Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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lief kurz ein Schauer über den Rücken. Die Gelegenheit wäre tatsächlich günstig gewesen. Wenn Vermont ihn kaltstellen sollte, wäre ihm Daniel gerade völlig arglos in die Falle gegangen. Aber so etwas machte keinen Sinn. Wenn er Marc Jacobs nicht finden sollte, würde es wichtig sein, dass er aus eigenen Kräften versagte und nicht schon in der ersten Stunde nach der Beauftragung von der Bildfläche verschwand. Vermont würde eher darauf achten, dass er mögliche Spuren nicht fand oder nicht erkannte. Das wäre eine sinnvolle Rolle für den SecGuard.

      >>Quatsch!<<

      So kurz wie möglich beschrieb er das Gespräch mit den Jacobs und das, was er auf dem Touchbook gefunden hatte, vermied dabei aber, die Namen seiner Auftraggeber zu erwähnen.

      >>Da ist eindeutig was faul<<, kommentierte Harry, nachdem Daniel seinen Bericht beendet hatte.

      >>Wenn Du mir jetzt noch Namen nennst, kann ich mal unsere Datenbanken durchforsten und Dir das Ergebnis mitteilen.<<

      Daniel fühlte sich mit einem Mal sehr erleichtert.

      >>Harry, ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr Du mir damit hilfst!<<

      Statt einer Antwort erschien eine kleine Figur im langen Mantel mit Al Capone Hut, die den Betrachter unter ihrer dunklen Brille angrinste. Dann folgte doch ein Text.

      >>Immer gerne, Daniel! Würde gerne wieder ein paar böse Jungs mit Dir jagen! Hat damals Spaß gemacht!<<

      >>Gut! Dann müsstest Du noch den Namen der verschwundenen Person wissen! Halt Dich fest!<<

      >>Brauchen wir ein wenig Trommelwirbel? <<

      Das las sich ein wenig ironisch. Aber Daniel hatte keinen pseudowichtigen Z-Klasse-Prominentennamen zu bieten.

      >>Sagt Dir der Name Jacobs etwas? Marc Jacobs?<<

      Wieder ein paar Momente Pause. Daniel grinste. Scheinbar hallte der Trommelwirbel bei Harry noch nach.

      >>Bist Du Dir sicher, Du hast den Namen richtig verstanden?<<

      >>Ganz sicher! Ich habe sogar ein Bild von ihm. Und ich habe mit seinen Eltern von Angesicht zu Angesicht gesprochen!<<

      >>Den Einstieg als Detektiv hättest Du nicht ein paar Nummern kleiner gehabt? Warum um Himmels Willen gerade der Sohn des CEO von Europas mächtigstem Energiekonzern?<<

      Die Unterhaltung zog sich, weil das Schreiben Zeit beanspruchte. Zwischen den einzelnen Wortwechseln warf Daniel einen Blick nach draußen in den wolkenlosen blauen Himmel.

      >>Das Angebot an Aufträgen war überschaubar! Die Alternative wäre ein Hausmeisterjob gewesen. Aber ich sehe, Du kennst den Namen!<<

      Für die nächste Kontaktaufnahme zu Harry würde er seinen Aufpasser abhängen müssen. Sprechen beanspruchte deutlich weniger Zeit.

      >>Wer kennt den nicht? Uns liegt nur keine Vermisstenmeldung im Zentralregister vor.<<

      Natürlich hatte Harry nicht sekundenlang starr vor Ehrfurcht beim Lesen des Namens auf seinem Stuhl verharrt, sondern sofort eine Abfrage auf den Datenbanken der Bundespolizei abgesetzt.

      >>Hatte ich auch nicht erwartet!<<

      >>Dann war das hier nur ein Hallo, um herauszufinden, ob ich noch mit Dir rede?<<

      >>Irgendwie schon! Wir sollten mal wieder in Ruhe was trinken gehen, wenn ich das hier erledigt habe! Dann erzähle ich Dir, was bei mir in den letzten Monaten los war. Ich glaube aber, das war nichts, wofür ich ein Lob verdiene!<<

      Vermont drehte sich zu ihm herum.

      >>Mann, Sie tippen da wie ein Irrer auf Ihrer Tastatur herum. Ich hoffe, Sie beschäftigen sich mit Ihrem Auftrag und chatten nicht schon nur aus Heimweh mit Ihrer Freundin!<<, knurrte er, wandte sich aber sofort wieder nach vorne.

      Daniel rollte mit den Augen. Er verbiss sich eine Erwiderung. Vermont schien auch nicht mit einer Antwort zu rechnen.

      >>Ich kann mir vorstellen, was mit Dir los ist. Ohne Job bist Du heutzutage schneller bei der Armenspeisung, als man sich vorstellen kann. Mach Dir keine Gedanken! Ich helfe Dir gerne, so gut ich kann. Als ehemaliger Kollege und als Freund!<<, erschien Harrys Antwort auf dem Bildschirm.

      Daniel atmete erleichtert auf.

      >>Danke!<<

      >>Ist selbstverständlich! Gibt es schon etwas, das Du wissen musst?<<

      >>Am liebsten hätte ich vollständige Dossiers über die gesamte Familie Jacobs. Aber das ist wohl etwas viel verlangt.<<

      >>Ich schaue, was ich herausbekommen kann. Aber wenn von denen noch keiner mit dem Gesetz aneinandergeraten ist, wird das nicht viel werden.<<

      Daniel brannte eine weitere Frage unter den Fingern.

      >>Kannst Du mal den Namen Vermont überprüfen. Er ist SecGuard bei GlobSecure. Als besondere Kennzeichen hat er eine schmale Narbe über dem Stirnbein und eine weitere auf dem Hinterkopf. Momentan trägt er Glatze und Fu Manchu Bärtchen.<<

      >>Einen Moment!<<

      Daniel wartete, bis Harry die Abfrage durchgeführt hatte. Ein schnelles Ergebnis hatte der aber nicht zu bieten. Die Zeit verstrich. Nach quälend langen Minuten erschien endlich eine Antwort. Harry hatte wohl einen Text aus dem Abfrageergebnis kopiert.

      >>Rob Vermont, Mitarbeiter bei GlobSecure. Die Daten dieser Person unterliegen einem Sperrvermerk der Stufe Vier. Weitere Auskünfte werden nur auf staatsanwaltlichen Antrag erteilt.<<

      Daniel schluckte. Diesen Satz kannte er. Vermont hatte eine besondere Beziehung zu einer staatlichen Institution, oder eine besondere Vergangenheit. Auf jeden Fall hielt man in obersten Kreisen des Staates die Hand über diesen Mann. Die Sicherheitseinstufung bürgte dafür. Es dauerte ein paar Sekunden, dann folgte ein weiterer Satz.

      >>An Deiner Stelle würde ich den Kerl genau beobachten. Der bricht Dir möglicherweise das Genick und wirft Dich weg, wenn Du Deinen Job nicht wie gewünscht erledigst.<<

      Daniel wurde mit einem Mal ziemlich flau im Magen.

      17.

      Die verbleibende Flugzeit verbrachte Daniel damit, nach Marc Jacobs Spuren im Internet zu suchen. Einige Artikel des Vermissten brachten ihm einen ersten Eindruck, der seinen Erwartungen gerecht wurde.

      Marc Jacobs war seit drei Jahren Student der Energietechnik. Außerdem hatte er eine Assistentenstelle am Lehrstuhl für Brennstoffzellentechnik. Ein schneller Blick über die Internetseite des Fachbereichs brachte Daniel zu der Auffassung, dass Marc ein sehr fleißiger Verfasser von Publikationen war. Es gab zahlreiche Links zu Fachmagazinen und Verbänden, bei denen Marc Jacobs als Autor genannt wurde. Er hatte einige Fachartikel veröffentlicht, in denen es um verschiedene Themen der Energietechnik ging. Bilder von ihm gab es keine in den Veröffentlichungen.

      Daniel verstand mit Mühe, worum es inhaltlich grundsätzlich ging, bevor die Artikel sich in der Beschreibung von mathematischen Formeln und technischen Komponenten ausbreiteten. Es war für Daniel schwierig, einzuschätzen, ob die Ausführungen einfach nur Pflichtübungen waren, um in der akademischen Welt wahrgenommen zu werden, oder ob es um Marcs besondere Interessengebiete ging.

      Die Aufsätze über die Zukunft der solaren Energiewirtschaft fand Daniel noch leicht verständlich. Sie erklärten, warum Unternehmen wie DesertEnergy in Zukunft den Energiemarkt optimal ausstatten und steuern würden. Was sollte jemand aus der Familie von Frederic Jacobs auch sonst schreiben. Weitere Artikel beschrieben technische Verfahren, Komponenten von Energieanlagen, Produktionsprozesse und Optimierungsansätze. Der Fokus lag dabei weitgehend auf Brennstoffzellen. Solche Zellen kannte er selbst hauptsächlich aus Autos, in denen sie aus Wasserstoff Elektrizität für den Fahrzeugantrieb erzeugten.