Manfred Wasner

DAS SOZIALE LEBEN RUND UM UNBEWEGLICHE SACHEN


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Baumeister Josef "Jimmy" Ungersböck für ein Jahr beigestellt bekommen. Der Jimmy kann nun wählen, bleibt er beim Team, oder geht er zurück zur Projektbau. Er sehnt sich zurück zu den großen Baustellen, wo das rasche Wachstum von Bauten zu sehen ist und sieht keine rechte Zukunft in Aufgaben wie: „Einbau eines Bades in die Wohnung des nicht eigenberechtigten Herrn Paracek“, „Vorschlag einer Lichthof-Verbauung“, die dann gar nicht zur Ausführung kommt und „Adaptierung des Lokales“ für die Gebietsbetreuung selbst.

      Der Verfasser erinnert sich noch gern der gemeinsamen Mittagessen in Ottakring, bei denen Jimmy, der Alt- Ranger des Bundesheers und Rotarier, - und er selbst, der Wehrersatzdiener und Stammgast bei der Mühl - Kommune, - gut und konfliktfrei zusammen kommen. Jimmy erzählt seine Geschichten, etwa von der Jägerprüfung, und der Verfasser erzählte seine, - wie er für die „Junge Generation der SPÖ –Ottakring“, - mit dem Jung-Politiker Michael Häupl, - selbst gestrickte Parolen ins Mikro des Lautsprecher- Busses bei der Demo gegen die Abbruch- Spekulation schreit, weil sich sonst niemand traut.

      Der Jimmy verläßt also das Team und es muss Ersatz her. Wolfgang Gräsel hatte inseriert und es kommen eines Nachmittags halbstündig hintereinander sechs oder sieben Bautechniker in die Gebietsbetreuung Ottakring, sich vorzustellen. Gräsel sitzt im Hinterzimmer und spricht mit ihnen. Der Verfasser sitzt vorn im Informations- Raum. Er empfängt die Leute, - nur Herren, - und weist sie weiter.

      Am Abend kommt Wolfgang Gräsel nach vorn und fragt:

      "Welcher von den Bautechnikern hat Ihnen am besten gefallen, Sie haben ja alle gesehen?"

      "Ich habe sie ja nur begrüßt und verabschiedet."

      "Aber Sie haben vielleicht daraus einen Eindruck gewonnen."

      "Es war bei den Herren einer dabei, der einen lila Anzug anhatte. Entweder, der Herr ist sich seines Könnens so sicher, dass ihm die Kleidung bei der Vorstellung unwichtig ist, oder aber er hat sie nicht Alle, - aber das müssten Sie im Gespräch mit ihm bemerkt haben."

      "Er hat sehr vernünftig gesprochen", sagte Gräsel, „und ich bin zur gleichen Auffassung gekommen, wie Sie."

      So kommt der Viktor Prinz zu uns. Der lila Anzug war, wie sich später herausstellte, seine Bekleidung als Amateur- Turniertänzer. Unmittelbar nach dem Vorstellungs- Termin geht er nämlich zum Turniertanz-Training. Der Viktor ist somit nicht trotzdem, sondern gerade weil er sich als bunter Vogel darstellte, ins Team aufgenommen worden. Nach mehr als zwanzigjähriger Tätigkeit geht er in die Alterspension.

      12. Der Idi und sein Mini (das Team 5)

      Auch die Gebietsbetreuung Ottakring braucht mehr Mitarbeitende. Der Verfasser hat den Auftrag, sich darum zu kümmern. Bislang hatte Christoph Braumann für das Team gezeichnet, ein Student der Raumplanung. Sie hätten ihn auch angestellt und er war auch dazu bereit. Aus irgendwelchen Gründen verzögert sich die Anstellung bei der Sozialbau jedoch Woche um Woche und plötzlich sagt der Christoph, er habe eine andere Arbeit angeboten erhalten, in Salzburg, wo er herstammt, - und die würde er nehmen.

      Er empfiehlt als Ersatz einen entfernten Bekannten, einen vor kurzem mit dem Studium fertig gewordenen Raumplaner, einen gewissen Hans Friedler, der dem Verfasser bis dahin unbekannt ist. Außerdem hatte sich bei ihm ein ehemaliger Mitarbeiter aus dem Allgemeinen Krankenhaus beworben. Er läd beide zum selben Termin in die Gebietsbetreuung Ottakring ein.

      Kurz vor der vereinbarten Zeit geht die Tür auf, und es kommt ein großer, kräftiger junger Mann mit wallenden braunen über-schulterlangem Haar ganz aufgeregt bei der Tür herein:

      "Mein Mini steckt im Schnee fest!".

      "Ich helfe!".

      Gemeinsam versuchen sie, den Mini hochzuheben und ihn in Park-Position zu hieven.

      "Der ist gar nicht schwer!"

      "Ein bisserl weiter rechts!"

      "Jetzt, ho Ruck!"

      „So, das passt jetzt".

      Bei dieser Tätigkeit reden sie sich ganz selbstverständlich per Du an. Als fünf Minuten später der Bewerber aus dem Allgemeinen Krankenhaus kommt, sagt er bereits nach ein paar Worten, "Ich weiß, meine Bewerbung hat keine Chance, weil ihr euch ja kennt". Warum habe der Verfasser ihm das nicht gleich an Telefon gesagt?

      So kommt der Idi zum Team. Er hatte gleich zu Anfang gesagt, dass er zwar Hans Friedler hieße, seine Freunde ihn aber immer "Idi" nennen, ein Spitzname, der über "Friedli" aus seinem Familiennamen kommt. Er steht damals, im Jänner 1979, kurz vor Abschluss eines Wirtschafts- Studiums als Zweitstudium, und dort steht er heute noch. Die Aufgaben beim Team hatten ihm zum fertig Werden keine Zeit gelassen.

      13. Mit dem Kurt am Karlsplatz (das Team 6)

      Vielleicht hat alles nicht 1977, ´78 oder ´79 angefangen, sondern schon viel früher. 1969 war es, soweit erinnerlich in der frühherbstlichen Inskriptionszeit, als den Verfasser am Karlsplatz ein nur vom Sehen bekannter Architektur- Student, - zwei Semester jünger, - anspricht und fragt: "Kommst Du mit zur Demonstration gegen den Abbruch der Otto Wagner Stadtbahn- Station? Das ist wichtig!". Sie stehen unter den Demonstranten, ohne von der Sache selbst, zwei Stadtbahn- Stations- Gebäude funktionslos zu erhalten, tatsächlich überzeugt zu sein.

      Sie meinen aber beide, am Architekturstudium selbst müsse sich Einiges ändern. Beide sind sie froh, einen Gesinnungs- Genossen gefunden zu haben. Kurt Smetana, so hieß der Student, sagt, er kenne Jemand, der auch so denkt, einen gewissen Reinhard Morawecz. Sie treffen sich gemeinsam mit Reinhard und fahren gemeinsam mit ihren Freundinnen in den Wienerwald.

      Bald sind sie sich einig, die nach der Auseinandersetzung um die Kündigung eines Lehrauftrags für Gegenwartsarchitektur eingeschlafenen Aktivitäten des "Aktionskomitees der Architekturstudenten" aufleben zu lassen. Dieses Komitee hatte Mitglieder wie den „Brumi“ Wolfgang Brunbauer, Bertram Mayer, Günter Matschiner und die Kooperative Himmelblau, - damals noch zu viert, - sowie als "Jungstudenten" Herbert Binder und den Verfasser.

      Der Herbert macht auch jetzt wieder mit, auch ältere, von den Mitgliedern der neuen Gruppe fast bewunderte Studenten aus der Kultur- und Wohngemeinschafts- Szene wie August Fröhlich, Timo Huber und Hermann Simböck.

      Es gibt eine Reihe von Treffen in der Waschküche neben dem ausgedienten Bügelzimmer am Dachboden, das der Verfasser damals zusammen mit Johanna Rengelshausen bewohnt. Gut dreißig Leute sitzen auf dem Asphalt neben dem Waschkessel und auf improvisierten Sitzgelegenheiten. Bald ist klar, ihr vornehmliches Ziel ist eine Reform des 1966 eingeführten Kompromiss - Studienplanes, durch den das Architekturstudium in Wien nach Helsinki das zweit-längste der Welt geworden war. Ein weiteres Ziel: Die Einrichtung eines "Kontaktraumes" auf der Technischen Hochschule (heute: Technische Universität), da die Waschküche keine Dauerlösung sein kann.

      Den Kontaktraum gibt es einige Monate später wirklich. Herbert Binder. August Fröhlich und Kurt Smetana sowie als Ersatz Hans Lechner, Nikolaus Steinböck und der Verfasser sind in die Studienkommission gewählt. Als parteilose Namensliste! Die damaligen Studierenden- Parteien erringen kein einziges Mandat - die christlich-soziale ÖSU, der sozialdemokratische VSSTÖ und der freiheitliche RFS. Sie sie nicht, wie damals modern, „APO“, außerparlamentarische „Opposition“, sie sind ja im Besitz der absoluten Mehrheit! Tatsächlich gibt es den Kontaktraum einige Monate später wirklich. Herbert Binder. August Fröhlich und Kurt Smetana sowie als Ersatz Hans Lechner, Nikolaus Steinböck und der Verfasser sind in die Studienkommission gewählt. Als Namensliste ! Die damaligen Studierenden- Parteien ÖSU, VSStÖ und RFS gehen alle leer aus.

      Es gelingt ihnen durch beharrliches Sperrveto, den zwar in Gebrauch befindlichen, aber noch nicht rechtskräftig beschlossenen Studienplan von 1966 wesentlich zu verändern und zu verkürzen. Dies kommt auch des Verfassers eigenem Studienabschluss zugute.

      Sie alle haben aber das Bedürfnis, sich nicht nur mit Protest zu beschäftigen, sondern vorzuführen, wie es ihrer Ansicht nach besser zu machen sei.