übertreiben ein wenig, Madam. Ich kenne das Schiff und soviel besser als dieses hier, ist es nun wirklich nicht.“ Erklang die Stimme eines der Reisebegleiter hinter mir.
Auf meinen Protest, er wolle lediglich von der Misere ablenken, indem er sich negativ über den anderen Kreuzer äußere, bot er uns an, das neben dem unseren liegende schwimmende Hotel zu besichtigen. Die beiden Damen stimmten sofort zu. Also dackelten wir zu dritt los.
Schon das noble Entree und freundliche Entgegenkommen des Rezeptionisten, uns durch das Schiff zu führen und letztlich auch noch die Kabinen zu zeigen, obwohl er betonte, dass man ausgebucht sei, beeindruckte meine Begleiterinnen zutiefst. Auf dem Rückweg zu dem Auslaufmodell waren wir einer Meinung. Man hatte uns verarscht. Nun war guter Rat teuer. Was konnten wir tun? Protestieren, Verlegung verlangen. Aber wohin? Das Gebuchte war voll belegt. „Wir werden sehen. Hier bleib ich jedenfalls nicht!“ sagte ich bestimmt. Die Damen nickten. Sie auch nicht. Endlich konnten wir mit einem unserer Betreuer reden. Er bedauerte die Situation sehr, gestand uns aber ein, dass er keine Möglichkeit sehe, uns auf einem anderen Schiff unterzubringen. Wegen Überbuchung, zurzeit keine Plätze frei. Konsequent verlangte ich, dann solle er mir ein Zimmer in einem guten Hotel in Hurghada buchen und mich dort hinbringen lassen. Bevor ich auf diesem `Dreckskahn` bliebe, zöge ich Badeurlaub am roten Meer vor. Er versprach, sein möglichstes zu tun, bat mich um Geduld bis zum nächsten Morgen. Ich war vorerst zufrieden.
Nach einer traumlosen Nacht erwachte ich, dank der deformierten Matratze, mit üblen Rückenschmerzen. Weil es recht spät war, musste ich mich mit einer Katzenwäsche begnügen, um die Frühstückszeit nicht zu verpassen. Das karge Speisenangebot trug nicht zur Hebung meiner miesen Laune bei. Zu allem Überfluss schmeckte der Kaffee verbrannt. Auch das noch! Toller Urlaub! Ich war dem Platzen nahe.
Beim Verlassen des Speisesaales prallte ich mit dem, meiner Meinung nach, Verantwortlichen zusammen. Bevor ich schimpfen konnte, legte der Ägypter seinen Arm um meine Schultern und erklärte mir mit strahlendem Lächeln: „Sie habe ich gesucht. Ich habe zwei Nachrichten. Eine gute und eine weniger gute. Welche wollen sie zuerst hören?“ Ohne meine Antwort abzuwarten redete er weiter: „Leider konnte ich keinen freien Platz auf einem anderen Schiff finden. Aber dafür habe ich ein wunderschönes Hotel in Hurghada gefunden, das noch ein Zimmer für Sie zur Verfügung stellen kann. Wenn Sie wollen, lasse ich Sie noch heute dort hinbringen. Allerdings wird das ein paar Stunden dauern, weil erst extra für Sie, ein Wagen geschickt werden muss. Na, was sagen Sie, schöne Frau? Wollen Sie? Oder möchten Sie lieber hier, bei mir, bleiben?“ dabei sah er mir tief in die Augen und sein Gesicht kam mir so nah, dass ich den Minzegeruch seines Kaugummis riechen konnte.
Die eben noch schlechte Stimmung war wie weggeblasen. Unmöglich seinem Charme zu widerstehen. Bevor ich wusste wie mir geschah, strahlte ich zurück, bedankte mich artig und nahm das Verlegungsangebot an. ‚Auch nicht schlecht´ dachte ich, ´den würd ich auch mal gerne vernaschen´. ´Was haben diese Ägypter nur an sich? Ich steh doch gar nicht auf Opi´s. Der Knabe ist doch bestimmt Mitte 40. Aber das muss ich ihm lassen, er hat ´nen unverschämten Charme. Unfassbar. Ruthchen, du überrascht mich. Da sieht dir so`n Daddy nur mal tief in die Augen und du bist heiß wie ´ne Bratkartoffel. Was ist los mit dir, Mädchen?` redete ich gedanklich mit mir selbst. Dabei hüpfte ich beschwingt die Treppen zu meiner Kabine runter. Ausgiebig widmete ich mich der Körper- und Schönheitspflege, wobei ich den klebrigen Duschvorhang einfach ignorierte. Bei meinem Haarstyling und dem dezenten Make up gab ich mir besonders viel Mühe. Für die ganze Prozedur benötigte ich ganze 2 Stunden. Nun ja, schließlich dauert es etwas länger, einen alten Rembrandt zu restaurieren. `So, fertig. Auf in den Kampf der Geschlechter. Wollen doch mal sehen was der Knabe so drauf hat. Heiß genug bin ich ja schon seit gestern. Hm, seltsam, der gestrige war zwar jünger, aber bei weitem nicht so sexy wie der ältere.` brachten mich meine Gedanken zum grinsen. Ein Kontrollblick in den Spiegel zeigte mir das Ergebnis meiner Arbeit. Eine zierliche Frau mit schulterlangem, leicht gelocktem, dunkelrot gefärbten Haar, schmalem Gesicht und braunen Augen. In eine schwarze Tuchhose und weißem Pulli gehüllt, unter dem man, mangels Büstenhalter, deutlich genug die wohlgeformten, mittelgroßen Brüste sehen konnte. (Dank der Bruststraffung ein Jahr zuvor und die nächste OP würde zwei Tage nach diesem Urlaub wieder von Chefarzt Dr. G. im Herz-Jesu-Krankenhaus in Münster-Hiltrup vorgenommen werden.) Alles zusammen ein durchaus zufriedenstellendes Bild. ´Nicht schlecht, Frau Geheimrat. Dann wollen wir mal testen, wie die Chancen stehen.`
Auf dem Weg zu den oberen Decks meldeten sich leichte Zweifel an. Woher wollte ich wissen, ob er überhaupt interessiert war? Seine schmeichelnde Art nicht einfach sein Naturell oder gar nur rein geschäftlich war? `Heißes Teil` schalt ich mich selbst, `nimmt dich so´n Typ kameradschaftlich in´s Ärmchen, da springst du ihm fast mit den Beinen zuerst um den Hals. Schäm dich und benimm dich. Wo bleibt denn da die Dame?` Die unbequemen Zweifel einfach beiseite schiebend, ging ich auf Suche nach dem Opfer meiner sexuellen Phantasien. Doch zu meiner Enttäuschung konnte ich ihn nirgendwo finden. Leicht frustriert genehmigte ich mir einen Cocktail in der Bar. Saß eine Weile dumm rum, bis ich mich letztlich entschloss, meine Langeweile mit Koffer packen zu vertreiben. Als ich die letzten Stufen zum Rezeptionsdeck hinunter kam, sah ich den Gesuchten. Er saß, mit zwei Herren im Gespräch vertieft, auf der kleinen Sitzgruppe im Empfang. Blickte kurz in meine Richtung, um dann mit einem breiten Grinsen, ruckartig aufzustehen und mich ungeniert von oben bis unten zu mustern. Seinem Gesichtsausdruck konnte ich entnehmen, dass ihm gefiel was er sah. Selten war es mir so schwer gefallen, die letzten Schritte auf jemanden zuzugehen.
„Hallo, Madam. Schön Sie zu sehen. Kommen Sie, nehmen Sie bitte Platz.“ Er machte eine einladende Handbewegung, wandte sich seinen Gesprächspartnern zu, sagte etwas arabisches, worauf die Beiden sich sofort verabschiedeten. Wir waren allein. „Es ist zu schade, dass Sie nicht bleiben wollen“, bedauerte er. „Wir hätten sicher eine sehr schöne Zeit miteinander verbringen können. Ich hoffe sehr, es wird Ihnen später auch leid tun.“ Wieder vertiefte sich sein Blick, diesmal in meinen Ausschnitt, und dabei meinte er: „Ja wirklich, sehr schade, aber vielleicht kommen Sie noch mal wieder an den Nil? Und vielleicht sehen wir uns dann wieder? Ich möchte Ihnen gern meine Handynummer geben, natürlich nur wenn sie wollen. Dann können Sie sich bei mir melden. Zu schade, dass Sie heute gehen!“ Er löste seine Augen von meinem Brustansatz und schrieb ein paar Zahlen auf ein kleines weißes Kärtchen.
Ich lächelte etwas unsicher, suchte ungeschickt in meiner Handtasche nach meiner Brieftasche, fischte eine Visitenkarte heraus und während ich ihm diese reichte, ließ ich ihn wissen: “Ganz sicher, werde ich wiederkommen. Vielleicht schon in 2 oder 3 Monaten. Für alle Fälle gebe ich Ihnen auch mal meine Rufnummer. Aber Moment mal, ich muss noch meine Handynummer draufschreiben, da steht nur die Nummer von meinem Geschäft.“ Wir tauschten die Karten und lasen beide interessiert.
„Oh ha, Madam Ruth,” rief er deutlich überrascht. „Das ist ja mehr als interessant. Ruth´s Puppenhaus. Table – Dance – Bar. Donnerwetter. Wir sollten wirklich in Verbindung bleiben. Vielleicht können wir auch noch gute Geschäfte zusammen machen.“ Was er mit ´auch noch´ meinte, war unschwer zu erraten, zumal er dabei zart über meine Hand streichelte.
Seine Anspielung ließ mich leicht erröten, die Berührung ein wenig erzittern. „Aber Ihren Namen kann ich kaum lesen, von aussprechen ganz zu schweigen,“ versuchte ich meine Befangenheit zu vertuschen.
„Ganz einfach, sag einfach Sobeih, scharfes S, nach dem E eine kleine Pause, dann hi. Guck mal auf meine Lippen, ich mach es dir vor. So-be-hi.“ ging er, wie selbstverständlich, zum Du über. Beugte sich vor und spitzte ein wenig die Lippen um den Namen noch mal zu wiederholen.
Ich starrte fasziniert auf seinen Mund, unfähig ihm nachzusprechen, weil ich eine elende Trockenheit in dem Meinen fühlte. Unsere traute Zweisamkeit wurde unsanft unterbrochen, als just in diesem Moment der zweite Tourleader auftauchte. Der Zauber des Augenblicks war verflogen.
Ich stotterte: “Also, dann bis demnächst mal.“ Als ich die Flucht ergreifen wollte, rief Sobeih mir nach: “Wir sehen uns gleich noch, Ihr Wagen kommt erst gegen fünf. Bis nachher.“
Nachdem ich meine sieben Sachen zusammen gepackt hatte, ging ich erst mal zum Lunch. Auch mit viel guten Willen, konnte ich dem Fraß nichts Gutes abgewinnen, so dass ich mich mit Suppe,