Veronique Larsen

Maxillia


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du dich dabei erwischt fühlst, oder dich darin wiederfindest, ist das dein Problem. Die Regeln waren bislang nunmal so bekloppt, wofür du nichts kannst. Aber meinst du nicht, dass man vielen Familien dieses Leid ersparen könnte, wenn man einfach ein wenig an den Regeln schraubt? Du könntest jetzt derjenige sein, der den Familien hilft. Und meinst du nicht, dass es vielleicht sogar die Bereitschaft erhöht sich rekrutieren zu lassen, wenn man weiß, dass es kein Abschied von der Familie bedeutet? Ihr solltet vielleicht besser vorher darüber nachdenken, eh ihr wegen nicht bewältigter Konflikte gleich alles abblockt“, schimpfte Max in lautem Ton mit ihrem Vater, der sie ganz überrascht anstarrte. Auch die Wachen, die im Saal standen, schienen die Luft anzuhalten und wünschten gerade an einem anderen Ort zu sein. Eh noch einer etwas sagen konnte, stürmte Maxillia aus dem Raum und kehrte in ihre Gemächer zurück. Ein wenig Angst hatte sie schon vor dem was nun als Reaktion von ihren Eltern folgen würde. Schließlich hatte sie mit ihrem Vater geschimpft und war ihm gegenüber laut geworden. Das war eigentlich das Schlimmste, was sie als Prinzessin und Tochter hätte tun können. Denn so hat sie seine Autorität und Urteilskraft doch sehr in Frage gestellt. Und das auch noch vor anwesenden Wachen. Aber was hätte sie sonst tun sollen? Sie hatte der Frau versprochen sich darum zu kümmern. Und einen anderen Weg, als die bisherigen Regeln in Frage zu stellen, gab es nicht. Leider war es nur so, dass ihr Vater sich gleich angegriffen fühlte, wenn man dies tat, als ob er selbst diese Regeln aufgestellt hätte. Sicher lag es an den tiefen Wunden, die die Zeit als Rekrut bei ihm hinterlassen hatte. Er gab es nur nie zu. Aber leugnen konnte er es definitiv nicht. Vor ihrem geistigen Auge sah sie das traurige Gesicht mit den fahlen Wangen der Frau aus der Schmiede. Was wäre, wenn sie doch zu viel versprochen hatte? Was ist, wenn ihre Eltern auf stur schalten würden und Maxillias Wunsch ignorierten? Wie sehr würde es die Frau wohl noch zerbrechen, wenn sie feststellen müsste, dass ihre Hoffnung umsonst gewesen war und sie das Einzige, das sie von ihrem Sohn noch gehabt hatte, nun auch noch verloren war? Max wollte sich das gar nicht vorstellen. Sie wollte das nicht verantworten. Also musste sie wohl darum kämpfen und alles dafür tun ihren Plan durchzusetzen. Der Schmerz der Frau wollte sie nicht loslassen und brannte sich immer weiter in Maxillias Herz. Frustriert schmiss sie sich auf ihr Bett, während die Gedanken in ihrem Kopf weiter kreisten und der Ärger immer noch in ihr brodelte. Wie sollte sie nur ihre Eltern überzeugen und der Frau helfen? Davon abgesehen, stand sicher nicht nur die Mutter des Rekruten, Ian Amell, mit dieser Verzweiflung da. Schließlich gab es dazu sicher noch andere Familienmitglieder und andere Familien, mit denen sie nicht hatte sprechen können. Bei ihrem Vater hatte besonders seine Schwester unter dem Verlust und der Ungewissheit gelitten, ob sie ihn je wiedersehen würde. Er war damals ihre engste Bezugsperson gewesen, die plötzlich einfach weg war. Eine Weile verging, in der sie eigentlich nur grimmig die Wand anstarrte und sich weiter über ihre Eltern aufregte. Wobei sie mehr den Groll auf ihren Vater hegte. Schließlich hatte Isabella sie nur mit großen Augen angestarrt, als wäre sie zu Stein geworden. Aber sie hätte ja wenigstens auch mal etwas sagen können, auch wenn Max es nicht hätte hören wollen, wenn sie auf Dons Seite gewesen wäre. Also war es vielleicht tatsächlich besser gewesen, dass sie sich da rausgehalten hatte. Von unten drang plötzlich Isabellas Stimme in ihr Schlafzimmer, die sie aus ihren Gedanken riss. Zwar hatte sie nicht verstanden was ihre Mutter gesagt hatte, aber zumindest kündigte es sie an. So blieb Maxillia ein kurzer Moment, um ihren Verband zu überprüfen und rückte ihn erneut zurecht. Ein mulmiges Gefühl ließ ihren Bauch allerdings verkrampfen, da sie nicht wirklich abschätzen konnte, was nun geschehen würde. Würde sie nun furchtbaren Ärger bekommen? Oder wohlwollende Worte hören? Mit nachdenklichem Gesicht betrat Isabella das Schlafzimmer ihrer Tochter und setzte sich neben sie auf das Bett. Zumindest standen schon mal keine Zornesfalten auf ihrer Stirn, was Maxillia ein wenig hoffen ließ. Einen Moment lang hielt Isabella noch inne, als ob sie nach den richtigen Worten suchte, bevor sie im ruhigen Ton sagte: „Sei nicht böse auf deinen Vater“. „Bin ich aber“, nutzte Max gleich die Atempause ihrer Mutter. „Ich meine was soll das denn? Er kann doch wenigstens mal darüber nachdenken“, fuhr Max fort und wandte ihren Blick gleich wieder zur Wand. „Das mag sein, aber trotzdem ist er dein Vater. Es war also auch nicht richtig, wie du mit ihm geredet hast“, erwiderte Isabella mit sanfter Stimme. „Das stimmt, aber er hätte das ja nicht gleich persönlich nehmen müssen. Er hat mir ja gar nicht richtig zugehört. Hätte er das nämlich gemacht, wäre ihm gleich aufgefallen, dass ich ihn nicht für etwas verurteile, was er gar nicht erfunden hat“, erwiderte Maxillia anklagend. Seufzend ließ Isabella ihren Blick zu Boden sinken, die offenbar nicht genau wusste, was sie darauf sagen sollte. Max nutzte dies aus und machte ihrem Frust freie Bahn: „Ihr wollt doch auch, dass ich eure Nachfolgerin werde. Warum gebt ihr mir dann aber keine Chance das Ganze richtig zu lernen, damit ich das auch später hinbekomme. Und wenn ich eine Idee habe, zu der ich ja auch eine ziemlich gute Begründung habe, denkt ihr nicht einmal darüber nach, sondern blockt gleich alles ab. Wie soll mich das Volk bitte ernstnehmen, wenn ihr es nicht einmal tut? Es nimmt mich doch eh schon keiner ernst“, fuhr Max aufgebracht mit hochgezogenen Augenbrauen fort. „Wir nehmen dich ernst. Aber...“, „Vielleicht du. Aber damit bist du hier in diesem Land wohl die einzige Person“, unterbrach Max ihre Mutter gleich wieder, die sie besorgt ansah. „Das stimmt doch gar nicht“, seufzte Isabella, worauf hin Max sagte: „Dann verrate mir mal, worüber die Rekruten sonst ständig lachen, wenn sie mir beim Training zusehen“. „Ach Max. Du nimmst die Meinungen anderer zu ernst. Dazu kommt, dass nicht das Volk entscheidet wer du bist, sondern das Leben und du selbst. Was das andere angeht, rede ich nochmal mit deinem Vater. Er sah ziemlich mitgenommen aus, als du herausgestürmt bist. Ich denke, dass du da einen sehr wunden Punkt bei ihm getroffen hast. Aber jetzt beruhige dich erst mal. Schließlich habe ich nicht nein gesagt. Und mein Wort hat nunmal deutlich mehr Gewicht, als das von Don“, versuchte Isabella ihre Tochter zu beschwichtigen. Ein kurzes Lächeln huschte dieser über die Lippen. Denn scheinbar war ihre Mutter auf ihrer Seite und nicht auf der ihres Vaters. „Heißt das, dass du die Idee, den Rekruten mehr Freizeit zu geben, gut findest?“, hakte Max nach, da ihre Mutter immer noch nichts über ihre Meinung dazu gesagt hatte und sie nicht nur spekulieren wollte. „Das weiß ich noch nicht. Ich muss erstmal gründlich darüber nachdenken und Für und Wider abwägen. Schließlich ist es eine Änderung an den bisher bestehenden Regeln. Dazu muss ich prüfen, ob in den Bündnisverträgen etwas steht, was mich in meiner Entscheidung diesbezüglich einschränkt. Im ersten Moment fände ich das gar nicht schlecht. Aber, wie gesagt, muss ich noch ein paar Sachen prüfen, um mir eine endgültige Meinung bilden zu können und dann eben zu entscheiden“, antwortete Isabella zu Maxillias Freude und lächelte diese an. „Na gut. Dann muss ich wohl ein wenig abwarten und geduldig sein“, stellte Max fest, in der neue Hoffnung aufkeimte. „Genau. Und versuche bis dahin bitte nicht zu viel darüber nachzudenken“, stimmte Isabella ihrer Tochter zu. „Ist in Ordnung. Vor allem sollte ich nicht zu sehr über diese Geschichte nachdenken, die ich gelesen habe. Das macht mich sonst nur noch depressiv“, versprach Max lachend und lehnte ihren Kopf auf die Schulter ihrer Mutter. „Das ist gut. Wir schlafen einfach alle mal drüber und sprechen ein anderes Mal weiter“, entgegnete Isabella und streichelte ihrer Tochter über die Wange. Zustimmend nickte Max und richtete sich wieder auf. Sie fühlte sich schon gleich viel besser und der Gedanke an die Frau aus der Schmiede schmerzte gleich viel weniger. Zudem war sie unglaublich erleichtert, dass ihr der große Ärger erspart geblieben war, den sie eigentlich befürchtet hatte. „Jetzt lasse ich dich aber erstmal wieder allein. Der Tag war anstrengend und ich bin müde. Davon abgesehen habe ich dir gerade versprochen nochmal mit deinem Vater zu reden und ein paar Sachen zu prüfen. Versprich dir aber nicht gleich morgen eine Entscheidung“ lächelte Isabella mit hochgezogenen Augenbrauen und hob den Zeigefinger, um ihren letzten Satz physisch zu unterstreichen. „Vielleicht solltest du auch bald schlafen gehen. Schließlich bist du noch verletzt und brauchst Ruhe“, ergänzte sie und küsste ihrer Tochter auf die Stirn. „Schon gut“, seufzte diese mit einem leidenden Blick, als ginge es ihr schlecht. Sie musste in ihrer Rolle bleiben und weiter die Verletzte spielen. „Na gut. Dann schlaf nachher schön“, schnaufte Isabella, als sie sich erhob und ging in Richtung Treppe. „Ach so. Gib mir doch am besten das Buch mit, in dem die Geschichte steht. Vielleicht ist es besser, wenn du gar nicht erst die Gelegenheit hast erneut hineinzusehen“, drehte Isabella sich nochmal um. Kurz stockte Max der Atem. Was sollte sie nur sagen? Schließlich hatte sie nie ein Buch mit so einer Geschichte in der Hand gehabt und nur erzählt sie habe es in solch einem gelesen. Sie wusste noch