Veronique Larsen

Maxillia


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und verdrehte die Augen. Lachend stützte Phina ihren Kopf in die Hand und schaute mit leerem Blick in die Blätter hinein. „Gibt es bei dir etwas Neues?“, fragte Max, wie fast an jedem Tag und betrachtete ihre Freundin, deren traditionelle Bekleidung aus wenig Leinenstoff bestand, der gerade das nötigste ihres Körpers bedeckte. „Nein, nicht so richtig. Wir haben heute mal wieder Heilkräuter gesammelt, die wir später zu Salben und Tränke verarbeiten. Also das Gleiche wie gestern und vorgestern und vorvorgestern und so weiter. Von daher war auch mein Tag bisher nichts Besonderes. Eigentlich traurig, dass man sich schon wünscht, dass jemand krank wird, damit mal was los ist und man ein wenig üben kann“, erzählte Phina etwas gelangweilt, die ihren Blick wieder zu Maxillia wandern ließ. „Aber warum soll es dir anders gehen, als mir?“, lachte Max, die sich auch mal wieder nach etwas Abwechslung sehnte. „Ich weiß, dein Leben ist nicht nur langweilig, sondern auch sehr einsam. Mir geht es aber ähnlich. Wie du weißt, komme ich mit den Nymphen in meinem Alter nicht sonderlich gut zurecht“, seufzte Seraphina betrübt und schob die Fetzen des Blattes, die sie auf eines der Bretter gelegt hatte, mit dem Zeigefinger hin und her. „Wieso ist das eigentlich so?“, wollte Maxillia wissen und brach einen kleinen Ast ab, der ungünstig in die Blätterhöhle hineinwuchs. „Ich weiß es nicht genau. Aber irgendwie scheine ich etwas anders zu denken. Ich sage nicht zu allem „Ja“ und halte mich nunmal nicht so gern an diese ganzen Regeln. Manche Traditionen finde ich völlig überflüssig und diskriminierend“, erklärte Seraphina, während sie begann mit den Fetzen Figuren zu legen. „Diskriminierend?“, hakte Max nach und schaute ihre Freundin verwundert an. „Naja. Zum Beispiel ist es doch verboten Kontakte außerhalb unseres Volkes zu pflegen. Genauso verstehe ich nicht, warum wir die Sümpfe nicht verlassen dürfen. Oder wieso wir einen so strengen Essensplan haben und nicht mal etwas Neues ausprobieren dürfen. Der Vorstand tut immer so, als ob alles außerhalb unseres Volkes schlecht wäre. Dabei kann ich bislang überwiegend das Gegenteil feststellen“, beschwerte Phina sich. „Warum ist der Vorstand denn so streng mit allem?“, verwunderte Max sich mit einem beinahe unverständlichen Blick. „Vorstand Ehrin sagt immer nur, dass wir die Traditionen wahren müssen. Aber du brauchst gar nicht so zu gucken, schließlich hast du auch nicht gerade wenig Regeln, an die du dich zu halten hast. Und mehr Sinn machen die auch nicht“, bemerkte Phina, als sie Maxillias skeptischen Blick sah. „Gut, da hast du Recht“, lachte diese zugebend, bevor sie fragte: „Was sagen deine Eltern eigentlich zu den Regeln? Sind die auch eher deiner Ansicht, oder doch mehr auf der Seite des Vorstandes?“. „Was denkst du denn? Sie sind selbstverständlich auf der Seite des Vorstandes. Wobei ich mir bei meiner Mutter nicht so sicher bin. Manchmal wirkt sie so, als würde sie nur so tun, dass sie die Regeln komplett befürwortet“, erzählte Seraphina mit einem ratlosen Gesicht. „Vielleicht denkt sie ähnlich wie du. Irgendwoher musst du deine rebellische Art ja haben“, lachte Max. „Das stimmt. Sie hat noch nie viel von sich erzählt. Ich weiß zum Beispiel gar nicht, was sie in ihrer Kindheit erlebt hat. Als ich sie mal gefragt habe, hat sie nur gelächelt und gesagt, dass sie es mir mal irgendwann erzählt“, stellte Seraphina fest und schaute dabei Maxillia nachdenklich an. „Wer weiß“, zuckte diese mit den Schultern und schaute dabei etwas ratlos. „Ich finde es nur schade, dass wir nicht mehr Zeit miteinander verbringen können. Ich würde dir zu gerne mal die Siedlung zeigen. Ich wette, dass du noch nie etwas so Cooles gesehen hast. Die Häuser sind nämlich fast alle in die Bäume gebaut und mit Hängebrücken und Stegen verbunden“, erzählte Phina begeistert. „Das klingt wirklich fantastisch. Ich würde das zu gern mal sehen. Die Burg ist sicher nicht annähernd so spannend. Manchmal wünschte ich mir tatsächlich auch eine Nymphe zu sein. Dann könnten wir uns immer sehen. Und ich müsste nicht später Königin werden“, gestand Max seufzend und lehnte sich wieder zurück gegen einen der dicken Äste. In Gedanken stellte sie sich vor, wie die Siedlung wohl aussehen würde und lächelte innerlich bei der Vorstellung ihrer Schönheit. „Das wäre sicher lustig. Wir zwei als junge Rebellinnen, die die Regeln umgehen und heimlich lustige und spannende Dinge machen“, stellte Phina sich das mit einem Lächeln vor. „Ja, genau“, lachte Max mit ein wenig Sehnsucht im Herzen. Denn es war ihr bewusst, dass es nie mehr als ein Traum sein würde. Schließlich konnte man schlecht seine Herkunft verändern und sich einem Volk zuschreiben, dass sich sogar vom Aussehen her stark von dem Eigenen unterschied. Seufzend schob sie die Gedanken beiseite. Es hatte auch wenig Sinn sich nach etwas zu sehnen, das nicht annähernd greifbar war. Und wenn Max an ihr Leben dachte, trübte dies wieder ihr Herz. Schließlich hatte sie allein ihre Eltern als wirkliche Bezugspersonen, die allerdings selten für sie Zeit hatten. Als Königspaar waren sie nunmal viel gefordert und hatten täglich viele Termine. Die Zofen, Diener und Soldaten, die Max täglich umgaben, waren alle sehr auf Abstand bedacht und gingen nie über ihre Pflichten hinaus. Davon abgesehen, dass eh keiner von ihnen in Maxillias Alter war, fand sie so in der Burg niemanden, der Zeit mit ihr verbringen wollte, ohne dass es als eine Art Auftrag angesehen wurde. Auch für Gespräche mit ihren Eltern, außerhalb der Unterrichte war kaum Zeit, so dass sie einander oft nur zum Frühstück und zum Abendessen hatten. Somit hatte sie niemanden, dem sie sich anvertrauen konnte, abgesehen von Seraphina, die sie allerdings auch nicht ständig um sich haben konnte. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass ihre Eltern sie kaum kannten. Sie wussten noch nicht einmal, dass sie mit Seraphina, einer Nymphe, Kontakt hatte. Und das schon seit vielen Jahren. Sie konnte es ihnen auch nicht erzählen. Schließlich würde sie sich sonst selbst verraten und zugeben, dass sie täglich gegen Regeln verstieß. Sicher würden ihr dann Strafen auferlegt werden und Seraphina, dürfte sie dann wohl nie mehr wiedersehen. Zumindest wären dies die Vorschriften. Am liebsten würde sie einfach irgendwo hin gehen, wo niemand wusste wer sie war. Weg von all der Einsamkeit und Schwere ihrer zukünftigen Aufgabe. Allerdings würde sie wohl nicht weit kommen. Schließlich kannte ein jeder, der in den Bündnisländern lebte, ihr Aussehen und würde sie sofort erkennen und verraten, wenn er sie sehen würde. Sie müsste schon die Ländereien verlassen, die ihre Mutter befehligte, was ebenso durch ihre Bekanntheit schwierig werden würde. Abgesehen davon, wüsste sie nicht wie sie sich durchschlagen sollte, da sie sich nicht einmal gegen den Angriff eines Wildtieres hätte verteidigen können. Es war schon peinlich, dass es so war. Schließlich war sie die Tochter einer mächtigen Magierin, deren Kraft sie wenigstens teilweise hätte erben müssen. Doch dem war nicht so. Die Zauberkraft, die sie selbst besaß, war nicht im Ansatz so groß, wie die ihrer Mutter. Daher schaute auch das Volk mit Sorge auf die Zukunft, in der Maxillia den Platz ihrer Mutter einnehmen sollte. Es war eine gängige Meinung des Volkes, dass nur jemand regieren könne, der viel Kraft und Macht schon von Geburt an besäße. Warum es so war, konnte Max sich selbst nicht erklären. Doch Isabella sagte immer, dass das Volk ein Gefühl von Schutz und Sicherheit bräuchte. Demnach würde sie das Volk aber nie richtig führen können, wenn sich nicht plötzlich etwas an ihrer Stärke ändern würde. Unter dem Volk, und vor allem in der Burg, entstanden dadurch Gerüchte, die nicht gerade positiv waren und Maxillia in ein noch schlechteres Licht rückten. Besonders hielt sich das Gerücht, dass ihre Eltern nach einer Alternative suchten, damit nicht sie den Thron erben würde. Zumindest schienen dies sehr viele zu hoffen. Doch Isabella und Don setzten scheinbar alles daran Maxillia auszubilden und auf das Amt der Königin vorzubereiten, obwohl nicht einmal Maxillia einen Sinn darin sah. Sie war nämlich der Überzeugung, dass man so etwas wie die Ausstrahlung von Macht und Autorität entweder von Geburt an hatte oder eben nicht. So etwas war in ihren Augen nicht erlernbar. Und sie hatte es ganz einfach nicht. Scheinbar sahen das aber ihre Eltern anders, wenn sie sich nicht nur erhofften irgendeines der Attribute in ihr zu erkennen, da sie sonst sicherlich nicht krampfhaft daran festhielten sie zur Thronerbin zu machen. Wie dem auch sei. Max hatte das Gefühl, dass sie als Königin unerwünscht war. All das bekräftigte ihren Wunsch das alte Leben hinter sich zu lassen und irgendwo ein Neues zu beginnen immer mehr. Schon oft hatte sie ernsthaft darüber nachgedacht wegzulaufen und hatte sich schon einige Pläne zurechtgeschustert, die allerdings zum Scheitern verurteilt gewesen wären. Einer dieser Pläne zog sogar in Betracht durch eines der Portale in die Welt der Menschen zu fliehen, da es einer der wenigen Orte war, wo keiner sie kannte. Jedoch würde sie sich dort wohl kaum zurechtfinden, im Gegensatz zu ihrer Mutter, die dort groß geworden war. Sicher würde Maxillia sich durch ihre Unbeholfenheit zu sehr verraten und so eine Spur legen, der Isabella nur folgen bräuchte, um sie wiederzufinden. Eigentlich war jeder Plan, den sie sich zurecht legte zum Scheitern verurteilt, was allerdings mehr an ihr selbst lag als an dem Plan an sich. Also war sie mehr oder weniger in ihrem