Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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Eindruck, als wenn er am Fenster die Aussicht genoss. Die Empfangsdame machte den Eingang frei und kurz darauf betrat ein Mann den Salon, der in seiner gesamten Person Autorität ausstrahlte. Das musste Frederic Jacobs sein, hochgewachsen, schlank, etwa Mitte vierzig, sportliche Erscheinung, mit kurzem grau meliertem Haar und einem etwas dunkleren Drei-Tage-Bart. Seine Augen waren dunkel und sein Blick vermittelte eine klare Botschaft, wer den Ton angab.

      Er trug einen dunkelblauen Rollkragenpullover zu einer hellgrauen Anzughose und dunklen Schnürschuhen, Budapester, soweit Daniel das beurteilen konnte. Die Armbanduhr mit goldenem Gehäuse wirkte an diesem Mann nur wie eine notwendige Ergänzung seiner Erscheinung, die keine Konkurrenz durch andere Schmuckstücke duldete. Immerhin trug er nicht passend zum Stil des Hauses ein Jackett mit Ärmelaufschlägen, Weste, Spitzenjabot und Kniehose nebst Gehstock und Spitzentaschentuch. Und so sehr stach auch sein Blick nicht. Vielleicht würde doch ein ganz passables Gespräch stattfinden. Daniel atmete einmal tief durch.

      Trotzdem ihn die Erscheinung des Mannes beeindruckte, musste sich Daniel über diese Vorstellung ein Lachen verbeißen. Der Gedanke war wie ein Schluck guter Whiskey. Er wärmte ihn und entspannte sogar seinen Magen. Warum dachte er nur ständig an Alkohol. Vielleicht hatte er sich in den letzten Monaten doch ein kleines Problem angetrunken.

      Frederic Jacobs maß Daniel mit abschätzigem Blick und nahm in der nächstgelegenen Sitzgruppe in einem der Sessel Platz. Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Ihm folgte eine Frau mit langen blonden Haaren, wie Jacobs vermutlich etwas über vierzig Jahre alt. Sie trug ein dunkelgraues schlichtes Kleid mit kurzen Armen zu dunkelroten Schuhen mit relativ kurzen Absätzen. Ihr Gesicht war sehr dezent geschminkt. Es war nicht schwer zu erraten, dass sie Jacobs Frau war. Sie nahm neben ihrem Mann Platz. Frau Jacobs legte ein Touchpad auf den Tisch.

      Beide musterten Daniel ausdruckslos von Kopf bis Fuß. Daniel erwiderte die Blicke, obwohl ihm dabei immer unwohler zumute wurde. Er fühlte sich ein wenig, als würde er in einem Käfig im Zoo stehen und sich von Besuchern begaffen lassen.

      >>Sie sind der Mann, der sich um die Stelle als Detektiv beworben hat!<<

      Jacobs schoss diese banale Feststellung in einer Schärfe heraus, die Daniel fast zusammenzucken ließ. Von allgemeinen Höflichkeitsfloskeln wie etwa einer Begrüßung und gegenseitiger Vorstellung schien Familie Jacobs nicht viel zu halten. Na ja, in seinen Unterlagen stand alles über ihn und am Türschild genug über den Herrn mit den teuren Schuhen. Warum also Worte verschwenden.

      Ihm einen Platz anzubieten wäre aber zumindest eine Geste der Höflichkeit gewesen. Daniel blieb also stehen, die Hände hinter dem Körper zusammengelegt. Einen so coolen Eindruck wie sein Chauffeur machte er dabei nicht.

      >>Ja, das ist richtig, Herr Jacobs!<<, erwiderte er reflexhaft und bemerkte, dass er eingeschüchtert klang. Wenn er hier nicht, wie von dem glatzköpfigen Fahrer angekündigt, ganz schnell wieder rausfliegen wollte, musste er dringend mehr Selbstbewusstsein ausstrahlen. Es gab nur keine Chance sich das nötige Maß davon anzutrinken. Ein neues Ziel nach dem, dieses Gespräch zu überstehen, mehr Abstinenz wagen.

      >>Sie haben das Türschild richtig gelesen. Sie wissen also, wer wir sind!<<

      Jacobs musterte ihn, als hätte er sich bereits ein Urteil über den Bewerber gebildet, das nicht gut ausgefallen war.

      >>Ich habe auch die Informationsbroschüre im Flugzeug gelesen! Vielen Dank für die angenehme Anreise!<<

      Das klang schon besser. Daniel war entschlossen, dem unhöflichen Ton entgegenzuhalten, was zumindest bei Frau Jacobs ein leichtes Lächeln hervorrief. Sie warf einen Blick auf das Touchpad.

      >>Sie haben Ermittlungserfahrung als Polizist! Warum sind sie jetzt arbeitslos?<<

      Aha, doch ein Bewerbungsgespräch. Antall hatte sich doch zu weit aus dem Fenster gelehnt. Vielleicht hätte er sich darauf vorbereiten sollen. Was sind Ihre größten Schwächen, was Ihre größten Stärken. Na, ich kann Alkoholika am Geschmack unterscheiden. Das kann eine Stärke, aber auch eine Schwäche sein. Und ich kann perfekt auf einem Bein humpeln.

      Wo sehen Sie sich in fünf Jahren. Keine Ahnung. Wahrscheinlich unter einer Brücke, weil ich bereits in ein paar Monaten aus meiner Wohnung fliege und kein Geld mehr in der Tasche habe.

      Aber solche Antworten kamen möglicherweise nicht so gut an. Ein wenig mehr Seriosität mochte ihm helfen, den Weg unter die Brücke hinauszuzögern.

      >>Viele Aufgaben der Polizei wurden durch private Unternehmen übernommen. Also werden Polizisten entlassen. Die Jüngsten sind die, die man am einfachsten loswird! So hat es mich getroffen.<<

      Jacobs nickte, während er ihm direkt in die Augen sah.

      >>Die Personalagentur, die wir beauftragt haben, einen Detektiv zu finden, hat uns eine Anzahl Leute vorgeschlagen, darunter auch ein paar professionelle Detektive. Ich habe Sie ausgewählt, weil Sie jung genug und damit erwartungsgemäß flexibel sind. Außerdem waren Sie Polizist und als Ermittler tätig. Dazu gehe ich davon aus, Sie können mit Begriffen wie Ehrlichkeit und insbesondere Verschwiegenheit umgehen!<<

      Das klang fast schon freundlich. Aber seine Zunge wollte trotzdem noch ein wenig am Gaumen kleben. Dem nächsten Satz ging mangels ausreichenden Speichels ein leichtes Schnalzen voraus.

      >> Das kann ich Ihnen zusichern!<<

      Jacobs legte den Kopf etwas zur Seite. Er schien kurz zu überlegen.

      >>Ihre Unterlagen sahen einwandfrei aus, abgesehen von Ihrer körperlichen Einschränkung. Aber das sollte kein Hindernis sein. Körperliche Defizite lassen sich kompensieren.<<

      Daniel zog die Stirn hoch. Er überlegte, was Jacobs damit sagen wollte. Kein Knock-out Kriterium? Sollte der Job ein Spaziergang werden?

      >>Meine Knieverletzung stammt aus einem Einsatz während der Zeit der Unruhen. Ich habe damit keine Probleme, solange ich nicht zu einem Hürdenlauf antreten muss.<<

      Jacobs ging über die Antwort einfach hinweg.

      >>Sie haben bei einer Internetermittlungsgruppe gearbeitet. Sie können also mit einem Computer umgehen und sind nicht nur in der Lage eine Suchmaschine zu bedienen!<<

      Nicht eine Frage von Jacobs. Alles aus seinem Mund war eine Feststellung.

      >>Ich habe einiges in meinem Job gelernt! Datensuche mit Möglichkeiten jenseits der Standardsuchmaschinen. Ich kenne Kontakte im Netz, die bei Ermittlungen sehr nützlich sein können.<<

      Daniel gönnte sich ein verschmitztes Grinsen. Sollte ihn Jacobs ruhig für selbstsicherer halten, als er sich eigentlich fühlte. Seine schweißnassen Handinnenflächen sah niemand.

      >>Sie können also Dinge über unsere Familie herausfinden, die uns möglicherweise unangenehm wären?<<

      Frau Jacobs Stimme klang weich, ganz anders als die des Mannes.

      >>Das hängt davon ab, welche Informationen über sie überhaupt im Umlauf sind. Sie werden wohl an Informationen interessiert sein, die sich in geschlossenen Communities finden lassen oder die in abgeschotteten Netzwerken gespeichert sind! Wenn Sie mir etwas Zeit geben und ein wenig Geld erübrigen, kann ich das meiste herausfinden, das außerhalb des Netzwerks Ihres Unternehmens zu finden ist.<<

      >>Ah, wir sind schon beim Geld, ohne dass Sie wissen, was überhaupt die Aufgabe ist! Solche Leute habe ich gerne!<<

      Jacobs zog ein Gesicht, als hätte Daniel ihn beleidigt.

      Die Frau lehnte sich leicht nach vorne und schob einen abgespreizten Finger über das Touchpad. Sie schien etwas zu suchen.

      >>Ich denke nicht, dass Herr Neumann aus eigener Tasche seine Quellen bezahlen möchte, wenn er etwas für uns herausfindet. Darum geht es doch, nicht wahr?<<

      Daniel nickte. Allmählich fühlte er sich etwas wohler. Frau Jacobs wirkte interessiert.

      >>Ja, auch im Internet