J.D. David

Mondschein


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dem Raum, als sein Hocker über den Boden rückte. Er nahm den Krug mit Wasser und schenkte den Becher erneut voll.

      „Geh an deine Arbeit zurück!“, befahl Geron seinem Knappen. Sein Ton war nicht mehr ganz so zackig wie vor einigen Jahren, dafür hatte seine Stimme weiter an Tiefe gewonnen. Dann wandte sich der Ritter erneut an Lora.

      „Also mein Mädchen, wie ich bereits gesagt habe wollte ich erstmal die Geschichte des heutigen Tages und ein bisschen über dich hören. Jetzt aber möchte ich dir erzählen, wen du da überhaupt gerettet hast. Wie ich bereits gesagt habe, bin ich ein Ritter Valoriens, zudem Freiherr von Dämmertan, sagt dir das etwas?“

      Lora nickte. Sie kannte die Landschaft, die man Dämmertan nannte, auch wenn sie selbst noch nie dort gewesen war. Es war den Erzählungen nach eine düstere und verlassene Gegend, wo sich ein tiefer und dunkler Wald über eine große Fläche erstreckte. Dort lebten nicht viele Menschen, so viel wusste sie, und von jedem der dort einmal gewesen war hatte sie nur gehört, dass sie Dämmertan wenn möglich meiden sollte. Dämmertan lag, soweit sie es wusste, an der anderen Seite der Gronde, und gehörte somit schon zu dem Land der Krone, also zu keinem der drei Herzogtümer.

      „Dies ist seit einigen Jahren mein Knappe. Sein Name ist Priovan Finneas, aus seinem zweiten Namen leitet er auch seinen Spitznamen Finn ab. Sein kompletter Name lautet Priovan I. Finneas von Valorien, König von Valorien. Du hast eben dem König von Valorien das Leben gerettet. Ich hoffe, dir ist bewusst, was du getan hast.“

      Lora machte wirklich große Augen. Sie schaute überrascht zu Finn, der zu ihr aufschaute und nur nickte. Lora konnte es wirklich nicht fassen. Sie hatte den König von Valorien gerettet? Jetzt wusste sie natürlich auch wieder, woher sie den Namen Priovan kannte. Sie interessierte sich sonst nicht so für die Namen der hohen Adeligen, deswegen war ihr das noch nicht sofort aufgefallen. Aber jetzt kam es wieder. Natürlich hatte sie schon oft von dem König gehört, der selbst noch ein Kind war. Sein Vater war in dem letzten Krieg mit Kargat gefallen, und danach war er der einzige Erbe gewesen. Das sie aber diesem König selbst das Leben gerettet hatte, das wurde ihr langsam erst klar.

      „Nun, das, äh, ist doch sehr erfreulich, oder?“ stammelte sie noch etwas unsicher, was Geron von Dämmertan zum Lachen brachte. Irgendwie sah der Ritter nicht wie jemand aus, der oft lachte, umso überraschter war Lora, als dies doch geschah. Auch Finn wirkte deutlich überrascht.

      „Ja, das ist in der Tat wirklich erfreulich. Und du sollst auch entsprechend belohnt werden. Ich werde nachher mit Priovan zum Schloss gehen und dort Herzog Richard von Fendron sprechen. Du hast dem König das Leben gerettet, und das soll entsprechend belohnt werden. Priovan“, sagte er und Priovan stand auf und stellte sich neben seinen Herren.

      „Was schlägst du als Belohnung vor?“ fragte Geron seinen Knappen.

      „Nun, mein Herr, wieso lasst Ihr nicht Lora einfach selbst eine Belohnung auswählen. Gewährt ihr doch einen Wunsch für des Königs Leben.“

      Geron nickte. „Ja, das ist eine ausgezeichnete Idee. Also Lora, du hast es gehört. Äußere einen Wunsch, den ich dir erfüllen kann, und glaub mir, ich kann vieles bewerkstelligen. Bedenke den Wunsch gut. Wenn du noch Zeit brauchst, können wir uns auch nachher wieder sehen.“

      Lora dachte nach. Das Ganze hier überrumpelte sie doch ein bisschen. Es hatte alles damit angefangen, dass sie einfach nur nett und hilfsbereit sein wollte und auch nichts für finstere Gestalten übrig hatte, und jetzt hatte sie das Leben des Königs gerettet und sollte dafür einen Wunsch bekommen. Sie konnte endlich das klägliche Leben der Straßen von Tjemin hinter sich lassen. Sie könnte sich Gold wünschen. Viel Gold. Aber das war irgendwie zu einfach. Oder sie konnte sich ein großes Haus wünschen, in dem sie wohnen konnte. Aber irgendwie gefiel ihr das alles nicht. Immerhin hatte sie einen königlichen Wunsch frei. All diese Gedanken zauberten anstatt des überraschten Blickes ein breites Lächeln auf ihre Lippen. Dann hatte sie eine Idee. Eine wirklich gute Idee. Ein Idee, die bestimmt auch Gefahren bringen würde, aber sie würde ihr Leben für immer ändern, und Lora hatte sich schon oft danach gesehnt, Abenteuer zu erleben. Sie hatte oft davon geträumt, eine große Heldin zu sein, wie die Helden der Geschichten, die man sich in Valorien erzählte. Von einer Heldin hatte sie sowieso, soweit sie wusste, noch nichts gehört. Das war ja langsam wirklich Zeit. Es war bestimmt ein sonderbarer, ein waghalsiger Wunsch. Aber Loras Entscheidung stand fest.

      „Nein, Herr von Dämmertan, Finn, ich brauche keine weitere Bedenkzeit. Ich habe mich bereits entschieden, was der eine Wunsch sein soll. Nehmt mich mit, auf Euren Reisen. Ich möchte mit euch Abenteuer erleben, ich möchte hohe Herren und Damen kennen lernen. Ich möchte die großen Städte Valoriens kennen lernen, und ich möchte einfach hier raus.“

      Geron lehnte sich zurück. Er schaute zu Priovan, der über das ganze Gesicht lächelte. Irgendwie freute er sich schon auf die Gesellschaft von Lora. Der alte Herr von Dämmertan war teilweise doch etwas, nun ja, griesgrämig. Und da war so eine fröhliche Seele wie Lora wirklich eine gute Ergänzung.

      „Nun, mein Herr, Wunsch ist Wunsch, nicht wahr?“, fragte Priovan seinen Herren, der nur nickte.

      „In Ordnung, Eleonora, dann wirst du uns auf unserer Reise begleiten. Wir werden dir nachher etwas Ordentliches zum Anziehen besorgen und dann wirst du uns zu Herzog Richard begleiten. Aber merk dir eines, junges Fräulein, wenn du mit mir reist wirst du auf jeden meiner Befehle hören, ohne jegliche Nachfragen. Das ist vorerst das Wichtigste, alles Weitere wird sich dann schon klären. Ist das klar? Willst du immer noch mit?“

      „Ja, mein Herr, dies ist mein Wunsch.“, antwortete Lora.

      „Gut, dann soll es so sein. Dann sollst du, Eleonora, von nun an meinem Gefolge angehören.“

      Kapitel 2

      Schon zu lange hatte Tandor unter den Angriffen dieser Barbaren leiden müssen. Zu lange hatten sie eine Schneide der Verwüstung und Plünderung hinterlassen. Zu lange waren Händler überfallen, Dörfer geplündert und Gehöfte niedergebrannt worden. Zu lange hatten die wilden Horden unter Ikran Khan die Ostgrenze Valoriens unsicher gemacht. Aber dies würde sein Ende finden, hier und heute. Dies hatte Herzog Celan seinem Volk versprochen, bevor er vor fünf Tagen aus Taarl losgezogen war, und er würde sein Versprechen einhalten, unter allen Umständen.

      Herzog Celan von Tandor war vor neun Jahren, nach dem Tod seines Vaters in der Schlacht am Eisentor, zum Herzog von Tandor erhoben worden. Mit seinen lediglich achtundzwanzig Jahren war er der Jüngste der drei Herzöge und zugleich der Einzige, der seine Streitkräfte noch selbst anführte. Celan war von kräftigem Wuchs, hatte schwarze Haare und ein normalerweise rasiertes Gesicht, auf dem sich aber aufgrund seines Feldzuges schon schwarze Stoppeln abzeichneten. Sein Blick aus grünlich grauen Augen war kalt und berechnend. Wie es sich für ihn als Ritter gebot trug er eine schwere Plattenrüstung, die in der Sonne glänzte, und sein Ritterschwert Wolfsfang an der Seite. Das Schwert trug er in einer goldenen Scheide, die mit Rubinen besetzt war. Der Knauf des Schwertes war dem Kopf eines Wolfes nachempfunden, statt der Augen waren zwei Rubine eingesetzt. Sein Wappenschild zeigte das Wappen Tandors: auf rotem Hintergrund war ein aufrecht stehender, dunkelgrauer Wolf zu sehen, der einen weißen Schild in der Hand hielt, auf dem ein roter Stern abgebildet war. Dieses Wappen war nicht nur auf seinem Schild zu sehen, sondern wurde von jedem Reiter, der sich hinter dem Herzog befand, getragen, und dies waren immerhin an die fünfhundert Mann.

      Celan sah aus dem Augenwinkel, wie sich einer seiner engsten Vertrauten, Forgat von Fendron, ihm näherte. Hoffentlich mit guten Neuigkeiten über die Kampfbereitschaft der Truppen und die Bewegungen des Feindes.

      „Forgat, was hast du zu berichten?“, begrüßte Celan seinen ehemaligen Knappen, der nun Junker war.

      „Euer Gnaden, wir haben gerade Nachricht erhalten, dass Freital seine Truppen formiert hat. Die Späher berichten, dass sich der Feind mit großer Geschwindigkeit nähert und schon bald auf den östlichen Hügel zu sehen sein müsste. In maximal einer Stunde wird die Schlacht beginnen. Außerdem wurden einige feindliche Späher abgefangen. Wir gehen im Moment nicht davon aus, dass der Feind unsere Überlegenheit durchschaut hat.“

      Forgat