Ana Marna

Wandlerin


Скачать книгу

am liebsten selbst auf die Zunge gebissen.

      „Allerdings“, knurrte es zurück. „Und jetzt wirst du deinen kleinen Schwanz zurechtrücken, auflegen und dich für einen Rückruf bereithalten!“

      „Geht klar!“

      Jenson legte auf und stieß langsam die Luft aus.

      „Du bist echt ein Knaller“, kicherte Marshall mit einem Mal los. „Hast du da eine Kriegerin angemacht? Mann, ich dachte, du hängst an deinen Eiern.“

      „Dachte ich auch“, murmelte Jenson. „Erzähl das bloß nicht Susan.“

      „Ach, ich weiß nicht“, grinste Marshall. „Vielleicht ist das ja inspirierend für sie und sie schnappt sich ein paar Gewichte für mehr Muskelmasse.“

      „Du bist echt ein Arsch“, schnappte Jenson zurück. Nach kurzem Nachdenken fand er die Idee allerdings gar nicht mehr so abwegig. Susan hatte nach den beiden Schwangerschaften deutlich zugelegt. Er mochte zwar ihre Rundungen, doch ein paar mehr Muskeln konnten seiner Frau durchaus nicht schaden. Es war nur bedauerlich, dass er vermutlich nie erfahren würde, wie Betty Simpson aussah. Ob sie so attraktiv war, wie ihre Stimme anfangs geklungen hatte. Andererseits, er hing tatsächlich an seinen Eiern. Und von Kriegerwölfen hielt man ja bekanntlich besser Abstand. Egal ob männlich oder weiblich.

       Keine Freunde

      

       Missouri

      Ungeduldig starrte Erdil auf das Flugfeld und versuchte, seine schlechte Laune in den Griff zu bekommen.

      Die Anweisungen von Asher Hunter waren eindeutig gewesen: Holt die Wölfe vom Flugfeld ab und setzt sie auf die Spur!

      So weit so gut. Doch offenbar kam die versprochene Unterstützung von weit her, denn sie hockten jetzt schon über zwei Stunden in der ungemütlichen Baracke und versuchten, sich gegenseitig nicht auf den Geist zu gehen.

      Leo wirkte ebenso schlecht gelaunt, was das Ganze nicht erträglicher machte. Sie hatten Karina Wells Geruch bis außerhalb von Morton verfolgen können. Dort war sie offenbar in einen Bus gestiegen und die Wandler blieben chancenlos zurück. Manchmal verfluchte Erdil die Tatsache, dass sein Geruchssinn zwar besser war als der von Menschen, dem der Wölfe aber deutlich unterlegen.

      Die Aussicht, die kommenden Tage mit zwei Fellträgern verbringen zu müssen, war alles andere als motivierend.

      Wölfe und Wandler konnten sich sprichwörtlich nicht riechen. So war es schon immer gewesen und von Erdils Seite aus konnte das auch so bleiben. Sie hatten nur eine Sache gemeinsam: Beide Arten waren potenziell aggressiv. Wandler sogar aggressiver noch als Wölfe. Ansonsten gab es nur Unterschiede. Wandler waren Einzelgänger, Wölfe Rudelwesen. Wandler waren, wenn sie sich überhaupt eine Partnerin nahmen, monogam. Wölfe neigten eher zu Polygamie. Entsprechend mehr Nachwuchs zeugten sie, weshalb es auch deutlich mehr Wölfe als Wandler gab. Ein Punkt, der Erdil besonders ärgerte.

      Wölfe machten sich keine Sorgen über Fortpflanzung. Zwar wurden nicht all ihre Kinder zu Wölfen, doch auch nicht gewandelte Familienmitglieder blieben im Rudel und genossen dessen Schutz.

      Wandler fanden nur selten eine Partnerin, da ihre aggressive und cholerische Art nur schwer zu ertragen war. Und dieser Unbeherrschtheit fielen auch so manche Kinder zum Opfer. Dass die meisten Knaben die Wandlung nicht überstanden, war umso schwerer zu akzeptieren.

      Erdil hatte sich bisher bewusst gegen eine Familie entschieden. In den letzten dreihundert Jahren hatte er zu oft mit angesehen, wie Artgenossen unter dem Verlust geliebter Menschen gelitten hatten.

      Als Sophia Hunters Gene aktiviert wurden, hatte vermutlich nicht nur er kurz überlegt, ob sie eine passende Partnerin sein könnte. Doch Erdil sah in der jungen Frau eher eine Ersatztochter, denn eine Lebenspartnerin. Er hatte sie aufwachsen sehen und mochte sie. Mehr aber auch nicht. Dass Medon bei der Kleinen zum Zug gekommen war, hatte ihn trotzdem zunächst geärgert. Doch Sophia schien glücklich zu sein und das war vermutlich alles, was zählte.

      Er sah wieder aufs Flugfeld und richtete sich unwillkürlich auf. Ein Hubschrauber näherte sich und setzte kurz darauf zur Landung an.

      Erdil beobachtete aus zusammengekniffenen Augen, wie zwei breitgebaute Männer heraussprangen. Das Outfit kam ihm irgendwie bekannt vor. Schwarzes Leder von oben bis unten.

      Der blonde Hüne beugte sich noch einmal in das Innere der Maschine und Erdil erhaschte einen kurzen Blick auf rotschimmernde Locken und schlanke Arme, die sich um den breiten Kriegernacken legten. Dann zog der Mann sich wieder zurück und stapfte zusammen mit dem anderen auf das Fluggebäude zu.

      Nach wenigen Metern wusste Erdil, wer sich da näherte, und murmelte eine leise Verwünschung.

      Henry Graves und Mort Byers.

      Das hätte er sich eigentlich denken können. Vor ungefähr zwei Jahren hatten sie sich in Italien kennengelernt. Zu der Zeit war Erdil noch Leibwächter für Sophia und Nathalie Bates gewesen. Die Wölfe nutzten damals Sophias Wandlerfähigkeiten, um an Informationen über einige kriminelle Wilderer zu kommen. Es war Sophias erster Job gewesen und sie hatte ihn mit Bravour gemeistert. Was sicher auch Erdils Verdienst war. Immerhin hatte er sie mit ausgebildet.

      Die beiden Ankömmlinge betraten das Gebäude und kurz darauf standen sich Wandler und Wölfe gegenüber.

      Sie beäugten sich mit dem üblichen Misstrauen, dann grinste Henry Graves Erdil an.

      „Lange nicht gesehen. Wie geht es der kleinen Sophia?“

      „Bestens“, knurrte Erdil. Das Interesse des Wolfes an Hunters Tochter gefiel ihm nicht.

      Henry Graves lachte leise. „Nur nicht zu viel geplaudert.“

      Dann nickte er auch Leo zu. Dieser kannte die beiden Wölfe besser, so viel wusste Erdil. Immerhin hatten sie zusammen mehrere Tage auf Hunters Landsitz verbracht, wo dieser zum ersten Mal auf Nathalie Bates getroffen war. Freunde waren sie natürlich nicht geworden. Man akzeptierte sich, mehr nicht. Doch das war schon eine ganze Menge.

      Erdil riss sich zusammen. Diese Gedanken waren verschwendete Zeit. Sie mussten Karina Wells aufspüren.

      In kurzen Sätzen erläuterte er die Situation.

      Die Wölfe hörten konzentriert zu. Dann brummte Henry zustimmend. „Okay, wir fangen da an, wo ihr aufgehört habt.“

      Sie fuhren bis zu besagter Bushaltestelle und Erdil war mehr als froh, dass er einen großen SUV gemietet hatte. Die beiden Kriegerwölfe füllten die komplette Rückbank aus.

      Erdil fühlte sich äußerst unwohl auf dem Beifahrersitz. Zwei Kriegerwölfe hinter sich zu wissen, zerrte erheblich an seinem Nervenkostüm. Und Leo schien es nicht anders zu gehen. Er steuerte den SUV mit verkniffenem Gesicht und sah alle paar Sekunden in den Rückspiegel.

      Irgendwann stieß Graves ein genervtes Schnauben aus.

      „Wandler, wir haben nicht vor, euch von hinten zu meucheln. Könntet ihr einen Gang runterschalten? Mein Partner wird schon ganz unruhig.“

      „Na, das beruhigt ja außerordentlich“, knurrte Erdil zurück, versuchte aber, seinen Herzschlag zu verlangsamen. Der Wolf hatte natürlich recht, doch Instinkte waren nun mal schwer abzulegen.

      Endlich erreichten sie ihr Ziel und die Wölfe verließen den Wagen kurz, um die Witterung aufzunehmen. Dann stiegen sie wieder ein.

      „Wir halten an jedem Bus Stopp“, wies Henry Leo an. „Das dauert jeweils nur ein paar Sekunden.“

      Leo nickte und gab Gas. Sie benötigten etwa eine Stunde, dann war klar, dass Karina Wells ausgestiegen war und den Bus gewechselt hatte.

      Erdil wurde immer unruhiger. Zwar war