Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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Marc sagte, er braucht an seinem Studienort keinen Wagen. Er benutzt dort einen Mietwagenservice und ein Elektrorad!<<

      >>Gibt es irgendwelche Unstimmigkeiten, die ihn veranlasst haben können, ein wenig Abstand von Ihnen zu nehmen?<<

      >>Nein! Es gab in den letzten Monaten keine unangenehmen Situationen oder Streitigkeiten zwischen uns!<<

      Daniel dachte für einen Moment nach. Es blieb ihm momentan nur die Feststellung, dass die einfachen Möglichkeiten, den Gesuchten zu finden, kollektiv in die Sackgasse führten, was auch nicht anders zu erwarten gewesen war.

      >>Um Ihre Frage nach meiner Vorgehensweise zu beantworten, Herr Jacobs. Ich werde an der Universität mit den Nachforschungen beginnen. Er wird dort Freunde haben, die mir etwas über ihn sagen können. Es gibt Nachbarn, die vielleicht etwas Ungewöhnliches bemerkt haben. Ich benötige Zugang zu seinem Apartment, um mich darin umzuschauen. Außerdem werde ich die Zeit bis zu seinem Verschwinden rekonstruieren müssen. Und ich werde mich um die Spuren kümmern, die er im Internet hinterlassen hat, also Äußerungen in Communities etwa. Es wird sich ein Ansatzpunkt finden lassen, der den Grund seines Verschwindens erklärt!<<

      >> Und wenn sich dabei nichts ergibt?<<

      >> Niemand verschwindet, ohne eine Spur zu hinterlassen! Das ist schon physikalisch unmöglich! Ich werde also etwas finden!<<

      Daniel musste sich eingestehen, dass er sich ziemlich weit aus dem Fenster lehnte.

      Es gab mit Sicherheit eine Menge Möglichkeiten, warum der Sohn plötzlich verschwand, ein familiärer Streit als Anlass, eine Liebe, die der Familie nicht ins Konzept passte, das Bedürfnis, einfach aus dem eigenen Leben auszusteigen, oder ein Verbrechen.

      Und es war schon eine große Zahl Menschen verschwunden und niemand war in der Lage gewesen, herauszufinden, wo sie geblieben waren. Manche tauchten irgendwann wieder auf, unversehrt oder in Resten dessen, was auf natürliche Weise verwertet worden war. Natürlich war den Angehörigen diese letzte Möglichkeit der Rückkehr die Unangenehmste. Manchmal kam die Nachricht vom Tod des Gesuchten auch gelegen, meistens in Erbschaftsfällen. Aber das war hier auszuschließen. Falsche Reihenfolge. Marc war verschwunden, nicht sein Vater.

      >>Sie sind also überzeugt, Sie finden Marc wieder?<<

      Frau Jacobs strahlte ein Übermaß an Erleichterung aus.

      >>Ich möchte Ihnen nichts vormachen. Solange ich noch nach Spuren über seinen Verbleib suchen muss, kann ich nichts ausschließen. Wenn Sie mich beauftragen, werde ich ihn suchen und Ihnen meine Ergebnisse präsentieren!<<

      >>Sie meinen, im schlimmsten Fall bringen Sie uns einen Toten zurück?<<

      Frederic Jacobs klang kalt. Seine Haltung war noch immer ablehnend, die vor dem Körper verschränkten Arme zeigten das allzu deutlich. Die Vorstellung, dass sein Sohn tot sein könnte, schien ihn aber nicht wirklich zu berühren. Oder er hielt seine Gefühlswelt auf bemerkenswerte Weise von seiner Umgebung fern.

      Frau Jacobs hielt den Atem an und legte eine Hand erschrocken auf ihre Brust. Die Geste wirkte etwas zu theatralisch. Empathische Überdosis oder einstudierte Affektiertheit.

      >>Nehmen Sie nicht das Schlimmste an! In weit mehr als neunzig Prozent aller Fälle findet sich ein Vermisster wohlbehalten wieder an. Die anderen hatten meist einen Umgang, der zwangsläufig dazu führte, dass ihr körperliches Wohlergehen beeinträchtigt wurde oder ihr Leben abrupt beendet wurde. Ich denke aber, dass man das wohl bei jemandem aus Ihrer gesellschaftlichen Umgebung ausschließen kann.<<

      Daniel hielt einen Moment inne.

      >>Das bringt mich natürlich zu einer wenn auch nicht sehr wahrscheinlichen Vermutung!<<

      >>Sie meinen eine Entführung? Aber Entführer werden in einem solchen Fall wohl nicht lange warten, um eine Lösegeldforderung zu präsentieren! Wer Marc entführt, sollte wissen, wen er sich für eine Erpressung ausgesucht hat!<<, wehrte Jacobs Daniels Einwand ab.

      >>Damit haben Sie absolut recht! Ich sagte ja, eine unwahrscheinliche Vermutung.<<

      Frederic Jacobs stützte sich wieder an der Fensterbank ab. Seine Brustmuskeln wölbten sich unter dem Pullover etwas vor.

      >>Ich denke, wir können Ihnen vertrauen! Im Endeffekt haben wir auch keine Wahl. Wenn wir noch länger nach einem geeigneten Ermittler suchen, kann es nur noch schwieriger werden! Sie sind an dem Job interessiert?<<

      >>Insofern Sie mir Ihr Vertrauen entgegenbringen wollen, nehme ich den Auftrag an<<, antwortete Daniel.

      Innerlich vollführte er einen Luftsprung.

      >>Was bedeutet das genau?<<, fragte Diana Jacobs Daniel.

      >>Ich benötige etwas Zeit, um die Fakten aufzunehmen, mir ein Bild zu machen. Wenn ich weitergehende Unterstützung benötige, begründe ich das gerne. Aber wenn Sie das Gefühl haben, ich würde Sie hintergehen oder mit der Arbeit nicht zurechtkommen, sollten wir schnellstens überlegen, ob es Sinn macht, mir diese Aufgabe weiter zu übertragen. Ich möchte mich nicht ständig rechtfertigen müssen!<<

      Dünnes Eis. Idiot. Wenn Frederic Jacobs nur einen Moment zu lange darüber nachdachte, saß er binnen Minuten wieder bei dem netten Fahrer im Auto. Aber es sprudelte aus ihm heraus.

      >>Das verstehe ich!<<, erwiderte Frau Jacobs.

      >>Allerdings sollten Sie uns auch nicht den Eindruck von Unfähigkeit vermitteln, indem Sie kaum Ergebnisse haben, oder versuchen, es sich finanziell ein paar Tage auf der Angelegenheit bequem zu machen.<<

      >>Frederic, es ist gut jetzt!<<, bremste Frau Jacobs ihren Mann ein.

      Der nahm wieder die Arme vor die Brust.

      >>Ich erwarte von allen meinen Mitarbeiter, dass sie effizient arbeiten und ihr Geld wert sind. Ich werde keine andere Maßstäbe an Herrn Neumann anlegen.<<

      Die Unterhaltung wurde kurz unterbrochen, als Charleen erst anklopfte und dann eintrat. Sie schob einen kleinen Wagen vor sich her, auf dem ein paar kunstvoll bemalte Tassen, eine Kanne Kaffee sowie ein silbernes Milchkännchen und ein Zuckertopf aus gleichem Material standen. Charleen stellte den Wagen am Tischchen neben Frau Jacobs ab und schenkte routiniert Kaffee in drei Tassen. In eine Tasse legte sie mit einem Löffel zwei Stück Zucker, in die andere goss sie etwas Milch und rührte um. Dann reichte sie beide Tassen an die beiden Jacobs weiter. Der Duft, der plötzlich durch den Raum zog, war unglaublich, fand Daniel.

      So roch Kaffee von sehr guter Qualität, ganz anders als das billige Zeug, das man im Supermarkt kaufen konnte, viel zu stark geröstet, eher schon verbrannt, um den viel zu früh geernteten Bohnen einen Hauch von Aroma beizufügen. Daniel sog den wunderbaren Geruch ein.

      Zuletzt wandte sich Charleen an Daniel, der aus seinem kleinen Genussrausch geweckt wurde.

      >> Nehmen Sie Zucker oder Milch?<<

      >>Ich trinke schwarz, danke!

      Auch ihm wurde eine Tasse gereicht. Dann verließ die Bedienstete wieder den Raum.

      >>Wir haben schon etwas vorbereitet. Auf dem Touchpad finden Sie Informationen über Marc. Wir haben ein paar Dinge zusammengesucht, die uns eingefallen sind. Dazu ein Foto von Marc.<<

      Frau Jacobs nahm das Touchpad vom Tisch und reichte es Daniel.

      >>Ich erwarte von Ihnen einen täglichen Bericht, abends um neunzehn Uhr, per Anruf. Wenn ich nicht abnehme, werden Sie an einen GlobSecure Mitarbeiter umgeleitet, der über Ihren Auftrag informiert ist.<<

      Jacobs nahm einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse auf der Fensterbank ab. Er blieb seinem Stil eindeutig treu. Daniel fand es erstaunlich, wie er das Verschwinden seines Sohnes als ein geschäftliches Problem betrachtete, bei dem es wichtig war, sich nicht übers Ohr hauen zu lassen. Er tippte auf das Display des Touchpads