die beiden schweren Flügel des Eisentors auf und gaben den Blick auf die Brücke über den Calas preis. Auf der anderen Seite war ein Meer aus rot-weiß zu sehen. Doch der Ritter erkannte, dass der Feind auf einen Angriff nicht vorbereitet war. Dieses Überraschungsmoment war es, auf den der waghalsige Plan des Königs baute. Oben auf den Mauern stand Helmbrecht von Rethas mit entschlossenem Blick. Er wusste genau, dass sein hohes Alter einen solchen Plan nicht mehr wirklich erlaubte, dennoch war der alte Ritter traurig darüber, nicht mit seinen jungen Gefährten mit reiten zu können. Sollten sie scheitern, so würde er Burg Eisentor halten, und wenn es seinen letzten Tropfen Blut kosten würde.

      König Thanhold wandte sich noch einmal an seine treusten Untergebenen, um die Befehle zu bestätigen: „Sylvius, mein alter Gefährte, du nimmst die linke Flanke, Victor, du wirst die Reiter der rechten Flanke befehligen, Heinrich, du befehligst die Nachhut, Roland, Geron, euch möchte ich an meiner Seite wissen. Achtet darauf, dass alle Triboke zerstört werden. Aber haltet euch nicht zu lange auf. Ihr wisst, dass ich auch einige Männer lebend wieder sehen will. Wenn eure Aufgabe erfüllt ist, dann zieht euch in die Mitte zurück, von dort aus werden wir uns gemeinsam wieder nach Burg Eisentor zurückziehen“

      Vor den fünf Rittern war nur noch die Leibgarde des Königs mit ihren schwer gepanzerten Pferden und großen Schilden. Auch wenn sie kaum Beschuss durch den Feind erwarteten, war dies wohl doch ein guter Schutz gegen feindliche Bogenschützen. In der Mitte vor dem König vorweg ritt der Hauptmann der Garde mit dem Banner Valoriens.

      „Hauptmann, das Banner!“, rief der König laut und der Hauptmann reckte das blau-silberne Banner in die Höhe. König Thanhold drehte sich zu seinen Männern um.

      „Tapfere Recken, Krieger, Männer Valoriens. Die Altvorderen blicken an diesem Tage auf uns. Burg Eisentor ist die Pforte in unsere Heimat. Reiter, ihr werdet heute diese Pforte verteidigen. Der Feind wird die Kraft Valoriens spüren. Auf, meine treuen Untertanen, auf zu Ruhm und Glorie. Treu und Ehr.“

      „Valorien!“ erschallte es aus so vielen Kehlen, dass die Mauern der Burg erzitterten und selbst der Feind auf der anderen Flussseite dies hören musste. Dann begab sich der Heertross in Bewegung.

      Die Brücke erzitterte unter hunderten von Pferdehufen. Maximal fünf Pferde ritten nebeneinander, was das Bild aber nicht weniger eindrucksvoll machte. Ein scheinbar unendlicher Strom aus valorischen Reitern floss auf die Toranlage zu. Das Tor stand weit offen, da die kargatianischen Truppen ihren eigenen Angriff vorbereitet hatten. Entsprechend waren auch die Türme stark unterbesetzt, die Hauptkraft der Armee Kargats befand sich noch im Heereslager hinter dem Tor. Die Verteidiger versuchten gerade noch das Tor zu schließen, um den Sturm aufzuhalten, doch schnell erkannten sie, dass es bereits zu spät war.

      Das Tor war noch nicht halb geschlossen, als die ersten Pferde durch die Verteidiger brachen. Obwohl diese noch Speere hochgerissen hatten konnte die schwere Reiterei nicht mehr aufgehalten werden. Wie ein Keil stießen die valorischen Reiter hinter ihrem König in die Kräfte des Feindes. König Thanhold wurde von vorne und hinten von seiner Leibwache abgeschirmt, an den Seiten waren seine Ritter, sodass dieser zu diesem Zeitpunkt noch keinem Feind begegnen musste. Kurz orientierend schaute er sich nach links und rechts um. Das Torhaus war im Prinzip bereits genommen. Seine Reiter, die nach und nach von der Brücke kamen, schlugen den letzten, kleinen Widerstand nieder. Seine Ritter und Anführer waren noch unverletzt, was ihn deutlich beruhigte. Der erste Teil des waghalsigen Angriffs war gelungen. Thanhold sah, wie sich die Hauptmacht des Feindes sammelte und als Front aus rot-weiß auf ihn zukam. Ihr Angriff durfte nicht stoppen.

      „Die Flanken ausbrechen!“ befahl er laut und Herzog Sylvius von Tandor und Freiherr Victor von Andtweil führten ihre Truppen in energischem Galopp am Flussufer entlang auf die feindlichen Belagerungsmaschinen zu.

      Während die Soldaten aus Kargat noch ziemlich ungeordnet durch das Lager liefen war die gesamte Reiterei Valoriens am Tor angekommen. Dort war der letzte Widerstand endgültig niedergeschlagen worden, einige Überlebende liefen auf der großen Straße, die den kleinen Flussdeich etwas abwärts ins Heerlager führte. Der König wusste, dass sie möglichst schnell den Angriff fortführen mussten, um den Vorteil der Überraschung nicht zu verlieren. Dennoch ließ er seine Truppen sich kurz formieren.

      „Auf Männer, für unsere Heimat, schickt die verdammten Kargatianer dorthin zurück, wo sie entsprungen sie. Treu und Ehr!“

      Mit einem lauten Ruf „Valorien“ rollte die Reiterei wie eine Welle den Hügel hinunter, auf das Heerlager des Feindes zu. König Thanhold sah sein Ziel, das sich gerade vor dem Zelt des Heerführers sammelte. Von seiner Leibgarde umgeben stand dort unter der rot-weißen Flagge Kargats der Feind, den es zu töten galt. Kronprinz Beorn.

      Herzog Sylvius von Tandor durchstieß den Leib des kargatianischen