J.D. David

Mondschein


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heranstürmen. Die größere Kraft wurde von Victor von Andtweil angeführt, von Sylvius von Tandor war nichts zu sehen.

      „Rückzug!“ rief Geron laut über die Reihen. „Rückzug nach Burg Eisentor!“ brüllte er und ritt in vollem Galopp Richtung Tor und Brücke zurück. Erleichtert sah er, wie die Reihen des Feindes von den herannahenden valorischen Reitern auseinandergetrieben wurden. Er durchbrach die Reihen und ritt Richtung Tor. Dann über die Brücke. Ihm folgte der Rest der valorischen Reiterei, auch wenn es leider erschreckend wenig war. Aber das kümmerte den Ritter nicht mehr. Es ging jetzt nur noch darum, das Leben des Königs zu retten. Er trieb sein Pferd, das über die Brücke rannte, das Banner flog in der Luft. In vollem Galopp passierte er das Eisentor.

      „Holt einen Heiler herbei. Der König braucht Hilfe.“, brüllte er, als er das Tor passierte. Im Hof angekommen hob er den König vom Pferd und legte ihn auf den Boden. Sofort eilten einige Soldaten und schnell auch der angeforderte Heiler herbei. Dieser sah den König an, fühlte dessen Puls und schaute dann den daneben knienden Ritter von Dämmertan mit ernstem Blick an. Der Heiler schüttelte mit dem Kopf.

      „Er ist schon auf dem Weg, ich kann nicht mehr helfen.“ Geron beugte sich zum König herunter, dessen Lippen zitterten, als wollte er etwas sagen. Er hielt sein Ohr an den Mund des Königs.

      „Geron, alter Freund.“, stammelte dieser leise. „Bitte, bitte kümmere dich um meinen Sohn. Erziehe ihn zu einem Ritter, wie du einer geworden bist. Treu und Ehr, mein Freund.“

      Dann seufzte er und gab seinen letzten Lebenshauch von sich.

      „Valorien“, sagte Geron leise und blickte in das Gesicht seines gefallenen Königs. Erleichterung war dessen Blick zu sehen, denn er wusste, dass der edelste und beste Ritter Valoriens sich um seinen Sohn kümmern würde.

      Rot und golden war das Sonnenlicht, als die Sonne sich langsam über den Horizont erhob. Der Himmel war klar, nur vereinzelte Wolken wurden von dem Licht des neuen Morgen rötlich gefärbt. Ein einsames Pferd ritt auf die Kronburg in Elorath zu. Ein neuer Morgen war angebrochen, ein neuer Tag, aber auch eine neue Zeit. Eine neue Zeit für Valorien.

      Das blau-silberne Banner Valoriens wehte über dem einzelnen Reiter, der sich der Kronburg in Elorath näherte. Dem Ritter Valoriens, der das Wappen des Königs trug, wurde ohne weitere Nachfragen das Tor geöffnet. Die Nachricht der Ankunft des Herrn von Dämmertan hatte sich schon herumgesprochen, bevor er das Burgtor passierte. Im Hof der Burg warteten schon viele Menschen - Soldaten, Hofdamen, Bedienstete und natürlich in der Mitte die Königin, Margeth, mit ihren schier unendlich langen, hellbraunen Haaren. An der Hand hielt sie einen etwa dreijährigen Jungen. Geron schwang sich aus dem Sattel und ging auf die beiden zu. Er sank auf die Knie und senkte das Banner.

      „Erheb dich, Geron, und berichte!“, sagte die Königin. Geron schaute der Königin ernst ins Gesicht und erhob dann seine Stimme.

      „Thanhold II. von Valorien ist glorreich in der Schlacht zur Verteidigung unserer Heimat gefallen. Ich schwöre Treue dem neuen König Valoriens, Priovan I. von Valorien.“

      Geron sank erneut auf die Knie, zog sein Schwert und streckte dieses zum Zeichen seiner Treubekundung dem neuen König hin.

      Ein neuer König Valoriens war ausgerufen.

      Teil 1:

      Die Knappin

      764 St. Gilbert

      Kapitel 1

      Die hellen Strahlen der sommerlichen Mittagssonne wärmten die leicht gebräunte Haut des Mädchens, das an der Kaimauer des Hafens von Tjemin saß und seine Füße leicht im Wasser der Gronde baumeln ließ. Ihre Schuhe, ziemlich abgewetzte und zerrissene braune Lederstiefel, standen neben ihr auf der Mauer. Auch ihre sonstige Kleidung zeigte, dass sie zur armen Bevölkerung der Hauptstadt des Herzogtums Fendron gehörte. Eine bis zu den Waden reichende, einstmals helle Hose wurde von einer, ihr deutlich zu großen, dunkelroten Tunika überdeckt. Das Ganze wurde von einem schwarzen Ledergürtel zusammengehalten. Im Sommer war diese Kleidung angenehm kühl, für den Winter musste sich das Mädchen jedes Mal aufs Neues etwas ausdenken. Den Kopf hatte sie leicht in den Nacken gelegt. Ihr dunkelblondes, etwa schulterlanges Haar war als Zopf zusammengebunden, darauf trug sie zum Schutz gegen die pralle Sonne einen alten Schlapphut, der mit einer Gänsefeder verziert war. Die etwa Vierzehnjährige sah wirklich wie jemand aus, die einfach so in jeden Tag hinein lebte.

      Das bunte Treiben des Hafens war dem Mädchen mehr als bekannt. Sie lebte nun schon mehrere Jahre in der großen Stadt, in der Waisenkinder auf der Straße noch die besten Chancen hatten, irgendwie durchzukommen. Tjemin war immerhin die drittgrößte Stadt des Reiches. Auf dem Land oder in kleineren Städten wäre das Mädchen wohl nicht so lange durchgekommen, doch hier in der Stadt gab es immer wieder reiche Kaufleute, großzügige Händler oder andere barmherzige Personen, die das Überleben von Menschen wie ihr sicherten. Und alles in allem war das ihre auch gar nicht so schlecht.

      Sie schloss die Augen und ließ alle Sinneseindrücke auf sich wirken. Eine leichte Brise strich ihr durch die Haare und über das Gesicht und gewährte so eine angenehme Kühlung von der warmen Sonne. Sie nahm die Düfte des Hafens auf, wenn man den von Fisch dominierten Gestank Duft nennen konnte. Sie hörte das hektische Treiben, die Schiffe, die entladen wurden, Lasten, die umher getragen wurden und auch Händler, die ihre Waren anpriesen.

      Sie hielt sich gerne im Hafen auf. Hier war immer etwas los, und durch die anliegenden Lagerhallen und Kontore war auch nicht nur die arme Bevölkerung hier anwesend, wie es zum Beispiel im Gerberviertel der Fall war.

      Das Mädchen zog die Füße aus dem Wasser und stand auf. Sie zog ihre Schuhe wieder an und streckte sich kurz. Genug ausgeruht, dachte sie, denn langsam beschlich sie der Hunger. Also musste sie etwas zu essen besorgen. Sie wusste, dass es bei der Bäckerei des alten Xavers eigentlich immer ein bisschen altbackenes Brot gab, das dieser auch gerne an die gab, die es brauchten. Der alte Mann war eine wirklich gutmütige Seele, fast jedes Kind auf der Straße kannte und mochte ihn. Dazu hatte das Mädchen noch ein bisschen getrocknete Wurst vom Vortag, was das Ganze zu einer alles in allem guten Mahlzeit machte. Also lief sie los durch den Hafen, um dann in eine der vielen kleinen Gassen des Viertels einzubiegen.

      Finn lief so schnell wie er konnte, auch wenn er in den vielen kleinen Gassen des hinteren Hafenviertels schon längst die Orientierung verloren hatte. Tjemin war wirklich ein heißes Pflaster, besonders wenn man sich von den großen Plätzen und Straßen entfernte, so musste er gerade schmerzhaft feststellen. Dass er selbst in solchen Ärger kommen würde, damit hatte der Zwölfjährige wirklich nicht gerechnet. Er hätte wohl hören und nicht nur seinem eigenen Willen nachgehen sollen. Aber dafür war es jetzt wirklich zu spät. Er sah kurz über die Schulter und sah seine Verfolger um die Ecke biegen. Vor ihm tat sich schon wieder eine Kreuzung auf. Links, Rechts oder geradeaus? Es war eigentlich völlig egal, er wusste sowieso nicht, was das Beste war. Ohne weiter nachzudenken bog er rechts ab. Er musste einfach nur möglichst viele Haken schlagen und hinter Ecken verschwinden. Dann würde er seine Verfolger schon irgendwie abhängen, wie ein Hase einen Fuchs, der ihn jagte. Finn lief weiter.

      Das Mädchen kaute genüsslich an einem nicht allzu kleinen Stück Brot. Xaver war wirklich gut drauf gewesen, was bei so einem Wetter auch kein Wunder war. Sie war gerade wieder auf dem Weg zum Hafen als hinter einer Ecke ein Junge hervorgeschossen kam. Wortlos lief er an dem Mädchen vorbei ohne sie wirklich zu bemerken und bog in wenigen Schritten die nächste Abbiegung nach links. Das Mädchen zog sich sofort in einen Hauseingang zurück, um nicht gesehen zu werden. Wenn jemand so durch die Gassen raste, dann konnte das nur Ärger bedeuten. Und das war bestimmt Ärger, in den sie nicht hereingezogen werden wollte.

      Ihr Verdacht bestätigte sich, als sie drei Männer an die Kreuzung kommen sah. Alle sahen wie Gestalten aus, die man nicht gerade als vertrauenserweckend bezeichnen konnte. Ihre Kleidung war mindestens ebenso abgerissene wie ihre, sie hatten einen wirklich fiesen Blick und zudem trugen zwei von ihnen Holzknüppel. In ihrem Leben war es eine ihrer Hauptbeschäftigungen gewesen, solchen Gestalten auszuweichen.

      Nach kurzer