Sitznachbar kicherte und nickte mir aufmunternd zu. Ein Glück dass es dämmrig war, denn ich fühlte das Blut hoch steigen. Wie unangenehm. „Hallo, schöne Frau, was ist? Warum kommen Sie nicht? Ich warte!“ ließ Achmed nicht locker. Unruhe verbreitete sich um mich. Die Schlafenden fühlten sich gestört. Mein Nachbar nickte wieder in meine Richtung.
Kam ich der Aufforderung nur nach um die Ruhe der Anderen nicht weiter zu stören, oder weil das schmeichelnde Werben des jungen Orientalen mich langsam neugierig machte? Sicher von allem ein wenig. Denn obwohl der große, stabile Achmed, rein optisch, nicht gerade mein Traummann war, hatte er zumindest das, was ich seit langem bevorzugte, er war jung.
Diese kleine Macke entwickelte sich nach Vollendung meines dreißigsten Lebensjahres von Beziehung zu Beziehung stärker. Nach meinem um zwei Jahre älteren Ehemann, waren meine Partner erst fünf, dann zehn, 16 und zuletzt 17 Jahre jünger als ich. Was bei meiner ältesten Tochter sowie manchen Bekannten und Unbekannten Leuten deutliche Missbilligung, bei mir jedoch Gefallen hervorrief. Ich lebte einfach nach dem Motto: ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Die ersten drei, waren Katastrophen – Beziehungen. Die vierte ein nettes Zwischenspiel und nur die letzte, mit dem 17 Jahre jüngeren Darkan, eine angenehme Zeit, die nur ein besseres Ende verdient gehabt hätte. Etwas jedoch hatten alle meine Beziehungen gemeinsam, ich habe dabei immer Federn gelassen und sie dann, vernünftigerweise, rechtzeitig beendet. Aber mein Hang zu jüngeren Männern blieb unübersehbar. Mir war schon seit Langem klar geworden, dass ich auf junge Männer eine eigenartige Anziehungskraft ausübte, während ich bei Herren meines Alters deutliche Ablehnung, ja fast Angst hervorrief.
`Warum eigentlich nicht?` dachte ich, als ich mich langsam durch den schaukelnden Bus nach vorn kämpfte. Obwohl ich ein spontanes Wesen und sexuell immer aktiv war, hatte ich von One – Night –Stands oder Urlaubsflirts nie etwas gehalten. Deshalb auf meinen vielen Urlaubsreisen auch nie Gebrauch davon gemacht, obwohl ich massenhaft Gelegenheit sowie Angebote gehabt hatte. In dem Bereich brauchte ich, zeit meines Lebens, die Kennenlern- und Aufwärmphase, bevor ich mich diesen Gelüsten hingeben konnte. Aber nun, nach zweijähriger Enthaltsamkeit, die nur ein wirklich schönes One Night – Erlebnis und 3 kläglich misslungene Beziehung-Anbahnungs – Versuche beinhaltete, könnte ein kleiner Urlaubsquicki sicher nicht schaden.
`Ägypter, das wär doch mal ´ne ganz neue Erfahrung. Also, gib Gas Ruthchen. Genieß den Trip voll und ganz! Das hast du dir verdient!` machte ich mir selbst Mut.
Galant nahm Achmed meine Hand, half mir auf den Reiseleitersitz und ließ sich neben mir auf dem Boden des Ganges nieder. Bei Tageslicht hätte ich sicher eine Super Aussicht gehabt, aber in der Dunkelheit sah ich nur die Rücklichter der vorausfahrenden Fahrzeuge. Die Schwierigkeit eine Unterhaltung zustande zu bringen, nahm Achmed mir ab, indem er munter erzählte. Mit Rücksicht auf die schläfrigen Fahrgäste, sprach er sehr leise. Ich konnte nur vermuten, dass er mir seinen Lebenslauf berichtete, denn das monotone brummen des Motors ließ mich kaum etwas verstehen. Außer: Hm – ja – aha – ach – und soso, blieb mir keine Möglichkeit zu antworten. Ihn schien das nicht zu stören und ich konnte mir eine Gesprächsbeteiligung, mangels Interesse am Thema, sparen. Schließlich brauchte ich keinen Mann fürs Leben, vielleicht Mal fürs Bett. Schon nach kurzer Zeit ermüdete sein Redefluss. Schweigend saßen wir nebeneinander. Ich gemütlich, er unbequem. Was sein hin – und her Gerutsche deutlich machte. Als Zeichen seiner Zuneigung oder unserer Vertrautheit, was immer es auch bedeuten mochte, nahm er plötzlich mein kleines Händchen in seine recht Große und hielt sie schweigend fest. ´Wo will denn der Bär mit dem Kätzchen hin?`
Gut dass er, bei der schwachen Beleuchtung, mein ironisches Grinsen nicht sehen konnte. Dennoch überließ ich ihm gutmütig das Eroberte. Nach einiger Zeit wurde die Haltung meines Armes unbequem und meine Handfläche feucht, von seinem Schweiß. Abrupt beendete ich die ungemütliche Situation, erhob mich: „Bis später.“ Wartete eine Antwort gar nicht erst ab und trollte mich zu meinem eigentlichen Platz.
Alles schlief, im Fahrgastraum, außer mir. Ich war zu aufgedreht. Um mir die Langeweile zu vertreiben, griff ich zum Handy und sandte SMS an meine Töchter Ramona und Rabea, sowie Sohn Renee.
– Reise lang und anstrengend, bin im Bus – unterwegs durch die Wüste nach Luxor, - bald am Ziel, Gruß Mama. –
Dann ritt mich wohl der Teufel und ich schrieb an die Anderen Ägypten – Urlauber:
- Netter Trip – interessantes Land – neue Erfahrung – kaum angekommen, schon die
erste Eroberung gemacht – Achmed sehr charmant – glaube, heut wird noch gepoppt.- Gruß Ruth. –
Umgehend kam die Antwort: So kenn ich dich wieder, Chefin. Endlich wieder die Alte. Viel Spaß. Mario.-
Ich lachte auf. Mein Nachbar brummelte vor sich hin und versuchte vergeblich eine bessere Schlafposition zu finden. Vor uns wurde es heller. Die Lichter von Luxor. Das Ziel rückte näher.
Der Anblick der `Nile Smile´, am Pier des Nil, weckte die Erinnerung an die schöne Reise, sieben Jahre zuvor, mit meinem, inzwischen verstorbenen, Vater. Lächelnd trottete ich in Gedanken versunken hinter den Mitreisenden her. Doch zu meinem Erstaunen führte Achmed uns auf einen anderen Kreuzer mit einem unaussprechlichen ägyptischen Namen. Was sollte das? Ich konnte deutlich auf meinem Urlaubsticket `Nile Smile´ lesen, so wie ich es auch gebucht hatte. An Bord wurden wir in den Speisesaal geführt und gebeten erst Mal Platz zu nehmen. Zwei Herren, mittleren Alters, stellten sich als zuständige Reiseleiter, dieser Tour, vor und erklärten die Situation. Wegen `Überbuchung´ sei man gezwungen gewesen, ein zusätzliches Schiff zu ordern, deshalb müsse man uns hier einchecken. Es sei, mit Sicherheit, kein Unterschied zu dem eigentlich vorgesehenen Dampfer. Auf Grund unserer langen Reise und wegen der vorgeschrittenen Uhrzeit, habe die Küche einen kalten Imbiss für uns vorbereitet. Nach der Mahlzeit werde man uns die Kabinen zuweisen. Guten Appetit!
Der Fraß war nicht wesentlich besser, als das unappetitliche Angebot in den schmutzigen Wüstenrasthäusern. Doch der Hunger war wohl, nicht nur bei mir, stärker. Lediglich das leise knurrig klingende Gemurmel im Saal, bestätigte mir, dass allgemeine Unzufriedenheit herrschte. Nachdem ich versucht hatte, das Beste raus zu picken, was sich als recht wenig entpuppte, war meine Magenleere etwas reduziert. Im Raum umsehend, konnte ich mir den lang verblichenen Glanz des Kreuzers ungefähr vorstellen. Das konnte ja heiter werden, sähen die Kabinen auch nur ähnlich aus.
Meine dunklen Vorahnungen wurden bei weitem übertroffen. Schon auf dem Gang im Unterdeck stolperte ich über den abgewetzten Bodenbelag, und der Ölgeruch wurde zunehmend penetranter, die Motorgeräusche bei jedem Schritt lauter. Meine Kabine im untersten Deck, unweit des Maschinenraumes, war alles andere als anheimelnd. Zerschlissene, schmuddelige Vorhänge, ein Bett mit durchgelegener Matratze, dessen Bezug dringend eine Wäsche nötig hatte , ein Wandschrank ohne die eigentlich dazugehörige Tür, war mehr als eingestaubt, der ehemalig schöne Teppichboden wies ein futuristisches Lochmuster auf, aber der Gipfel der Boshaftigkeit war das Bad. Wenn man die Kabine schon nicht als groß bezeichnen konnte, so war in der Enge des Bades kaum eine Drehung um sich selbst möglich. In dieser Mini Dusche würde der eklige, dreckige Vorhang mit Sicherheit am Körper festkleben. Das war doch wohl der Höhepunkt der Dreistigkeit, diesen alten vergammelten Pott mit der eleganten luxuriösen ´Nile Smile´ vergleichen zu wollen!
´Nein, meine Herren, nicht mit mir! Ich lasse mir von niemand, auf die Art und Weise, meinen Urlaub versauen! Das wollen wir doch mal sehen!´ Aufgebracht düste ich Richtung Oberdeck, wobei ich an dem irritiert glotzenden Achmed vorbei rannte, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Erst viel später fiel mir auf, dass er nicht mehr an Bord war. Ich sah ihn nie wieder. Begab mich auf die Suche nach den zuständigen Ansprechpartnern. In der Bar saßen einige Gäste bei ihrem ersten Drink und warteten wohl auch auf die Gesprächsmöglichkeit mit den Reiseleitern. Diese waren von Beschwerdesüchtigen umlagert. Sie machten bereits einen ziemlich frustrierten Eindruck. Also reihte ich mich mal erst in die Warteschlange ein.
Die beiden jungen Frauen, an deren Tisch ich mich niedergelassen hatte, teilten meine Empörung. So habe man sich das Schiff aber nicht vorgestellt, weil es im Prospekt doch viel besser ausgesehen habe. Das konnte ich nur bestätigen, erzählte von meiner Reise auf der ´Nile Smile`. Berichtete