J.D. David

Mondschein


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Dem Anführer der Urben folgten über eintausend Reiter, was für das sonst eher kleine Volk der Urben, das über weite Steppen verteilt war, eine große Streitmacht war. Die meisten der wilden Reiter waren mit Bögen ausgerüstet, dazu trugen sie Säbel und Speere, einige wenige auch Schilde aus Holz oder Leder.

      Ikran Khan gab seinem Pferd die Sporen und erreichte ein gutes Stück vor seinen Söhnen den Hügelkamm. Sein Blick glitt über das Tal, das sich zu seinen Füßen erstreckte. Im westlichen Teil des Tales sah er die Streitmacht der Valoren, die, soweit er erkennen konnte, ausschließlich aus Infanterie bestand. Etwa tausend Mann glaubte er zu erkennen, eine durchaus ordentliche Streitmacht. Dennoch suchte er im Tal nach weiteren Anzeichen von Soldaten, da er sich nicht vorstellen konnte, dass tandorische Infanterie ohne Unterstützung durch Kavallerie reiste, deren Qualität immerhin fast an die der Urben heranreichte. Dann erkannte er die einzelnen Reiter auf der Spitze des südlichen Hügels. Er lächelte. Dahinter versteckte sich also die Kavallerie Tandors. Er schätzte diese nicht auf mehr als dreihundert Pferde, zumindest besagten dies in etwa seine letzten Berichte, die er von seinen Spähern erhalten hatte. Mit den Fußtruppen waren seine Feinde den Urben zahlenmäßig leicht überlegen, was für Ikran Khan einen sicheren Sieg bedeutete. Seine Söhne schlossen zu ihm auf und gemeinsam besprachen sie den Schlachtplan in der groben und harten Sprache der Urben.

      Die Strategie der Urben sah fast immer gleich aus: Man ritt bis auf etwa fünfzig Schritt an den Feind heran, um ihn mit Pfeilen zu spicken. Wenn der Feind vorrückte, zog man sich zurück, was aufgrund der Schnelligkeit der leichten Reiterei der Urben bei keinem Gegner eine Schwierigkeit darstellte. Wenn der Feind ausreichend geschwächt war durchbrach man dessen Linien und löschte ihn endgültig aus. Wenn es möglich war, griff man vorher noch seine Flanken an, um zusätzlich Unruhe zu stiften.

      In dieser Form war auch der Plan von Ikran Khan gestrickt. Nur musste er mit seinen Truppen darauf achten, wie sich die feindliche Reiterei verhielt. Er war sich sicher, dass der Herzog von Tandor versuchen würde, ihn und seine Männer zu umschließen und sie dann in den Nahkampf mit der Infanterie zu drängen, den die urbischen Reiter gegen die valorischen Speerträger verlieren mussten. Doch soweit würde er es nicht kommen lassen. Wenn die feindliche Reiterei auftauchte, würde sich die gesamte urbische Streitmacht dieser zuwenden, um sie zu zerschlagen. Danach würde die restliche Infanterie ausgelöscht werden. Der Plan war einfach, aber Ikran Khan war sich sicher, dass er erfolgreich sein würde und er eine weitere Schlacht in seine Siege einreihen konnte.

      Dann ließ er das Signal zum Angriff geben.

      Celan von Tandor mochte den Ritter Arthur von Freital nicht. Er beschmutzte einfach die Ehre des Reiches und der valorischen Ritterschaft. Und dieser gehörten neben den großen Männern dieser Zeit auch die größten Helden der Altvorderen an. Sein Verhalten, seine Kleidung, sein Umgang mit einfachen Soldaten, dies entsprach einfach nicht dem, was Celan von einem Adeligen und Ritter erwartete. Zudem war Freital vorlaut, zeigte kaum Respekt, selbst ihm als Herzog gegenüber nicht, und mischte sich ständig unter das Volk. Und diese Dinge waren nur die Ersten, die Celan einfielen, wenn er daran dachte, wieso er Arthur von Freital nicht mochte.

      Aber diesmal konnte er nicht abstreiten, dass die Kampfart von Freital und seinen Gefolgsleuten genau in seinen Plan passte. Nicht nur waren sie ausgezeichnete Bogenschützen, wohl die besten ganz Valoriens, sondern sie waren auch noch unauffällig und konnten, wenn sie wollten, absolut ungesehen bleiben. Von hier oben fiel es selbst ihm schwer, obwohl er über die Anwesenheit der Rethaner wusste, diese zu erkennen. Dann blickte er erneut zu den östlichen Hügeln und erkannte erste Reiter. Es ging also los. Er zog seinen Helm über und sah, wie mehr und mehr urbische Reiter sichtbar wurden. Seinen Spähern zufolge waren es ungefähr eintausend Reiter, eine stattliche Streitmacht, dennoch etwa zwei zu eins den tandorischen Soldaten unterlegen.

      Celan hatte in den letzten Jahren, in denen sein Land von den Übergriffen geplagt worden war, viel Geld aufgewendet, um möglichst heimlich große Streitkräfte auszuheben. Und dies zahlte sich jetzt auch aus, zumindest hoffte er, dass der Feind über ihre wahre Stärke im Dunkeln war. Er schaute erneut zu den Urben. Und dann begann der Angriff.

      „Forgat, halte dich bereit Freital das Signal zu geben, Ulf, halte dich bereit den Angriff unserer Reiter zu befehligen.“, befahl der Herzog seinen Untergebenen, während er zusah, wie sich die Horde der Urben in das Tal ergoss. Sie waren wirklich furchteinflößende Krieger. Celan versuchte den Abstand zwischen der ersten Reihe der Urben und der Linie seiner Krieger, die sich keinen Schritt bewegten, möglichst gut einzuschätzen. Bei seiner Strategie ging es um Genauigkeit, Genauigkeit bei dem Abstand der gegenüberstehenden Feinden und Genauigkeit bei dem Zeitpunkt, an dem die einzelnen tandorischen Soldaten angreifen sollte. Alles war genau durchdacht, jetzt konnte der Herzog nur noch hoffen, dass sein Plan aufgehen würde.

      „Wohlgeboren, der Feind ist auf dem Hügel zu sehen.“, informierte ein tandorischer Soldat Arthur von dem Eintreffen der Urben, das er jedoch selbst schon längst erkannt hatte.

      „Danke mein Junge, dann geh zurück auf deine Position“, entgegnete der dem Soldaten, um sich dann an seine Männer zu richten.

      „Die Bögen besehnen und Pfeile bereit legen, niemand schießt vor meinem Kommando, und bleibt unten, sodass euch der Feind nicht sehen kann. Ich wünsche euch allen viel Glück, möge dieser Tag ein guter für uns werden.“

      Dann steckte er vor sich fünf Pfeile in den Boden und spannte seinen eigenen Bogen mit der Sehne aus Hanf. Gerade für die ersten Schüsse war es von elementarer Wichtigkeit, schnell zu sein. Die ersten Pfeile, die auf die Urben nieder regnen sollten, sollten alle möglichst schnell hintereinander kommen, sodass diese nicht reagieren konnten, bevor es eigentlich schon zu spät war.

      Arthur sah deutlich beeindruckt, wie die Lawine aus urbischen Reitern in das Tal rollte. Eine riesige Staubwolke bildete sich hinter dem Heer des Feindes. Wie Herzog Celan ihm berichtet hatte, schätze auch Arthur den Feind auf etwa eintausend Mann. Als die Urben näher kamen, spürte er wie die Erde zu zittern begann. Die Schläge der viertausend Hufe, die auf den harten Steinboden des Tales schlugen, ließen nicht nur das ganze Tal erzittern, sondern erzeugten auch ein ohrenbetäubendes Getöse. Der Lärm wurde im Norden von den Hängen des Gebirges zurückgeworfen und baute sich so weiter auf. Zusammen mit dem wilden Kriegsgeschrei der Steppenkrieger bildete dies eine Atmosphäre, die jedem Soldaten bis ins Mark fuhr. Arthur sah gerade in den Gesichtern der jüngeren Soldaten Angst und schwindende Zuversicht.

      In den Augen der Rethaner war jedoch fast ausschließlich Entschlossenheit zu sehen. Viele waren alte Veteranen und kampferfahren. Trotz aller Angst regte sich kein Krieger in den tandorischen Reihen. Wie ein Fels blieben die Soldaten stehen. Da erschallten die ersten Befehle über die Linien der Infanterie. Arthur selbst führte nur die Bogenschützen, die restlichen Männer wurden von einem tandorischen General geführt. Den Befehlen folgend begaben sich die Tandorer in Kampfformation. Ein Schildwall wurde gebildet, dazwischen wurden die Speere nach vorne gerichtet, um den Ansturm der Reiter aufzuhalten. Die Spannung wuchs, der Feind näherte sich, aber immer noch war kein Zeichen von Celan zu sehen. Arthur blickte zu dem Südhügel, auf dem der Herzog zu sehen war.

      Fünfzig Schritte, dies war ungefähr die übliche Angriffsdistanz der Urben. Einhundertfünfzig Schritte, das war die Distanz, die ihm Arthur mitgeteilt, auf der seine Bogenschützen gut schießen konnten. Darüber war nur ungenaues Schießen möglich. Celan konnte gut Distanzen abschätzen. Die Urben waren noch gut sechshundert Schritte entfernt und näherten sich schnell. Noch fünfhundert Schritte. Celan hob die Hand. Forgat umschloss mit seiner Hand das Banner des Herzogs. Noch vierhundert Schritte. Celan konzentrierte sich. Jetzt wurde es ernst. Noch dreihundert Schritte. Noch einen kurzen Moment zögerte der Herzog, dann ließ er seine Hand sinken.

      Forgat schwenkte das herzogliche Banner deutlich sichtbar über seinem Kopf und folgte danach seinem Herzog, der sich abwendete um zu seinen Reitern herunter zu reiten. Jetzt sollte es also beginnen.

      Arthur sah den Feind sich nähern. Vielleicht täuschte er sich, aber die Urben sahen schon sehr nah aus. Der Lärm war mittlerweile kaum mehr ertragbar. Die ersten Pfeile schlugen vor den Reihen der tandorischen Soldaten ein. Es mangelte den Urben wirklich an Disziplin, aber das war bei einem solchen