Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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oder Polizei erwischt und zu längeren Haftstrafen verurteilt. Sachbeschädigung an Einrichtungen mit öffentlichem Interesse wurde von den Richtern seit einiger Zeit mit Terrorismusaktionen gleichgesetzt. Dementsprechend lang saßen die Verhafteten hinter Gittern

      >>Da ist was!<<, nuschelte Mac von der Rückbank und deutete zwischen den Sitzen durch nach vorne.

      Ahmed versuchte, im Dunkel zu erkennen, worauf Mac zeigte. Die Straße führte in leichten Kurven durch flaches Land. Die Straßenränder waren unregelmäßig mit Bäumen gesäumt, die im Scheinwerferlicht als dunkle Schatten vorbeihuschten. Das schwache Licht der Scheinwerfer verlor sich bereits nach kurzer Distanz. Bei dem Tempo, das Ahmed vorlegte, um mögliche Verfolger abzuhängen, vollführten sie in gewisser Weise eine Kamikazefahrt.

      >>Ich sehe nichts! Was meinst Du?<<, antwortete Ahmed und starrte konzentriert nach vorne.

      >>Verflucht! Bremsen! Schnell!<<, schrie Khaleb.

      Etwas rammte den Wagen seitlich mit Wucht auf Höhe des rechten Kotflügels und schleuderte ihn fast vom Asphalt. Es knirschte metallisch. Der rechte Scheinwerfer zersprang und erlosch. Ahmed reagierte reflexhaft und lenkte gegen. Der kleine Wagen schleuderte ein paar Mal, während er wild hin und her lenkte, um die Kontrolle zurückzubekommen. Endlich fing er das Fahrzeug wieder ein, das mitten auf der Straße zum Stehen kam.

      Hinter ihnen flammten zwei grelle Lichter auf.

      >>Seid ihr in Ordnung?<<, rief Ahmed und trat das Gaspedal bis zum Bodenblech durch, was allerdings nicht viel bewirkte. Der Motor wurde zwar lauter, aber das Fahrzeug beschleunigte nicht nennenswert. Von vorne rechts erklang ein laut schabendes Geräusch und das Lenkrad verlangte einen kräftigen Einschlag, damit sie geradeaus fuhren.

      >>Ja, bin okay!<<, nuschelte Mac wieder und spuckte in den Fußraum. In seinem Mund schmeckte es immer noch blutig.

      >>Alles in Ordnung! Aber die Karre hört sich nicht gut an!<<, erwiderte Khaleb und drehte den Kopf nach hinten.

      Die beiden grellen Lichtpunkte hinter ihnen wirkten wie die Augen eines riesigen Tieres, das darauf wartete, zum Sprung anzusetzen.

      >>Irgendein verdammter Idiot ist mit seinem Karren aus einem Feldweg raus und hat uns gerammt! Zum Glück war es wohl kein zu großes Ding, sonst lägen wir jetzt bereits im Graben.<<

      Khaleb hob seine Hand und winkte ungeduldig.

      >>Gib mir meine Tasche! Mach hin, Du lahmer Donut!<<, fuhr er Mac laut an, der die Tasche aus dem Fußraum zog und sie zwischen den Sitzen durchschob.

      >>Hier, Du Arschloch!<<, fauchte Mac zurück.

      Khaleb setzte zu einer Antwort an, fluchte aber stattdessen, als seine Finger in etwas Schmieriges griffen und er angewidert fast die Tasche fallen ließ.

      >>Was hast Du dreckiger Fettklumpen da gemacht? Auf die Tasche gerotzt?<<

      Khaleb warf die Tasche angewidert auf den Boden vor sich und wischte seine Hand an der Sitzkante ab.

      >>Heute schon geblutet, Supermann? Nicht? Dann nimm meins!<<, tönte es von hinten. Khaleb unterließ eine Antwort. Stattdessen öffnete er den Reißverschluss der Tasche mit spitzen Fingern.

      Mit einem kurzen scharfen Knall sackte der Wagen auf der beschädigten Seite ab. Ahmed spürte einen heftigen Schlag in der Lenkung. Ihr Fahrzeug drehte sich gemächlich um das blockierte Rad und kam mit der Front in Richtung ihres Unfallgegners zum Stehen. Der andere Wagen stand mit grell aufgeblendeten Scheinwerfern mitten auf der Straße. Langsam kam er näher und blieb dann stehen. Eine unheilvolle Drohung.

      >>Und was jetzt?<<

      >>Steigt sofort aus und nehmt die Hände hoch! << rief eine kräftige befehlsgeübte Stimme von draußen.

      >>Ihr seid verhaftet!<<

      Khaleb blinzelte in das grelle Scheinwerferlicht. Ihr eigener Wagen stand ein Stück nach rechts gedreht vor dem anderen Fahrzeug, sodass Ahmed ihm einen gewissen Sichtschutz bot. Möglicherweise war das eine kleine Chance. Khaleb traf eine schnelle Entscheidung.

      >>Also, ich gehe!<<

      Seine Hand umschloss, was er in der Tasche gesucht hatte. Mit der anderen Hand öffnete er die Tür ein Stück und ließ sich nach draußen fallen. Er fiel ins hohe Gras auf dem Randstreifen, rollte sich zur Seite und rutschte in den Straßengraben.

      >>Stehen bleiben! Flucht ist zwecklos!<<, brüllte jemand.

      >>Ihr könnt mich mal!<<, antwortete Khaleb. Er robbte auf Knien und Unterarmen ein Stück vorwärts, bis er sich hinter einem Baum befand. Der Stamm war breit genug, um ihm Sichtschutz zu bieten. Er kniete sich und schaute abwartend nach oben.

      Eine dunkle Silhouette ging vor dem anderen Wagen her.

      >>Anfängerfehler!<<, dachte Khaleb und entriegelte mit dem Daumen die Sicherung der Waffe, die er aus der Tasche gezogen hatte. Irgendwie hatte er geahnt, dass sie mehr als nur ein paar Sprengsätze brauchen würden.

      >>Letzte Warnung! Kommt auf die Straße und nehmt die Hände hoch!<<, brüllte wieder jemand. Neben dem Baum erschien im Licht ein fester Schatten, dessen Rand das Licht wie eine Aura umrahmte. Der Strahl einer Taschenlampe leuchtete in den Graben. Unvorsichtiger Idiot, aber er machte es Khaleb einfach. Mit einem zufriedenen Grinsen drückte Khaleb ab. Ein scharfes Surren ertönte und wurde durch ein leises Knistern abgelöst. Im Dunkel tanzten kleine blaue Funken in der Luft. Der Schatten erstarrte einen Moment und stürzte stumm vornüber zu Boden. Die Taschenlampe landete im Gras. Der Lichtstrahl reduzierte sich auf ein grünliches Schimmern.

      Khaleb wartete ein paar Sekunden, bevor er die dünnen Kabel, die von der Waffe zu den Widerhaken an seinem Opfer führten, mit einem Hebeldruck von der Waffe löste. Dann huschte er zu seinem Opfer, griff nach der Lampe und schaltete sie aus. Vorsichtig richtete er sich auf und suchte nach weiteren Gegnern.

      An ihrem Wagen vorbei sah er das Fahrzeug, das sie gerammt hatte. Aus seiner Position waren die Scheinwerfer verdeckt. So erkannte er die Umrisse eines nicht allzu großen Vans. Die Fahrertür war geöffnet.

      Diese Typen mussten irre sein, mit solch einer Schüssel ihren Wagen von der Straße zu rammen. Er meinte, Dampf von der Motorhaube aufsteigen zu sehen.

      >>Umaru, siehst Du ihn?<<, rief die Stimme, die Big Mac und Ahmed verboten hatte, sich zu bewegen. Zwei Gegner, einer bereits ausgeschaltet. Der Rufer befand sich aus seiner Position hinter dem Baum und konnte Khaleb in seiner Deckung nicht sehen.

      Er nutzte die Situation und tastete Umaru ab, der zitternd vor ihm lag. Das würde noch ein wenig anhalten. Der Stromschlag aus dem Taser hätte jemand mit Herzproblemen vielleicht das Leben gekostet. Aber Umaru schien ein gesundes Herz zu haben. Das Glück hatte den unvorsichtigen Idioten nicht ganz verlassen.

      In einer Hand hielt der paralysierte Gegner eine Pistole. Es dauerte einen Moment, sie zu sichern und aus den verkrampften Fingern zu winden. Er steckte sich die Waffe unter den Hosengürtel. Langsam kletterte Khaleb wieder aus dem Graben und hockte sich neben den Baumstamm.

      >>Umaru? Wo steckst Du, verdammt?<<

      Die unsicher klingende Stimme kam näher. Der andere bewegte sich um ihren Wagen herum, in dem Ahmed und Mac immer noch saßen und darauf warteten, wie sich die Situation entwickelte. Vor der Motorhaube tauchte ein Schatten auf, ebenfalls mit einer Taschenlampe ausgerüstet.

      Diese beiden Typen waren zwar bewaffnet, aber darauf beschränkten sich wohl auch ihre Kompetenzen. Auch Nummer zwei bewegte sich mit der Eleganz einer beleuchteten metergroßen Zielscheibe. Khaleb wartete geduldig ab, in einer Hand die Taschenlampe, in der anderen den Taser, der noch eine Ladung hatte. Umarus Partner verharrte an seiner Position und leuchtete ziellos umher, keine fünf Meter von Khaleb entfernt. Die Entfernung war kurz genug. Khaleb richtete den Taser auf den Schatten und drückte wieder ab. Auch der zweite Gegner stürzte, gelähmt durch den kräftigen Stromschlag,