J.D. David

Mondschein


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neben ihm. Er zog die Sehne des Bogens nach hinten. Der Feind war schon nah, vielleicht einhundert Schritt.

      „Treu und Ehr!“, brüllte er so laut, dass es selbst gegen der Lärm der feindlichen Reiterei zu hören war.

      „Valorien!“ erschallte es aus den Kehlen von eineinhalbtausend Valoren und die Pfeile Rethas flogen los.

      Kapitel 3

      Ludwig von Fendron stand am Fenster des Palastes in Tjemin. Die Sonne schien hell über die Dächer der Stadt. Es war wirklich ein wunderschönes Panorama. Ludwig machte ein paar weitere Pinselstriche mit einem feinen Pinsel. Sein Werk war fast fertig, hier und dort noch ein paar Details, dann wäre die fendronische Hauptstadt endgültig auf sein Papier gebannt. Über dem Panorama der Stadt war das Wappen des Herzogs von Fendron abgebildet, von Ludwigs Vater. Auf weißem Grund war ein Kranz aus Efeuranken mit einem blauen Stern darin abgebildet.

      Das Werk gefiel Ludwig sehr, es war wirklich eines seiner besten Bilder, fast noch besser als das Portrait seines Vaters, das er vor einigen Jahren gemalt hatte.

      Das Zimmer des Herzogssohns sah eher wie das Zimmer eines Gelehrten und Künstlers, denn eines Adeligen aus. Mehrere Bücherregale waren voll mit Büchern über die verschiedensten Themen, an der Wand hing eine große Karte von Valorien, zudem standen eine Harfe und eine Laute in einer Ecke und natürlich die große Staffelei, an der Ludwig gerade arbeitete. Daneben war ein Tisch, an der er die Farben angerührt hatte. Dazu kam noch ein großer Schreibtisch unter einem der Fenster. An den Wänden hingen verschiedene Malereien, die offensichtlich alle dem Pinsel von Ludwig entstammten. Ludwig selbst war nicht allzu groß gewachsen, fünfundzwanzig Jahre alt und hatte blonde, halblange Haare. Die langen Jahre an Adelshöfen, in Universitäten und Bibliotheken hatten Ludwig mittlerweile einen kleinen Bauch eingebracht, obwohl man ihn noch nicht wirklich als dick bezeichnen konnte. Seine Klamotten waren von edelster Machart, obwohl sie gerade von einem Malerkittel verdeckt waren, der sie vor Farbklecksen schützen sollte. Zudem trug er noch verschiedenen Schmuck an Händen und um den Hals.

      Mit einigen kleinen Pinselstrichen beendete Ludwig seine Arbeit. Er trat einige Schritte zurück und betrachtete das Bilde von Tjemin, über dem das Wappen Fendrons prangte. Er nickte noch einmal, es war wirklich ein sehr gutes Werk. Es musste noch ein bisschen trocknen, aber bis heute Abend konnte er es einrahmen. Gerade noch rechtzeitig war er fertig geworden. Er seufzte erleichtert und legte Pinsel und Farben auf seinen Malertisch. Dann wusch er sich in einer Waschschüssel die Hände und setzte sich ans Fenster. Er schaute auf den Hof hinunter. Dort sah er seinen älteren Bruder, Berlan, der im Hof mit einigen Männern Kampftraining absolvierte. Berlan war das komplette Gegenteil von Ludwig, ebenso wie beider jüngerer Bruder Forgat, der ebenfalls nach dem Ältesten kam. Berlan war fast zwei Schritt groß, von kräftigem Wuchs und mit breiten Schultern. Seine kurzen Haare waren dunkelbraun, er hatte ein kantiges, männliches Gesicht, im Gegensatz zu den weichen Zügen von Ludwig. Berlan war Junker. Er hatte eine Ausbildung als Knappe abgeschlossen, war jedoch nicht zum Ritter geschlagen worden. Außerdem war er der General der fendronischen Truppen. Er hatte auch gute Hoffnungen vom König zum Ritter geschlagen zu werden, nachdem dieser gekrönt war. Wenn man Berlan und Ludwig nebeneinander sah, konnte man wirklich nicht glauben, dass beide Brüder waren. Erst wenn man die Eltern dazu stellte, ergab sich dies. Ludwig kam mehr nach seiner Mutter, die vor einigen Jahren gestorben war, Berlan und Forgat kamen nach ihrem Vater, der mittlerweile ergraute Herzog von Fendron. Der dritte Sohn des Herzogs, Forgat, war Junker im Herzogtum Tandor.

      Ludwig sah wie sich das erste Tor des Palastes öffnete. Der Palast von Tjemin war mehr eine Burg denn ein Palast. Lediglich der innere Teil der Burg, der von einem starken äußeren Mauerring umgeben war, erinnerte an einen Palast. Innerhalb des inneren Mauerringes war ein großer Innenhof, der von Handwerksstuben umgeben war. Der Hauptteil der Burg war der Wohnsitz der herzoglichen Familie mit dem Rittersaal und dem großen Saal. Ludwig hörte wie die Wachen die Gäste ankündigten.

      „Geron von Dämmertan, Freiherr von Dämmertan und Ritter Valoriens“, erschallte es bis zum Palast. Ludwig sah, wie Berlan das Training augenblicklich unterbrach. Er wies die Männer an, ein Spalier hinter dem inneren Tor zu bilden. Berlan von Fendron war dazu bestimmt worden, die Gäste zu begrüßen. Erst später trafen diese dann den Herzog, ein Treffen, bei dem auch Ludwig dabei sein würde. Ludwig erkannte, wie die Gäste eintraten und die Gärten, die im äußeren Mauerring angelegt waren, durchquerten. Der berühmte Ritter von Dämmertan wurde von zwei jungen Leuten begleitet, der Junge war offensichtlich der junge König, das junge Mädchen war Ludwig nicht bekannt. In den nächsten Tagen wollte Ludwig zurück nach Andtweil reisen, aber wenn der junge König Tjemin besuchte, dann musste er eben anwesend sein. Er ging vom Fenster weg und rief einen Diener, der ihm beim Ankleiden helfen sollte.

      Lora schaute erneut an sich herunter. Sie sah wirklich gut aus, innerlich lächelte sie noch immer darüber. Sie wünschte sich, dass ihre Mutter sie so einmal gesehen hätte. Nachdem sie das „Goldene Rad“ verlassen hatten, war ihr neuer Herr, Geron von Dämmertan, mit ihr und Finn zu einem Schneider gegangen. Dieser hatte glücklicherweise Kleider gehabt, die nach einigen kleinen Änderungen der jungen Frau passte, zumindest fühlte sie sich jetzt so, wie eine junge Frau. Lora hatte von ihrem Herrn zwei Sätze Kleidung gekauft bekommen, einen für den Hof und einen für die Reise. Der Reisesatz bestand aus Männergewandung, robust aus dickem Stoff und Leder, mit brauner Hose, grüner Tunika und darüber eine Weste aus braunem Leder. Ihren Hut durfte sie nach Nachfrage auf der Reise weiter tragen, immerhin hatte sie diesen nach den vielen Jahren lieb gewonnen. Aber jetzt trug sie ihre gute Kleidung, und sie fühlte sich wirklich schön. Sie trug ein weißes Unterkleid, darüber ein grünes Kleid. Die engen Kleider betonten ihren Körperbau, der durchaus ansehenswert war. Nach dem Schneider waren sie auch noch beim Barbier, der ihre Haare gemacht hatte. Sie war ordentlich durchgekämmt worden, die Haare waren ordentlich geschnitten worden und sie hatte auf dem Kopf einige Zöpfe geflochten bekommen, die hinten in einen einzigen übergingen, in den ein grünes und ein weißes Bändchen eingeflochten waren. Ja, sie war in diesen Gewändern wirklich eine junge Frau, und das fühlte sich sehr gut an.

      Lora lief rechts hinter Geron auf den Palast von Tjemin zu, links neben ihr lief Finn, der das Wappenschild seines Herrn auf dem Rücken trug. Die Menschen Tjemins wichen den drei respektvoll aus und machten so stets den Weg frei. Dieses Gefühl wichtig und geachtet zu sein, war wirklich etwas ganz neues für Lora, auch wenn die Leute sie und Finn eigentlich gar nicht beachteten, sondern nur ihren gemeinsamen Herrn, den Ritter von Dämmertan. Nach einigen Minuten erreichten sie den Palast, der am westlichen Stadtrand auf einem Hügel gebaut war und so über die Stadt ragte. Sie traten vor das große Tor der äußeren Mauer, das geschlossen war. Nur ein kleineres Tor daneben, das gerade so groß war, dass ein Karren hindurch passte, war für Bedienstete und Anlieferungen geöffnet. Natürlich kam es nicht in Frage, dass solch hoher Besuch durch dieses Tor ging, aber in Fendron war es üblich, dass der Besuch erst innerhalb der Mauern empfangen wurde.

      „Wir verlangen Einlass in den Palast des Herzogs Richard von Fendron zu Tjemin“, rief Geron laut und ein Offizier der herzoglichen Wache trat an den Rand der Mauer über dem Tor.

      „Wer verlangt Einlass in den Palast des Herzogs von Fendron?“, rief er zu den Gästen hinunter.

      „Mein Name ist Geron von Dämmertan, Freiherr von Dämmertan und Ritter Valoriens.“

      „Herr von Dämmertan, Ihr seid willkommener Gast des Herzogs. Öffnet das Tor!“, befahl er seinen Wachen und wand sich dann Richtung Burg, um den Gast anzukündigen.

      „Geron von Dämmertan, Freiherr von Dämmertan, Ritter Valoriens.“ Das Tor öffnete sich langsam und die drei traten durch den Torbogen. Lora wunderte es immer noch, dass alle Menschen immer nur Geron den Respekt erwiesen, nicht aber Finn, der immerhin der König dieses Landes war. Sie würde das definitiv Finn mal in einer ruhigen Stunde fragen, aber es hatte bestimmt einen guten Grund.

      Lora war beeindruckt von den Gärten des Herzogs, die sich zwischen den beiden Mauerringen befanden. Natürlich hatte sie von weitem den Palast schon jeden Tag gesehen, aber noch nie hatte sie die Gelegenheit gehabt, in den Palast zu kommen. Ein gepflasterter Weg, auf dem sie gingen, führte durch den Garten zum Tor der inneren