Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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er eine Tabelle. Namen, Adressen und Telefonnummern.

      Er schaute sich das Bild genauer an.

      Jacobs Sohn ähnelte seinem Vater äußerlich sehr. Er hatte die gleichen gerade geschnittenen Gesichtszüge und dunklen Augen. Die beiden hätten als kleiner und großer Bruder durchgehen können, was aber auch ein Ergebnis gewisser operativer Maßnahmen an Frederic Jacobs Gesicht sein konnte.

      Was Daniel vermisste, war irgendeine Ähnlichkeit Marcs mit seiner Mutter. Jacobs Gene schienen wie er selbst zu sein, dominant.

      >>Das sind wohl hauptsächlich Freunde von Marc aus Frankfurt. Hier in Berlin hat er keine nennenswerten Kontakte. Wir haben uns die Nummern besorgt, die Marc angerufen hat und die ihn in den letzten Wochen angerufen haben. Dazu hat uns GlobSecure mit den Adressen und Namen zu den Nummern versorgt<<, informierte Jacobs ihn.

      Freunde? Als Ergebnis von Anruflisten. Die Jacobs schienen entweder naiv oder hinsichtlich des Lebens ihres Sohnes sehr unbedarft zu sein. In der Liste steckten womöglich ein paar Überraschungen.

      >>Haben Sie nicht selbst versucht, diese Leute zu kontaktieren?<<

      >>Natürlich sind wir schon selbst auf diese Idee gekommen, aber auf den meisten nicht öffentlichen Nummern nimmt niemand ab.

      Die Freunde, die wir erreichen konnten, wussten nichts über Marcs Verbleib. Zu den Adressen haben wir GlobSecure bereits mit Nachforschungen beauftragt.<<

      Frederic Jacobs Stimme hatte einen verächtlichen Klang. Eine Frage nach solchen Selbstverständlichkeiten bewertete er eindeutig als Angriff auf seinen Intellekt.

      >>Vielleicht haben Sie mehr Glück mit denen.<<

      Daniel warf noch einmal einen Blick auf die kurze Liste. Ein paar Nummern gehörten zu öffentlichen Einrichtungen, zu Bereichen der Universität, zu ein paar Firmen. Besonders fielen ihm vier Namen mit Adressen auf, die die besagten Freunde sein konnten. Dahinter befanden sich ein paar Seiten, die auf den ersten Blick ein paar Informationen über den Gesuchten preisgaben.

      >>Hat Ihr Sohn eine Partnerin oder einen Partner?<<

      Frau Jacobs schüttelte den Kopf.

      >>Davon wissen wir nichts! Er hatte letztes Jahr eine Freundin, aber die beiden haben sich getrennt. Seitdem hat Marc von niemandem mehr gesprochen! Über kurzfristige Liebschaften wird er verständlicherweise seinen Eltern gegenüber weniger berichten wollen.<<

      >>Unser Sohn hat eben seinen Fokus auf sein Studium gelegt!<<, fügte Frederic Jacobs hinzu.

      Natürlich. Ganz der Vater. Geradlinig, präzise, scharfsinnig, intelligent. Der Fokus war nur in den letzten Wochen ein wenig weggerutscht. Wohin blieb herauszufinden.

      >>Aber GlobSecure hat die junge Dame auch überprüft! In ihren Telefonverbindungen und Internetaktivitäten hat sie tatsächlich seit damals keinen Kontakt mehr zu Marc gehabt.<<

      Daniel war sprachlos. Er wagte nicht, zu fragen, warum die Jacobs GlobSecure nicht weiter mit der Suche beauftragen wollten. Scheinbar war der Sicherheitsdienst bereit, für seine Auftraggeber in den privaten Angelegenheiten beliebiger Personen herumzuschnüffeln, und besaß auch die Möglichkeiten dazu. Ein schlechtes Gewissen schienen die Jacobs auch nicht zu haben. Dass Persönlichkeitsrechte und Datenschutz nur im öffentlichen Raum wahrgenommen wurden, wusste Daniel aus seiner Polizeiarbeit. Die Strafverfolgung durfte diese Rechte großzügig ignorieren. Nur war dies hier keine polizeiliche Ermittlung. Marc war wohl nicht einmal von den Jacobs als vermisst gemeldet worden.

      Aber er hatte sich, trotz der Erkenntnis, dass Daten für die, die sie sammeln konnten, stets im Zugriff standen und in jeglicher erdenklichen Hinsicht analysierbar waren, eingeredet, allein die Masse an Informationen gewährleiste eine gewisse Anonymität für jeden. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Interesse derer, die auf die Daten zugreifen konnten, sich auf eine bestimmte Fragestellung oder eine bestimmte Person konzentrierte, womit diese Anonymität verloren ging.

      Die Antwort auf die Frage, wer diesen Zugriff hatte, war erstaunlich. Staatliche Instanzen hatten zwar das Recht, Kommunikationsinformationen bei Providern jederzeit umfassend einsehen zu können, aber wer genügend Geld auf den Tisch legte, bekam eindeutig nicht weniger geboten. Oder hatte eigene Möglichkeiten der Datenbeschaffung.

      >>Ihr Sohn hat doch bestimmt auch hier ein Zimmer? Es könnte Sinn machen, mich dort umzusehen!<<

      >>Nein! Er benutzt das Zimmer nur zur Übernachtung, wenn er hier ist. Wir haben es gründlich durchsucht, aber nur Kleidung und Badezimmerartikel gefunden.<<

      Die Antwort kam so schnell und in einem spürbar scharfen Ton, dass Daniel sofort die Idee kam, Frederic Jacobs wollte ihm den Zugang in die Wohnräume nicht gestatten, und ihm damit einen Einblick in die Welt der Familie zu verwehren. Eine Verschärfung der Diskretionsforderung.

      Daniel verzichtete darauf, das Thema weiter zu erörtern, was absehbar nur zu einer weiteren Abwehrreaktion führen konnte. Möglicherweise würde Jacobs ihn sogar hinauswerfen lassen, wenn Daniel seinen Unmut wecken würde. Und letztendlich lockte in Sichtweite eine Entlohnung. Frau Wolenskis Gesicht tauchte in seinen Gedanken auf. Er schüttelte sich innerlich.

      >> Haben Sie weitere Kinder?<<, fragte Daniel, um elegant von diesem Thema umzuschwenken.

      >>Nein, Marc ist unser einziges Kind<<, antwortete Diana Jacobs.

      Ihr Mann stieß sich von der Fensterbank ab und ging einen Schritt nach vorne.

      >>Jetzt wollen Sie wahrscheinlich noch wissen, was Ihnen der Auftrag einbringt?<<

      Jacobs Blick hatte etwas Stechendes. Bei Daniel wollte keine Sympathie für diesen Mann aufkommen.

      >>Ich gebe Ihnen eine Woche Zeit, um etwas Interessantes vorzuweisen. Sollten Sie unseren Sohn vorher finden, bekommen Sie die Woche trotzdem bezahlt und ich lege eine Prämie dazu. Haben Sie Marc nicht in dieser Zeit gefunden, entscheide ich, ob Sie der Sache gewachsen sind und weitermachen. Für die Begleichung von Spesen wird ebenso gesorgt. Pro Tag bekommen Sie zweitausend als Honorar und zwanzigtausend am Ende als Prämie im Fall des Erfolgs. Das ist mehr, als ein Privatdetektiv üblicherweise erwarten kann!<<

      Damit hatte er absolut recht, dachte Daniel und erinnerte sich an das Gespräch mit Antall.

      >>Ich nehme an, Sie sind einverstanden, oder hatten Sie andere Vorstellungen?<<

      >>Nein, das Angebot ist sehr großzügig!<<

      Was auch sonst. Je später er wieder zu dieser Wolenski musste, umso besser.

      >>Gut! Sie erhalten diese Vereinbarung zugestellt. Eine Kopie geht an die Vermittlungsagentur.<<

      Jacobs nickte knapp.

      Diana Jacobs warf Daniel einen dankbaren Blick zu. Für sie schien er ein echter Rettungsanker zu sein, im Gegensatz zu ihrem Mann.

      >>Vielen Dank, dass Sie unseren Sohn suchen werden!<<

      >>Ich werde mein Möglichstes versuchen! Das möchte ich Ihnen zusichern!<<

      Er nahm einen Schluck Kaffee und noch einmal die Gelegenheit, das fantastische Aroma einzuatmen, das ihm aus der Tasse entgegenwehte. Alles war wieder gut. Das Leben konnte manchmal richtig schön sein, wenn das Glück im richtigen Moment arbeitswillig war.

      Für einen kurzen Moment.

      >>Da wir Sie nicht kennen und Ihnen daher kein unbegrenztes Vertrauen schenken können, und auch nicht wissen, wohin Sie Ihre Suche führt, werden Sie zur allseitigen Absicherung einen Begleiter bekommen!<<

      Frederic Jacobs ging zur Tür. Leise sprach er in den Eingangsbereich, in dem vermutlich Charleen darauf wartete, gebraucht zu werden. Er kam zurück und setzte sich in den zweiten Lehnsessel der Sitzgruppe, in der Frau Jacobs und Daniel saßen.

      Jacobs schien ein durch und durch misstrauischer Mensch zu sein. Daniel spürte genau, der