Veronique Larsen

Maxillia


Скачать книгу

„Ja?“, wuchs die Angst in Max und ballte sich zu einem Kloß. „Ich denke, dass wir beide nicht richtig gehandelt haben“, begann Don, dem das Gespräch offenbar genauso unangenehm war, wie Maxillia. Diese schwieg erstmal und wartete ab, was geschehen würde. Schließlich wollte sie nicht gleich klein beigeben und ihren Standpunkt vertreten. „Meine Reaktion gestern fiel etwas heftig aus, weil du eine alte Wunde aufgerissen hast. Für mich war das damals alles auch nicht einfach, als ich mich habe rekrutieren lassen. Und noch weniger einfach war der Gedanke, wie es wohl meiner Familie dabei ging. Aber ich wollte das damals so sehr, dass ich mich nicht habe davon aufhalten lassen. Deswegen habe ich mich in meine Ausbildung reingekniet und habe mein Bestes gegeben“, sagte er zurückhaltend und sah dabei auf seine Hände. „Ich wollte dich nicht verletzen oder dich wegen deiner Entscheidungen kritisieren. Das geht mich auch gar nichts an. Es geht mir auch nicht um die Vergangenheit, sondern nur um die Zukunft“, nutzte Max die Einsicht ihres Vaters aus. „Meine Sorge ist dabei aber, dass die Disziplin derer, die das wirklich wollen, schaden nimmt und wir später nur noch schlecht ausgebildete Soldaten haben. Und da unsere Armee schon recht klein geworden ist, wäre es noch ungünstiger, wenn diese nur noch aus wenigen und dazu schlechten Soldaten besteht“, äußerte sich Don und suchte Maxillias Blick „Schon möglich. Aber es bringt auch Leid in die Familien. Und sicher ist es nur ein kleiner Teil der Rekruten, der so wie du, eher positiv darauf reagiert. Ich denke, dass es viele junge Männer und Frauen gibt, die zu gern zu den Rekruten gehen wollen, es aber nicht machen, weil sie zu sehr an ihren Familien hängen. Es gibt darunter sicher auch viele, die hervorragende Kämpfer wären und später sehr gute Soldaten. Und bestimmt würden diese genauso viel in ihre Ausbildung investieren, wie du es damals gemacht hast. Nur aus anderen Beweggründen. Aber das können sie nur, wenn der Beitritt zur Armee nicht gleich den Abschied von der Familie bedeutet. Davon abgesehen, glaube ich nicht, dass du weniger hart trainiert hättest, wenn du die Möglichkeit gehabt hättest deine Familie weiterhin regelmäßig zu sehen. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass es nur gut wäre den Rekruten mehr freie Zeit und vor allem Freigang zu gewähren. Sicher würden sich viel mehr junge Leute rekrutieren lassen und das Problem des Mangels wäre somit behoben“, argumentierte Maxillia selbstsicher. „Du klingst wie deine Mutter“, lachte Don und ließ seinen Blick wieder auf seine Hände sinken. „Du argumentierst genauso selbstsicher und überzeugt wie sie. Trotzdem bin ich mir nicht sicher. Seit so langer Zeit sind die Regeln so, wie sie sind. Und es gibt Gründe, warum sie so getroffen wurden“, ergänzet er, während seine Miene wieder ernst wurde. „Aber es ist doch nicht immer das Alte, was gut ist. Vor allem, wenn man zunehmend vor Problemen steht, wie der fehlende Zuwachs“, hielt Max dagegen und nutzte ein Argument Dons für sich. „Das müssen wir prüfen. Die Verstrickung des Familiären mit der Ausbildung zum Rekruten können aber auch zu Problemen führen. Zum Beispiel können Geschehnisse in der Familie zum Konzentrationsverlust führen“, entgegnete ihr Vater. „Möglich. Aber es können genauso Geschehnisse in der Kaserne die Konzentration und Motivation schmälern. Dagegen kann die Unterstützung der Familie wieder helfen“ runzelte Max die Stirn und ließ sich von ihrem Vater nicht beirren. „Ich merke, dass du sehr von deinem Standpunkt überzeugt bist. Damit haben Isabella und ich eigentlich auch gerechnet. Deshalb möchte ich gerne einen Vorschlag machen, den Isabella und ich uns im Vorfeld überlegt haben“, lehnte Don sich zu seiner Tochter vor und sah ihr mit hochgezogenen Augenbrauen ins Gesicht. Gespannt, was da wohl nun kommen würde, richtete Max sich auf und erwiderte den ernsten Blick ihres Vaters. Irgendwie befürchtete sie etwas Schlimmes, so dass sie vor Anspannung ihre Fingernägel in ihre Handflächen grub. „Bevor du auf den Vorschlag antwortest, den ich dir jetzt unterbreiten werde, möchte ich aber, dass du gründlich darüber nachdenkst und nicht übereilte Entscheidungen triffst. Schließlich musst du auch hinter diesen stehen“, redete er nochmal um den heißen Brei, als ob er Max einer Übung der Geduld unterziehen wollte. „Ist in Ordnung“, stimmte Max zu, die befürchtete, dass Don nie mit der Sprache herausrücken würde, wenn sie es nicht täte. „Deine Mutter und ich schlagen vor, dass wir das erstmal ausprobieren und beobachten was geschieht. Vorausgesetzt die Bündnisverträge lassen dies zu. Wenn du Recht hast und sich die Situation bessert, aber es keine Einbußen bei der Disziplin und Loyalität gibt, werden wir es dauerhaft ändern. Wenn meine Befürchtungen wahr werden, wird alles beim Alten bleiben. Aber dafür versprichst du uns dich mehr in deiner Ausbildung anzustrengen, so dass wir Ergebnisse sehen und du dich schnell verbesserst“, sagte er beinahe übertrieben deutlich, als hätte er Angst gehabt, Maxillia könne ihn falsch verstehen. „Ich denke darüber nach und unterrichte euch heute Abend über meine Entscheidung. Wann werde ich erfahren, ob die Verträge es auch zulassen?“, entgegnete Max nickend, während sie ihre aufsteigende Euphorie versuchte zu unterdrücken. Schließlich hatte sie ihrem Vater zuvor versprochen darüber nachzudenken bevor sie ihre Zustimmung gab und wollte daher die Freude über den Vorschlag noch nicht allzu sehr zulassen. Zumal dieser auch nur umzusetzen wäre, wenn nicht eine dämliche Klausel das Ganze noch auf den letzten Metern verhindert. „Isabella hat sich schon an den Schreibtisch gesetzt und geht die Verträge durch. Ich denke, dass sie sie heute Abend auch durchgesehen haben wird. Also denke ich, dass wir heute Abend die Vereinbarung endgültig treffen können oder die ganze Sache ein für alle Mal vom Tisch ist“, lächelte Don, der zufrieden schien. „In Ordnung“, entgegnete Maxillia, in deren Bauch die Freude schon kribbelte, obwohl ja noch gar nichts entschieden war. „Nun gut. Dann sehen wir uns spätestens heute Abend. Ich werde mich jetzt mal wieder auf den Weg machen. Es stehen wieder wichtige Dinge an und Isabella wartet sicher schon auf mich“, seufzte er und strich mit seiner Hand durch sein schon grau meliertes, braunes, kurzes Haar. Beinahe schwerfällig stützte er sich auf der Tischplatte ab und stand auf als würde man ihn dazu zwingen. So richtig motiviert sah auch sein Gesichtsausdruck nicht aus, worüber Max nur schmunzeln konnte. „Dann bis zum Abendessen. Ob früher, weiß ich noch nicht. Ich werde mich nämlich heute weiter ausruhen“, entgegnete Max etwas beiläufig, um der Lüge nicht zu sehr Bedeutung beizumessen. Sie wollte einerseits nicht verdächtig wirken, aber auch nicht, dass ihre Eltern sich wundern würden, wenn sie sie nicht beim Mittagessen anträfen. Schließlich bestünde dann die Gefahr, dass sie eventuell in ihren Gemächern nach ihr sehen würden, in denen sie sie aber höchst wahrscheinlich nicht finden würden. Denn sicher wäre Max zu der Zeit schon längst auf dem Weg zur Lichtung. „Wir lassen dein Mittagessen herbringen. Und lies nicht wieder solch grausige Geschichten“, lächelte Don, als er sich von Maxillia abwandte und in Richtung Tür ging. „Versprochen“, lachte Maxillia und sah ihrem Vater hinterher, wie er die Tür öffnete und durch diese ihre Gemächer verließ. Mit einem Gefühl des Triumphs wandte sie sich wieder ihrem Frühstück zu, das noch immer beinahe unberührt vor ihr lag. Irgendwie schmeckte es nun noch besser, jetzt wo sie das Glücksgefühl des sicher bevorstehenden Sieges spürte. Als sie satt war, stellte sie den Teller auf das noch gut gefüllte Tablett und lehnte sich seufzend zurück. Dabei ließ sie ihre Gedanken mit einem inneren Lächeln kreisen. Sicher gab es keine Klausel in den Verträgen, die eine Änderung dieser Regel verhindern könnte. Zumindest hoffte Max dies inständig. Denn zu sehr würde es sie enttäuschen, wenn es nun daran scheitern würde. Aber man hatte sich ja hauptsächlich auf die Einschränkungen des königlichen Nachwuchses gestürzt, als man die Verträge aufgesetzt hatte. So kam es Max zumindest immer vor, wenn sie mit ihren Eltern darüber sprach. Mit dem Kompromiss, den sie für ihren Sieg schließen musste, war sie völlig zufrieden. Zwar bedeutete es auch viel Arbeit für sie, aber sie würde ihr Versprechen einhalten können, dass sie Ian Amells Mutter gegeben hatte. Dafür würde sie sich gern mehr anstrengen und sich dort verbessern, wo sie es konnte. Sie könnte damit anfangen früher aufzustehen und pünktlich zu den Unterrichten erscheinen. Das würde ihren Eltern zumindest erstmal zeigen, dass sie sich bemühte und den Kompromiss ernst nahm. Doch nun hatte sie erstmal die Woche frei und somit Zeit sich zu entspannen und sich auszudenken, wie sie sich verbessern konnte. Nach der Woche würde sie sicher motiviert und mit neuem Schwung in den Alltag starten, in der Gewissheit vielen Familien geholfen zu haben. Nun musste sie sich aber erstmal überlegen, wie sie sich die Zeit bis zum Mittag vertreiben konnte und ließ ihren Blick durch den Raum wandern. Vielleicht würde ihr etwas ins Auge fallen, womit sie sich beschäftigen konnte, bevor die Langeweile wieder eintreten würde. Schließlich wollte sie nicht nur herumsitzen und Löcher in die Luft starren, bis sie sich in der Mittagszeit aus der Burg herausschleichen würde. Plötzlich fielen ihr die Bücher auf, die sie sich hatte bringen lassen,