Veronique Larsen

Maxillia


Скачать книгу

war. „Ja“, entgegnete Isabella nüchtern. „Du solltest dich aber auf jeden Fall viel ausruhen. Und wenn du irgendetwas benötigst oder möchtest, sagst du es der Wache vor der Tür. Er wird dann dafür sorgen, dass du es bekommst“, fuhr sie fort. Das war die Lösung für das Problem, wie sie aus ihren Gemächern entkam. Denn wenn sie die Wache kurz wegschicken würde, könnte sie den tristen Mauern entfliehen, ohne, dass er es bemerkte. So sollte es ein Einfaches werden sich mit Phina zu treffen. „Könntet ihr mir das Mittagessen dann auch herbringen lassen?“, fragte Max, da sie noch nicht sicher war, ob sie gegen die Mittagszeit überhaupt im Schloss wäre. Schließlich war der Ruf der Freiheit viel zu verlockend, als dass sie brav in ihrem Turm verharren würde. „Natürlich“, antwortete Isabella und stand mit einem liebevollen Lächeln wieder auf. „Ich muss dann auch schon wieder los. Ich wollte wenigstens noch nach dir sehen, bevor Don und ich wieder den ganzen Tag in Verhandlungen und Diskussionen stecken. Die Könige des Bündnisses möchten mal wieder etwas besprechen“, ergänzte sie und verdrehte die Augen. Sie hatte sichtlich keine Lust darauf, zumal es ungewöhnlich viele Gespräche waren, um die die Bündnispartner in letzter Zeit baten. Isabella erzählte oft, dass immer die gleichen Dinge debattiert wurden, obwohl sie schon längst besprochen waren. Allerdings hatte Max auch das Gefühl, das Isabella immer nur die Hälfte erzählte, da sie mittlerweile bei nicht allzu vielen Gesprächen dabei sein sollte. Früher, als ihre Ausbildung begonnen hatte, schleppte Isabella sie zu jedem Bündnistreffen mit, bei denen sie meist gegen das Einschlafen kämpfen musste. Sie waren meist noch langweiliger als der Politikunterricht, was eigentlich schwierig war. Aber in letzter Zeit, gingen Isabella und Don meist ohne sie in die Gespräche. Dann wurden ihr entweder zig Aufgaben zum Selbststudium aufgebrummt oder eine der Zofen übernahm den Unterricht. Damals waren es nicht einmal halb so viele Gespräche, die in den Kalendern der Könige standen. Vorsichtig umarmte Isabella Max nochmal und ließ nach einer kurzen Verabschiedung ihre Tochter wieder allein. Mit einem Seufzen richtete Max ihren Blick wieder auf Lubea hinab, als Isabella auf der Treppe verschwand. Beinahe sehnsüchtig begann Max davon zu träumen durch die Gassen zu schlendern und sich die Läden anzusehen, als sie so auf die vielen Dächer schaute. Wie gern hätte sie doch die Stände und Geschäfte auf dem Marktplatz besucht, die sie noch nie von nahem gesehen hatte. Eigentlich hatte sie nun sogar die Zeit dazu. Aber ihr Kopf tat so unheimlich weh und pochte vor sich hin, besonders wenn sie ihn ungünstig bewegte. Doch sollte der Schmerz sie wirklich an der Freiheit für einen ganzen Tag hindern? Unten fiel die Tür ins Schloss und verriet, dass Isabella Maxillias Gemächer verlassen hatte. „Nein, das sollte es nicht“, beantwortete sie sich die Frage entschlossen im Geiste. Von Schmerzen ließe sie sich nicht aufhalten. Wieso auch hätte sie den Tag über brav in ihren Gemächern ausharren sollen, bis sie sich auf den Weg zur Lichtung machte? Das wäre doch dumm gewesen. Schließlich gab es auch nichts in ihren Gemächern oder in der Burg, womit sie sich die Zeit hätte vertreiben können oder gar wollen. Somit wäre die Alternative gewesen den Vormittag im Bett zu verbringen und sich zu langweilen, so wie es auch eine brave Prinzessin gemacht hätte. Das wollte sie aber in keinem Fall. Dazu brannte das Bedürfnis nach Freiheit zu sehr, als dass sie der Verführung hätte widerstehen können. Also lief sie runter in das zweite Stockwerk ihrer Gemächer und kramte eine dunkle Stoffhose und ein einfaches Oberteil aus ihrem Schrank heraus. Schön waren sie nicht, aber innerhalb der Stadt unauffällig. Dies war bei ihrem Vorhaben auch deutlich wichtiger, als dass sie gut ausgesehen hätte. Vorsichtig zog sie ihr hellblaues Kleid aus und zwängte sich in die Hose und das Oberteil. Beides war ihr mittlerweile ein wenig eng geworden, da sie, seitdem sie sie besaß, gewachsen und deutlich weiblicher geworden war. Aber es war vermutlich die einzige Kleidung, die sie besaß, die zwischen den anderen Elfen in Lubea nicht auffiel. Ihre Haare band sie wieder zu einem Zopf, bevor sie noch einen alten dunklen Umhang aus dem Schrank suchte, der am ältesten aussah. Diesen warf sie sich über die Schultern und steckte dessen Enden mit der einfachsten Brosche zusammen, dessen edles Metall sie mit Kohle aus dem Kamin beschmierte. Sie sollte dadurch alt und abgenutzt aussehen, so dass man sie nicht bemerken würde. Schließlich wollte Max nicht als angehörige des Königshauses erkannt werden und schon gar nicht als Prinzessin Maxillia. Nun legte sie sich noch ein Tuch um den Hals, dass sie einst selbst genäht hatte. Es war krumm und schief geschnitten und der Stoff war an manchen Stellen etwas kaputt, was es ideal für den Zweck machte, den es erfüllen sollte. Die Stiefel, die sie wählte, trug sie immer zum Training, wodurch sie schmutzig waren und weniger schön, auch wenn sie es wären, wenn man das Leder wieder sauber polieren würde. Zufrieden beäugte sie sich nochmal im Spiegel, bevor sie ihre Verkleidung dem Härtetest unterziehen würde. Allerdings war dieser Test auch gleich das, wofür sie sich verkleidet hatte. Demnach bedeutete es alles oder nichts. Etwas aufgeregt ging sie in das unterste Stockwerk und öffnete die Tür einen kleinen Spalt, damit die Wache sie nicht sehen konnte. Dann räusperte sie sich kräftig, damit der Mann auf sie aufmerksam wurde und ihr Plan nicht gleich am Anfang scheiterte. „Könnten Sie mir ein paar Bücher aus der Bibliothek besorgen? Ich würde gerne etwas lesen. Aber bitte legen Sie die Bücher dann hier gleich auf die Kommode neben der Tür. Ich möchte mich oben ausruhen und dabei nicht gestört werden“, dachte es sich Max spontan als Vorwand aus, um die Wache von der Tür weg zu locken. „Natürlich, eure Hoheit. Ich werde mich sofort darum kümmern“, entgegnete der Mann und machte sich sofort auf den Weg den Wunsch seiner Prinzessin zu erfüllen. Grinsend schnappte Max sich den Dolch, der neben ihrer Tür hing und schlich aus ihren Gemächern. Vorsichtig schaute sie um jede Ecke, bevor sie weiterlief, in der Angst, jemand könnte sie entdecken und dann aufhalten wollen. Daher huschte sie wie auf Katzenpfoten mit pochendem Herzen durch die langen Flure an den vielen Türen und Sälen vorbei, wenn sie dachte, dass die Luft rein war. Unbemerkt schaffte sie es hinunter in die Eingangshalle, in der sich diesmal allerdings eine Wache befand. Eigentlich stand dort selten jemand. Aber diesmal hatte Maxillia wohl Pech gehabt. Unsicher beobachtete sie den starr stehenden Mann von der Galerie aus und wartete ab, was er tat. Jedoch bewegte er sich nicht einen Zentimeter und schaute stetig auf die Haupttür, die sich gegenüber der Tür zum Hof befand. Laut klopfte Max gegen einen der Stäbe des Geländers an der Galerie, um herauszufinden, wie die Wache darauf reagieren würde. Jetzt war sie nämlich noch vor seinen Blicken geschützt und hatte einige Möglichkeiten sich schnell zu verstecken. Doch die Wache reagierte nicht im Geringsten. Also wagte sie sich die weiße Treppe hinunter zu schleichen, immer mit einem Blick auf die Wache, damit sie sofort bemerken würde, wenn er seine Blickrichtung änderte. Ihr Herz pochte aufgeregt bis hoch in den Hals, während sie sich am Geländer entlang drückte und versuchte keinen Laut zu verursachen. Gerade als sie nur noch wenige Stufen zu gehen hatte, flog die Flügeltür des Thronsaals auf, der sich rechts neben der Treppe befand. Max hatte das Gefühl, ihr würde das Herz stehen bleiben, als auch noch Schritte ertönten, die der Flügeltür näherkamen. Offensichtlich wollte jemand den Thronsaal verlassen, wodurch Maxillia sich gezwungen sah sich zu verstecken. Doch wohin? Sie stand mitten auf der großen Treppe und war noch nicht einmal so gekleidet, dass sie darauf hoffen konnte, dass die Farben auf der Treppe nicht auffallen würden. Denn ihre dunkle Kleidung bildete einen riesigen Kontrast zu den weißen Stufen. Jeder würde sie also sofort bemerken, der den Thronsaal verließ. Wie sollte sie es nur erklären, wenn man sie so erwischen würde? Wie sehr würde sie ihre Eltern blamieren, wenn ein König sie so sähe. Und das auch noch außerhalb ihrer Gemächer, obwohl sie Ruhe hätte halten sollen. Mit einem großen Satz sprang sie über das Geländer in den Schatten rechts neben der Treppe, von dem es nur noch ein paar wenige Schritte zum Hinterhof waren. Es war die einzige Möglichkeit, die sich ihr bot, um vielleicht doch noch unentdeckt zu bleiben. Mit angehaltenem Atem drückte sie sich an den kalten Stein hinter die schmale Säule, die die Galerie über ihnen trug. Ihr Kopf schmerzte, für den der Ruck von dem Sprung nicht gerade gut gewesen war. Doch jetzt durfte sie den Schmerz nicht zulassen und musste sich darauf konzentrieren nicht aufzufallen. Völlig im Gespräch vertieft verließen die Könige des Bündnisses den Thronsaal und liefen einer nach dem anderen an der völlig erstarrten Maxillia vorbei. Sie liefen geradeaus in den Ostflügel hinein, in dessen unterstem Stockwerk sich die Konferenzräume befanden. Sicher wollten sie in einen von diesen gehen, da sie dort ungestört debattieren und diskutieren konnten. Nicht einmal Isabella oder Don bemerken ihre Tochter und liefen einfach an ihr vorbei. Sie wirkten allerdings auch recht angespannt und in ihren Gedanken versunken, was Maxillia definitiv zugutekam. Als die Könige alle im Ostflügel verschwunden waren folgte ihnen nun auch die Wache und verließ ebenso die