Veronique Larsen

Maxillia


Скачать книгу

Ei behandeln würde. Denn hier war sie Max. Die jugendliche Rothaarige, die gerne lachte und alles ihrer Freundin anvertraute, wie es auch alle anderen normalen Mädchen in ihrem Alter taten. Normal sein. Das war es was sie wollte. Das war es, nach dem sie sich so sehr sehnte. Doch dies war ihr seit ihrer Geburt verwehrt, da sie ja ausgerechnet als eine Prinzessin und dazu noch als Thronerbin auf die Welt kommen musste. Manchmal wäre sie sogar lieber als Tochter einer Bauernfamilie geboren worden, mit vielen Geschwistern und allen Problemen und allen Sorgen, die sich aus der Situation der Ärmlichkeit ergaben. Manchmal überlegte sie einfach zu verschwinden, zu fliehen und irgendwo ein neues Leben anzufangen. Jedoch hielt sie die Liebe zu ihren Eltern auf, die die Einzigen im Schloss waren, die sie einigermaßen normal behandelten. Eigentlich konnte sie sich kaum bessere Eltern vorstellen, da sie stets für sie da waren und unheimlich liebevoll mit ihr umgingen, auch wenn Maxillias Vater Don manchmal ein ziemlicher Sturkopf war. Allerdings änderte dies nichts an der Tatsache, dass Dinge von Maxillia erwartet wurden, für die sie sich nicht bereit und fähig genug fühlte. Seufzend blinzelte sie der Sonne entgegen und schob die vielen Gedanken beiseite, die in ihrem Kopf herumgeisterten. Schließlich hatte sie nun ihre Pause von dem Prinzessin-sein und wollte dies auch genießen und sich nicht zu sehr den Kopf über die vielen Dinge zerbrechen, die sie als negativ empfand. Lächelnd zupfte sie also einen Grashalm ab und stapfte durch das hohe Gras, zu dem alten knorrigen Baum herüber, dessen Krone tief über dem trüben Wasser des Tümpels hing. Der dicke Stamm bog sich stark und sah aus, als hätte er sich beim Wachsen um seine eigene Achse gedreht. Er musste uralt sein und schon vieles auf der Lichtung erlebt haben. Zumindest ließen dies die vielen Kerben, verwachsenen Ritzungen und Astlöcher vermuten, die den Stamm zierten. Auch die tiefen Kerben, die fast wie eine Treppe den Stamm hinaufführten, erzählten förmlich Geschichten über längst vergangene Zeiten. Einen kurzen Blick ließ Maxillia nochmal über die Lichtung und den Tümpel schweifen, sowie über den modrigen Steg, der auf das kleine Gewässer führte, bevor sie den dünnen Ast, der auf Augenhöhe herausragte, ergriff und sich daran hochzog. Mit dem Fuß erreichte sie so die Erste der Kerben, die einst tief in das Holz geschlagen worden waren. Geschickt kletterte sie den Rest des Stammes hinauf in die dichte Krone hinein, in der ein altes Floß regelrecht eingewachsen war. -Völlig unerklärlich, wie es dort hingekommen war. Auf den alten Brettern, die gänzlich von dem Blattwerk umhüllt waren, wartete auch schon Seraphina. „Hallo Max“, lächelte diese fröhlich und sprach mit ihrer sanften und klaren Stimme. „Na? Wie war dein Tag bisher?“, begrüßte Maxillia ihre einzige Freundin mit einer herzlichen Umarmung, bevor sie sich neben sie setzte. Vorsichtig lehnte sie sich gegen einen dicken Ast, der fast senkrecht nach oben ragte. „Wie immer“, seufzte Seraphina und lehnte sich ebenso gegen einen Ast, der hinter ihr gen Himmel wuchs. „Nichts Besonderes also?“, hakte Maxillia nochmal nach, die die Antwort eigentlich schon kannte. „Nein. Wir haben wieder Kräuterkunde gehabt und Salben hergestellt. Also nichts Besonderes. Und bei dir?“, entgegnete sie und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ihr hellblondes Haar war mit grünen Strähnen durchzogen und teils zu dünnen Zöpfen geflochten, in denen kleine Blüten steckten. Es glänzte herrlich seiden, genauso wie ihre grüne Haut, selbst in dem spärlichen Licht, dass das dichte Blattwerk hindurch ließ. Ihre großen, grünen, mandelförmigen Augen schienen immer vor Freundlichkeit zu strahlen und spiegelten so ihren Charakter wider. „Bei mir auch nicht. Alles beim Alten“, gähnte Maxillia und streckte ihre Glieder, die von dem vielen steifen Sitzen im Unterricht ganz angespannt waren. „Schade. Sonst hätten wir mal über etwas neues quatschen können“, lachte Seraphina und schaute nach oben, als würde sie durch die grünen Blätter in den wolkenlosen Himmel blicken können. „Ja, da hast du Recht. Es ist schon lange nichts Interessantes mehr passiert“, seufzte Max und schaute ebenso nach oben in das Dach aus Blättern, das sich wie eine Höhle über sie beugte. „Und was machen wir heute?“, fragte Seraphina mit hochgezogenen Augenbrauen und warf Max einen kurzen Blick zu. „Ich weiß es nicht“, entgegnete diese, der ebenso wie Seraphina die Ideen ausgegangen waren. „Hätten wir mehr Zeit, würden mir da so einige Sachen einfallen, die wir mal wieder machen müssten. Aber die haben wir ja nicht, seitdem deine Trainingseinheiten verlängert wurden“, seufzte die Nymphe erneut, die genauso traurig darüber zu sein schien, wie es Maxillia war. „Ach Phina. Ich würde so gerne mal wieder ein paar Ausflüge mit dir machen. Ich vermisse das“, gestand Maxillia und rieb sich die Augen, die beinahe türkis funkelten. „Ja, ich auch“, seufzte Seraphina ein wenig wehmütig und zupfte eines der Blätter neben ihr ab. „Es tut mir leid, dass wir wegen mir nichts richtig unternehmen können“, entschuldigte sich Maxillia und senkte den Kopf. „Wieso entschuldigst du dich? Du kannst doch nichts dafür“, wunderte sich Seraphina. „Na doch. Irgendwie schon. Schließlich müsste ich wahrscheinlich weniger trainieren, wenn ich das besser auf die Reihe bekommen würde und nicht so unfähig wäre“, erklärte Maxillia ihre Meinung über ihre Schuld. „Dafür kannst du doch nichts. Ich meine, warum musst du überhaupt zaubern können? Du wirst es wohl fast nie brauchen als Königin. Oder hat deine Mutter je einen Zauber gebraucht, außer um dich zu trainieren?“, stellte Seraphina Maxillias Lehrplan in Frage. „Nein, nicht wirklich“, dachte Max nach. „Wenn Zauberer wenigstens heilen könnten, dann hätte das Ganze einen Nutzen. Aber Zauberer sind keine Heiler. Und um eine Kerze anzuzünden, kannst du auch einen Diener bitten dies zu tun“, grinste Phina breit. „Ja. Aber wenn ein Krieg kommen sollte, muss man fähig sein zu kämpfen“, widersprach Maxillia ihrer Freundin ein wenig. „Das musst du doch auch nicht wirklich. Schließlich ist das die Aufgabe der Soldaten. Ich wüsste nicht, was eine Königin auf dem Schlachtfeld zu suchen hat. Abgesehen von strategischer Planung“, argumentierte die Nymphe weiter. „Irgendwie hast du Recht. Aber meine Mutter wird wohl kaum aufgeben mich zu trainieren, auch wenn das gute Argumente sind“, lächelte Maxillia betrübt und warf ihrer Freundin einen skeptischen Blick zu. „Das stimmt. Aber gib dir daran nicht die Schuld. Schließlich ist es deine Mutter, die dich zwingt, das zu lernen, auch wenn du das einfach nicht kannst“, versuchte Seraphina Maxillia etwas in Schutz zu nehmen. „Ja. Ich verstehe eigentlich auch gar nicht, wieso sie mich in dem Punkt so quält. Bei den meisten anderen Dingen ist sie nicht so streng. Eigentlich ist sie nur bezüglich meiner Ausbildung so hinterher“, zog Max ihre Augenbrauen hoch und zupfte am Saum ihres Hosenbeins herum. „Hast du sie nie gefragt?“, wollte Seraphina wissen. „Doch, schon. Aber sie hat immer nur gesagt, dass ich das als Königin später können muss“, antwortete Max. „Vielleicht ist es ja auch nur, damit ich den Respekt der anderen Könige habe, dass sie mir dann auch folgen und das Bündnis bestehen bleibt. Ich denke, dass meine Mutter viel in das Bündnis investiert“, ergänzte Max nachdenklich. „Vielleicht hat sie aber auch Angst, dass ein Diener es verweigert dir die besagte Kerze anzuzünden und du dann im Dunkeln sitzen musst“, scherzte Phina lachend, die den ernsten Alltag auch für eine gewisse Zeit vergessen wollte. Max stieg darauf ein und scherzte ebenso. Doch wie es so war, wenn man Spaß hatte, verflog die Zeit, sodass Maxillias Pause beinahe schon vorbei war. So musste sie sich also wieder auf den Weg zurück in die Burg machen. Seufzend standen die beiden Mädchen auf und kletterten den Stamm nacheinander herunter in das hohe Gras, das die Lichtung überwucherte. „Na dann bis morgen“, verabschiedete Maxillia sich mit einer Umarmung ihrer Freundin. „Bis morgen“, lächelte Seraphina und ging um den Tümpel herum, weiter in den Wald hinein. Etwas wehmütig schaute Max nochmal über die Lichtung und ließ ihren Blick den Baum hinauf wandern, der sicher schon für viele ein hervorragendes Versteck gewesen war. Nun musste sie aber wieder zurück. Zurück in die Burg und in die Rolle der Prinzessin. Ein widerwilliges Gefühl zupfte an ihrem Gemüt und ließ ihre Laune wieder sinken. Wieso sie? Wieso nur musste sie als Prinzessin geboren worden sein und den Thron ihrer Mutter erben müssen? Hätte sie doch wenigstens noch Geschwister, die diese Aufgabe übernehmen könnten, wenn sie sich weigerte. Doch leider war sie ein Einzelkind und somit verpflichtet den Thron ihrer Mutter zu erben. Seufzend wandte Max sich ab und lief rüber zu den Ästen, die wie eine kleine Tür die Lichtung von dem Pfad trennten. Dieser würde sie wieder aus dem Wald hinausführen, in ihren trübsinnigen Alltag zurück. Vorsichtig bog sie die Äste zur Seite und trat auf den kleinen Weg, der deutlich dunkler war als die Lichtung. Er wirkte so unheimlich, wenn man zwischen den Bäumen hindurchschaute, die dicht beieinanderstanden und ihre Äste ineinanderschlangen. Es hatte den Anschein als würde man in die Unendlichkeit sehen, die sich düster in dem Wald verbarg und darauf lauerte einen zu verschlingen. Mit pochendem Herzen eilte Maxillia den schmalen Pfad entlang, den