J.D. David

Mondschein


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des „Goldenen Rads“ bestimmt nicht zum wirklich „einfachen“ Volk gehörten. In seinen vergangenen Reisen hatte Geron die Erfahrung gesammelt, dass man manchmal besser an einem dreckigen Wirtshaustisch als einer Adelstafel saß, um bestimmte Dinge in Erfahrung zu bringen oder zu erledigen.

      Der Gastraum, den man betrat, war dem Haus entsprechend eingerichtet. Die Tische und Stühle waren offensichtlich von einem talentierten Schreiner angefertigt und hatten verschieden farbige Tischdecken. Der Gastraum bot einen Kamin mit einigen gemütlichen Sesseln davor, durch einen Durchgang sah man ein weiteres Kaminzimmer. Um diese Uhrzeit war fast nichts los, nur ein älteres Ehepaar, offensichtlich ehemals Kaufleute, saßen an einem Tisch und aßen Mittagessen. Der Wirt, der hinter dem Tresen stand, grüßte den Herrn mit seinen beiden Begleitern mit einer respektvollen Verbeugung. Geron ging ohne ihn weiter zu beachten die Treppe hoch und bis in den zweiten Stock. Am Ende des Treppenhauses waren nur zwei Türen. Der Ritter trat in den linken Raum. Er war geräumig eingerichtet und bot durch ein Fenster einen guten Blick über den Platz vor dem Gasthaus. Dazu gab es noch zwei Dachfenster. Zwischen den beiden Betten stand auf einem kleinen Tisch eine Waschschüssel. An einem Tisch am Fenster standen zwei normale Stühle und noch zwei Hocker.

      „Setz dich, Lora!“, sagte Geron und zeigte auf einen der beiden Stühle. Nachdem sich das Mädchen niedergelassen hatte, setzte sich Geron gegenüber von ihr.

      „Priovan“, rief er seinen Knappen her. „Geh herunter und lass dir vom Wirt einen Krug mit Wasser, einen Krug mit Milch und einen ordentliche Schüssel mit heißem Eintopf geben. Dann komm sofort wieder hoch.“ Der Knappe nickte kurz und zackig und war dann schon wieder aus der Tür verschwunden.

      „Also, Lora, dann erzähl mir doch erstmal ein bisschen über dich und das, was vorhin vorgefallen ist. Danach werde ich dir gerne auch mehr Auskunft über mich und meinen Knappen geben.“

      Lora hatte den Namen Priovan schon mal gehört, aber sie konnte ihn im Moment noch nicht wirklich zuordnen. Aber dem Ritter folgend würde sie es bestimmt bald erfahren.

      „Nun, wie Ihr schon wisst, hoher Herr, ist mein Name Lora, genauer gesagt Eleonora. Über mich gibt es nicht wirklich viel zu erzählen. Ich wohne hier auf den Straßen von Tjemin. Meine Eltern sind schon lange tot, mein Vater kehrte aus dem Krieg nicht zurück, meine Mutter starb kurz darauf. Seitdem lebe ich eben in den Tag und versuche jeden Tag genug Essen zu bekommen, wenn es geht auch mal einen warmen Platz zum Schlafen.“ Der Ritter nickte und signalisierte Lora weiter zu erzählen.

      „Heute war eigentlich ein ganz guter Tag und, hoher Herr, ich glaube, dass er gerade noch besser wird. Es war warm, ich hatte noch ein bisschen was zu Essen und der alte Xaver, ein örtlicher Bäcker, war auch nicht gerade knauserig, was ein bisschen Brot anging. Dann sah ich Euren Knappen, wie er durch die Gassen lief, verfolgt von diesen drei dunklen Gestalten, die Ihr ja auch noch gesehen habt.“

      In diesem Moment kam Gerons Knappe gerade wieder durch die Tür. In der Hand hatte er ein Tablett mit den geforderten Sachen.

      „Gut“, sagte Geron. „Dann iss erstmal etwas, danach kannst du weitererzählen.“

      Priovan stellte die Schüssel mit der heißen Suppe vor Lora ab. Dann holte er aus einer Kiste zwei Kelche und stellte sie ebenfalls vor Lora und seinem Herrn ab. Loras Kelch schenkte er mit Milch voll, den seines Herrn mit Wasser. Lora schaute, ob sich Priovan setzen würde, aber er stellte sich ohne weitere Worte direkt hinter seinen Herren, der sich aber sofort wieder an ihn wandte:

      „Priovan, nimm dir einen Hocker und repariere dein Kettenhemd weiter. Es war noch etwas kaputt. Denke dabei nach, was dir die Tugenden Gehorsam, Treue und Demut bedeuten und berichte mir das dann danach.“

      Nachdem Lora bemerkte, dass sich Finn, beziehungsweise Priovan, nicht zu ihnen setzen würde, begann sie dann doch mit dem Essen. Geron nahm ruhig einen Schluck aus seinem Kelch.

      Den ersten Löffel nahm Lora noch sehr zivilisiert, aber dann überkam sie ihr Hunger. Sie begann den Rest des Eintopfs geradezu in sich herein zu schaufeln. Es schmeckte wirklich köstlich. Sie hatte schon lange nichts mehr so schön Warmes gegessen und sie erinnerte sich nicht daran, jemals so etwas Köstliches gegessen zu haben. Im Eintopf waren nicht nur verschiedene Sorten von Gemüse, von frischem Gemüse, sondern auch wirklich große Brocken Fleisch. Dazu war der Eintopf mit verschiedenen Kräutern und Gewürzen verfeinert. Es schmeckte wirklich einfach köstlich. Als sie halb fertig gegessen hatte schaute sie zu Finn hinüber. Der Arme tat ihr ein bisschen leid. Während sie hier essen durfte, musste er sein Kettenhemd flicken, was offensichtlich eine recht anstrengende Arbeit war. Ihr kam gerade kurz der Gedanke, dass sie wohl lieber mit ihm zusammen essen wollte, aber dann überkam sie wieder der köstliche Geschmack dieser Suppe. Nicht nur das Essen war gut, sie hatte auch sonst ein gutes Gefühl in der Gesellschaft des Herrn Ritter und Finn. Dann nahm sie noch einen kräftigen Schluck Milch, ein Getränk, das sie bisher auch sehr selten genossen hatte. Es schmeckte auch sehr angenehm, leicht süßlich und dennoch schön frisch. Das Ganze war wirklich ein Festmahl.

      Nachdem sie den letzten Löffel des Eintopfs gegessen hatte lehnte sie sich erstmal kurz zurück. Die Schüssel war wirklich größer gewesen, als sie eigentlich ausgesehen hatte. Lora war seit langem nicht mehr so schön satt gewesen.

      „Vielen Dank, hoher Herr, für das Essen“, bedankte sich Lora höflich bei dem Ritter. „Soll ich weiter erzählen?“, fragte sie dann Geron, der dies mit einem Nicken bestätigte.

      „Ja, bitte fahr fort, junges Fräulein.“

      „Also gut, ich sah also Finn, äh, ich meine Priovan um die Ecke kommen und ein Mann folgte ihm. Zu dieser Zeit sah ich noch nicht, dass er offensichtlich von guter Herkunft war. Jedoch erkannte ich, wie Finn direkt in eine Sackgasse lief.“

      Lora fiel es jetzt gar nicht mehr auf, dass sie immer noch den Namen nannte, mit dem sich Priovan ihr vorgestellt hatte.

      „Ich überlegte kurz, ob ich mich in so was überhaupt hinein ziehen lassen sollte, entschied mich dann aber dafür, Finn zu helfen. Immerhin hätte ihn dieser Mann wohl sonst getötet. Ich zog dem finsteren Gesellen also eins mit einem Holzbrett über und half Finn dann bei der Flucht. Wir stiegen erstmal auf die Dächer und liefen dann Richtung Hafenmarkt. Dort gingen wir durch ein Lagerhaus, über den Markt und dann in die Gasse, in der Ihr uns dann gefunden habt. Von dort an kennt Ihr die Geschichte ja.“

      Geron lächelte. „Vielen Dank. Priovan, kannst du diese Geschichte bestätigen?“, fragte er dann seinen Knappen, der von seiner Arbeit aufsah.

      „Ja, Herr, es entspricht alles der Wahrheit.“

      „Gut, Priovan, komm hierher“, sagte er dann weiter.

      Dieser stand auf und stellte sich hinter seinen Herrn.

      „Setz dich!“, befahl er seinem Knappen und zeigte auf einen Hocker. Dieser tat wie ihm befohlen wurde und setzte sich zu Lora und Geron an den Tisch. „Und nun, junger Knappe, berichte uns doch Mal, wie du in die Situation gekommen bist, dass dir überhaupt geholfen werden muss.“

      Priovan schluckte.

      „Nun, Herr, ich flüchtete, wie Ihr bereits bemerkt habt, heute Morgen aus dem Gasthof. Ich wollte einfach mal etwas erleben, wollte sehen, wie das wirklich einfache Volk lebte. Ihr betont doch immer, dass man seine Untergebenen auch verstehen muss, um sie zu beherrschen. Und indem ich immer nur bei Euch herumsitze oder von Adelshof zu Adelshof ziehe, werde ich das Volk bestimmt nicht verstehen. Also lief ich ein bisschen durch den Hafen herum, hörte mich hier und dort um. Und dann kam ich in diesen einen Hinterhof. Diese Drei hatten mich noch nicht bemerkt, als ich eine Unterredung hörte. Die Gestalten unterhielten sich über eine Aufgabe, die sie hatten. Sie wollten eine Kutsche überfallen, die von Tjemin nach Andtweil fahren soll. Diese soll in zwei Tagen losfahren. Als sie merkten, dass ich sie belauschte, versuchten sie mich zu töten. Ich floh durch die Gassen. Den Rest der Geschichte habt Ihr ja bereits gehört.“

      Dann machte sich eine unangenehme Stille in dem Raum breit. Lora schaute zu dem Herrn von Dämmertan, ebenso wie Priovan. Beide warteten darauf, was der Ritter nun etwas sagen würde, aber er schwieg erstmal. Er nahm einen weiteren Schluck aus seinem Kelch. Und