Dirk Meinhard

Sonnenkaiser


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      Daniel öffnete seine Tür. Der Kies gab unter seinen Füßen kaum nach.

      >>Sie haben noch ein paar Minuten! Klingeln Sie! Es wird Sie jemand ins Haus lassen. Die Tasche können Sie im Wagen lassen! Ich bringe Sie nachher wieder zurück zum Flughafen!<<

      Daniel zog nachdenklich die Augenbrauen hoch. Das klang, als wenn der Fahrer ohnehin bereits wüsste, wie sein Termin mit dem Kunden ausgehen würde. Sollten hier schon einige Bewerber abgeladen und nach einem kurzen Wortwechsel wieder hinauskomplimentiert worden sein? Vielleicht war das der wahre Grund, warum keine reguläre Detektei mit diesem Auftrag betraut worden war. Der Kunde suchte möglicherweise den Thomas Magnum der Neuzeit, körperlich fit, unkonventionell, diskret, abhängig und bereit, sich unter Einsatz seines Lebens in den Auftrag reinzuhängen. Und nun kam Daniel Neumann, der wohl kaum eine dieser Anforderungen erfüllte. Irgendwie dumm gelaufen. Wenigstens hatte er einen abwechslungsreichen Tag erlebt, eine Residenz von innen gesehen und würde gleich erfahren, wer ihn zu dieser kurzweiligen Reise mit Bereicherung seiner Allgemeinbildung eingeladen hatte.

      Der Fahrer hob seinen Arm und deutete einladend in Richtung der imposanten Haustür. Daniel folgte der Armbewegung und stieg die Treppe hoch. Er freute sich schon direkt auf eine weitere unterhaltsame Fahrt mit dem vernarbten Mann.

      15.

      Daniel überquerte die Veranda und ging mit zögernden Schritten auf den großen Türklopfer zu, der nicht ganz stilecht zum Baustil des Hauses neben der großen doppelflügeligen Eingangstür befestigt war. Im Maul eines protzigen Löwenkopfs steckte ein großer Metallring, den Daniel anhob und wieder fallen ließ. Der Ring schlug mit einem dumpfen Knall gegen den Hals des Löwen. Im Haus erklang eine angenehme Tonfolge ähnlich einem Glockenspiel. Wie albern, fand Daniel, eine unpassende Kombination aus Antiquität und moderner Technik.

      Dann erst fiel sein Blick auf ein schlichtes Metallschild über dem Löwenkopf, in dem neben einem Wappen ein Name eingraviert war. Jacobs.

      Diesen Namen hatte er an diesem Morgen schon gelesen. Ein leichter Schauer lief über seinen Rücken. Daniel fühlte sich plötzlich noch ein Stück kleiner. Aber er verstand nun das ganze Getue um die Anonymität des Auftraggebers. Jemand mit diesem Namen hatte mehr als genug Gründe, inkognito zu bleiben. Aber warum gab sich der Chef des größten europäischen Energiekonzerns mit einem unbedeutenden arbeitslosen Ex-Polizisten ab? Was zum Teufel war an ihm so interessant?

      Es dauerte nur ein paar Momente und ein Türflügel wurde geöffnet. Eine grauhaarige Frau fortgeschrittenen Alters in einem schlichten dunklen Hosenanzug stand in der Tür und lächelte freundlich. Ein kühler Luftzug strömte ihm entgegen. Das riesige Haus war klimatisiert.

      >>Sie sind Herr Neumann, nehme ich an?<<

      Eine angenehme Stimme. Sein Fahrer wäre bei der Bewerbung um diesen Job klar durchgefallen. Ihre überkorrekt gerade Körperhaltung signalisierte ihre Funktion als Hausangestellte, wahrscheinlich eine Empfangsdame.

      >>Ja, das ist richtig<<, antwortete Daniel, der fast erstaunt war, dass ihn kein stilechter Butler empfing. So viel elitäres Gehabe hätte er einem milliardenschweren Manager eigentlich zugetraut.

      >>Die Herrschaften werden Sie im Salon empfangen!<<

      Die Frau ging einen Schritt zur Seite und ließ Daniel eintreten.

      Ein großzügiger Eingangsbereich, der Boden mit quadratmetergroßen Steinen mit marmorierter Oberfläche ausgelegt war. Ein dunkler Holzfußboden setzte den äußeren Stil des Hauses hinter dem Eingangsbereich fort. Die Wände behielten das Weiß der Fassade bei, wohl um die Ölgemälde an den Wänden besser zur Geltung zu bringen.

      Möbel im Kolonialstil setzten dazu einen passenden Kontrast. Der Eingangsbereich wurde von zwei großzügigen geschwungenen Treppenläufen dominiert, deren Stufen im Erdgeschoss nach links und rechts ausliefen. Auf beiden Seiten ragte je eine Säule bis zur Decke, um die die Treppenstufen sich nach oben wanden. In der Mitte, auf halber Höhe der Etage machte dieses aufwendige Treppenhaus einer Empore Platz.

      Daniel konnte sich gut vorstellen, wie Herr und Frau Jacobs zum Empfang einer Gesellschaft von dort oben herunterschritten, er in einem dunklen Smoking, sie in einem edlen Kleid, reichlich behangen mit Ketten und Diamanten, um auf der Empore zu halten, und erst die restlichen Stufen herabzuschreiten, nachdem ein Angestellter sie laut angekündigt hatte.

      >>Ihre Lordschaft von Jacobs mit Gattin geben sich die Ehre!<<

      Irgendwie bekam er gerade richtig Durst auf einen doppelten Bourbon, notfalls auch ohne Eis. Das hier war viel zu groß für ihn.

      Die Empfangsdame schritt nahezu lautlos am Treppenaufgang vorbei zu einer doppelflügeligen Tür in dunklem Holz, und ließ dann Daniel den Vortritt in einen großzügigen Salon, der sich in eher traditionellem englischen Stil eines Klubs gab. Die Wände waren in einem gedämpften Rot gehalten. Mehrere Chesterfieldsofas und Sessel und niedrige längliche Couchtische in dunklem gebeiztem Holz waren in kleinen Sitzgruppen verteilt.

      In einer großen Vitrine präsentierte sich ein antik aussehendes kunstvoll bemaltes Teeservice mit chinesischen Schriftzeichen, neben einer nicht minder wertvoll wirkenden Serie von aufwendig geschliffenen Gläsern. Eine antike Standuhr hatte ein Stück weiter Platz gefunden. Das Pendel unter dem Zifferblatt schwang gleichmäßig und geräuschlos vor sich hin. Am Kopfende des Raums befand sich ein offener Kamin. In einer Ecke standen auf einem Barmöbel mehrere Flaschen, deren Etiketten den Inhalt als Whisky, Bourbon und Cognac auswiesen. Was auch sonst, dachte Daniel, dessen geübte Augen diese kleinen Schätze über die gesamte Distanz des Zimmers identifiziert hatten.

      An den Wänden hingen ein paar Gemälde, die passend zur Atmosphäre des Raums ebenfalls aus einem vergangenen Jahrhundert zu sein schienen, in dem Wohlstand noch mit Segelschiffen erwirtschaftet wurde und nicht mit Strom. Jacobs Zeitsprung aus seiner beruflichen in seine private Welt war ein Wohlstandsstatement sondergleichen.

      Ein leichter Geruch von aromatischem Tabak lag in der Luft.

      Dieser Raum atmete intensiv die Kolonialzeit Englands. Wenn der Stil des Hauses auf den Charakter seines Besitzers schließen ließ, dann würde das Gespräch wohl wirklich nicht lange dauern. Daniel hatte plötzlich ein Bild eines elegant gekleideten Mannes vor sich, arrogante Gesichtszüge, kalte Ausstrahlung, machtbewusst, ein Nachfahre ehemaliger Kolonialherren. Kurze Fragen in herrischem Ton, untermalt von stechenden Blicken, in Erwartung knapper präziser Antworten unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Unterschieds.

      Mann, hatte er plötzlich Durst auf einen ordentlichen Schluck aus einer der Flaschen auf dem Bartisch. Wahlweise hätte er auch das Angebot, das Haus wieder verlassen zu können, wahrgenommen. Das hier war nicht seine Welt, das war sogar ein anderes Universum. Ein viel Größeres als sein Eigenes.

      Die Anspannung gab ihm das Gefühl auf eine handliche Größe zu schrumpfen. Es fehlten nur noch Magenschmerzen und Übelkeit.

      >>Die Herrschaften werden gleich kommen!<<

      Die Frau blieb an der Tür stehen, als müsste sie darauf aufpassen, dass der Gast nicht versuchte, wertvolles Inventar einzupacken, um sich damit aus dem Staub zu machen.

      Daniel nickte ihr freundlich zu und schlenderte zu einem der mit Vorhängen behängten Fenster. Von hier aus bot sich ein wunderbarer Blick auf einen Teich und einen offenen Pavillon.

      >>Kontrolliert tief und ruhig durchatmen. Denk an etwas Angenehmes. Das ist nur ein Besuch, ein nettes Gespräch. Wenn es nicht passt, sitzt Du wieder in diesem Flugzeug und bist auf dem Weg nach Hause<<, dachte er.

      Er fühlte sich versucht, der Empfangsdame ein paar Fragen über die Familie Jacobs zu stellen, aber ihre Antworten würden, wenn sie überhaupt welche geben würde, nur sehr nichtssagend ausfallen. Diskretion, Sie müssen verstehen. Die Herrschaften lehnen den Tratsch über ihr Privatleben in der Öffentlichkeit strikt ab. Es wird so viel geredet, was nicht der Wahrheit entspricht.

      Endlich hörte Daniel Stimmen näher