Veronique Larsen

Maxillia


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erstarkte in ihr. Doch wie würde sie nur helfen und das Leid mildern können? Einen Moment lang überlegte sie welch eine Möglichkeit sie als Prinzessin hatte. Zum Entscheidungen treffen oder zum Freistellen, fehlte ihr die Macht. Doch auf irgendeine Weise musste sie helfen. Denn sein eigenes Kind mehr oder weniger zu verlieren, muss wohl der größte Schmerz sein, den eine Mutter spüren konnte. Zumindest sagte dies ihre Mutter immer, wenn sie daran dachte, wie sich Dons Mutter damals gefühlt haben musste, als dieser sich hat rekrutieren lassen. Maxillias Vater stammte ja auch nicht aus einer adligen Familie, wodurch die Situation damals dieser sehr ähnlich hatte sein müssen. „Was könnte denn die Königsfamilie tun, damit ihnen geholfen wäre?“, fragte Maxillia vorsichtig, die den Dolch beinahe schon vergessen hatte. „Ich würde einfach nur gerne wissen, wie es meinem Sohn geht. Aber was bringt es sich eine Information zu wünschen, wenn man niemanden fragen kann“ lächelte sie mild. „Und wenn sie ihn selbst fragen könnten?“, überlegte Max laut. „Das würde ich zu gerne. Aber auch eine vermummte Person kann das nicht organisieren“, erwiderte sie lachend und spielte dabei auf Maxillias Verkleidung an. „Vielleicht kann ich es ja doch“, lächelte Max, was die Frau natürlich wegen dem Tuch nicht hatte sehen können. „Wie sollten sie das denn bitte machen? Er ist Rekrut der Königlichen Armee“, winkte sie lachend ab und warf einen Blick zu dem Dolch herüber. Im hinteren Bereich der Schmiede begann plötzlich jemand zu hämmern und zu klopfen, was ohrenbetäubend bis in den Verkaufsraum drang. „Ich könnte versuchen etwas Freigang für ihn zu organisieren“, dachte Max erneut laut nach und ignorierte das belustigte Lächeln der Frau. „Das kann nur das Königspaar“, entgegnete diese fast schon abfällig und wischte einen Fleck von der Verkaufstheke. „Ich weiß“, stimmte Max ihr zu, bevor sie einen kurzen Blick durch den kleinen Laden schweifen ließ, um zu prüfen, ob jemand sie beobachten würde. Der Laden war leer und nicht ein einziger Kunde schaute sich die vielen Waren an, die nur darauf warteten, gekauft zu werden. Räuspernd drehte sie sich ein wenig von dem Schaufenster weg und schob langsam das schwarze Tuch herunter. Die Augen der Frau wurden immer größer, als sie Max erkannte, und erstarrte förmlich zu Stein. Wie gelähmt starrte sie die junge Prinzessin an und konnte ihren Augen gar nicht trauen. „Eure Hoheit“, stotterte sie atemlos, ohne sich zu regen. Dann plötzlich, nach einem Moment der Regungslosigkeit, schien es wie ein Blitz durch sie hindurch zu fahren, der ihr die Beweglichkeit zurückgab. Hastig verbeugte sich immer wieder, während sie stammelnd um Verzeihung bat. „Ist schon gut. Hören sie auf“, zischte Maxillia in der Angst, es würde jemand mitbekommen. „Meine Eltern wissen nicht, dass ich nicht in meinen Gemächern bin und das will ich auch nicht ändern“, ergänzte sie, während sie sich ängstlich umschaute. „In Ordnung eure Hoheit. In Ordnung“, stammelte die Frau, die sich es nun kaum wagte in Maxillias Gesicht zu sehen. „Ich rede mit meinen Eltern und sorge dafür, dass sie ihren Sohn bald wiedersehen können“, versprach Max, während sie ihr Gesicht wieder verschleierte. „Wenn ihr das wirklich tun würdet, dann würde ich euch auch den Dolch verkaufen“, japste die Frau voller Hoffnung und einer Träne im Auge. Lächelnd holte Max ein kleines Säckchen mit Goldmünzen heraus, von denen sie zehn auf die Theke legte. „Dann haben wir einen Deal“, stimmte Max zu und schob die Münzen zu der Frau. „Der Dolch ist vom Wert nicht mal die Hälfte wert“, stotterte sie mit aufgerissenen Augen und traute sich gar nicht die Goldstücke auch nur zu berühren. „So viel ist der Dolch mir aber wert. Also nehmt das Gold“, lächelte Max und schob die Münzen noch näher zu ihr. Mit einem dankbaren Lächeln drehte die Frau sich zu dem Dolch um und nahm ihn von dem Sockel. Dabei kullerte ihr eine Träne über ihre fahle Wange, die sie mit dem Ärmel ihres schmutzigen Kleides wegwischte. Vorsichtig schob sie die edle Klinge in die dazugehörige Scheide und überreichte ihn Maxillia, die ihn lächelnd entgegennahm. Mit pochendem Herzen befestigte sie ihn neben dem anderen Dolch am Gürtel, der neben dem neuen prunkvollen Dolch völlig banal und langweilig wirkte. „Vielen Dank. Wie ist der Name ihres Sohnes?“, fragte Max noch und steckte ihren Geldbeutel zurück in eine der Innentaschen ihres Umhangs. „Ian. Ian Amell“, antwortete sie mit hoffnungsvollem Blick, bevor Max sich mit einem Nicken abwandte und den Laden verließ. Noch eine ganze Weile trieb Max sich in der schönen Stadt herum und erkundete diese neugierig, so dass es schon mittags war, als Max sich auf den Weg in den Wald machte. Dazu lief sie den Weg zurück, den sie gekommen war, an den Wachen vorbei und den Waldrand entlang, bis sie an den kleinen Pfad gelangte, der zur Lichtung führte. Schnell eilte sie den Weg zwischen den knorrigen alten Bäumen entlang, dessen Laub in dem sanften Wind rauschte, bis sie wieder den kleinen Tümpel auf seiner Lichtung erreicht hatte. Geschickt kletterte sie in das kleine Versteck, in dem ungewohnter Weise mal noch nicht die junge Nymphe wartete. Es kam schließlich äußerst selten vor, dass Seraphina nicht schon vor ihr auf den alten Brettern saß und sich damit beschäftigte aus abgerupften Blättern Figuren zu legen. Nun war es mal andersherum. Aber auch nur, weil Max an dem Tag frei gehabt hatte und nicht ewig in der Bibliothek hatte lernen müssen. Während sie nun also auf Seraphina wartete, machte sie es sich schon mal bequem und ruhte sich ein wenig aus. Ihr Kopf schmerzte. Scheinbar hatte sie sich doch ein wenig übernommen an diesem Tag, an dem sie sich hätte ausruhen sollen. Doch bereuen tat sie ihren Ausflug nicht. Schließlich hatte sie so viel gesehen und besaß nun den wohl schönsten Dolch, der je gefertigt wurde. Es dauerte nicht lang, bis sich der Baum bewegte und Seraphina zwischen den Ästen auftauchte. „Du bist heute aber früh dran“, bemerkte Phina überrascht, die nicht damit gerechnet hatte Maxillia schon zu sehen. „Ja. Ich habe die gesamte Woche frei“, strahlte Max sie an, während sich Seraphina zu ihr setzte. „Wie kommt denn das?“, fragte diese mit einem Lachen in der Stimme. „Ich habe beim Training einen Stein nicht abwehren können, der mir dann gegen den Kopf geflogen ist. Ich war wohl auch kurz bewusstlos“, erklärte Max beschämt lachend und deutete auf den Verband an ihrem Kopf. „Oh. Kann ich mir das mal ansehen?“, fragte Phina mit verzerrtem Gesicht, als hätte sie den Stein abbekommen. „Tu dir keinen Zwang an“, entgegnete Max und nahm den Verband ab. Neugierig beugte Phina sich vor und schaute es sich ganz genau an, bevor sie Maxillias Augen ansah. „Das sieht nach einer leichten Gehirnerschütterung aus. Aber das haben wir gleich“, sagte sie und kletterte den Baum schnell wieder herunter Durch die Blätter hindurch beobachtete Max wie Seraphina ein paar Pflanzen vom Rand des Tümpels sammelte, bevor sie zurück zu ihr kam und sich wieder neben sie setzte. Mit den Fingern zupfte sie die Pflanzen in kleinere Teile, bevor sie sie zwischen den Händen zerrieb und sich eine matschige Masse bildete. „So“, entgegnete sie und legte ihre rechte Hand auf die verschorfte Wunde, wodurch sie die Paste gleich ein wenig darauf verteilte. Es brannte etwas und zog unangenehm an der kaputten Haut, so dass Max ihr Gesicht verzog. „Ja, es ist etwas unangenehm. Aber gleich wirst du dich besser fühlen“, lächelte Phina, als sie den Gesichtsausdruck ihrer Freundin bemerkte. Konzentriert ließ sie ihre Hand dort ruhen und sprach murmelnd ein paar kurze Worte. Sofort geschah etwas, was Max nicht schlecht staunen ließ. Im ersten Moment brannte es wie Feuer, bevor es angenehm warm und gleichzeitig kühl in ihrem Kopf zu ziehen schien. Gleich brachte es Linderung und der Schmerz verschwand. Auch das Schwindelgefühl und die leichte Übelkeit verschwanden auf einen Schlag. Nur ein leicht pelziges Gefühl blieb auf der Zunge zurück. „Nun kannst du deine freie Woche genießen. Von dem komischen Gefühl auf der Zunge brauchst du dich nicht beirren lassen. Das ist normal und sollte morgen weg sein“, grinste Seraphina stolz und wischte sich die Salbenreste von den Händen. „Danke“, sagte Max begeistert und umarmte glücklich ihre Freundin, bevor sie begann ihr von ihrem aufregenden Tag in der Stadt zu berichten. Stolz präsentierte sie den neuen Dolch und erzählte von der Abmachung mit der Frau in der Schmiede. Begeistert hörte Seraphina zu, die auch froh zu sein schien, dass Max mal etwas Spannenderes zu erzählen hatte.

      4

      Zu Maxillias Glück, war die Wache vor ihren Gemächern eingenickt, als sie gerade in diese zurückkehren wollte. Der große Mann stand schlummernd an die Wand gelehnt und schnarchte leise vor sich hin. Sie hatte schon hin und her überlegt, wie sie es hätte anstellen sollen an ihm vorbei zu kommen, ohne dass sie in Erklärungsnot geraten wäre. Aber der Zufall hatte ihr in die Karten gespielt, so dass sie sich nichts hatte aus den Fingern saugen müssen. Leise schlich sie sich also an ihm vorbei, öffnete beinahe lautlos die Tür und schlüpfte zurück in ihre Gemächer. Ganz vorsichtig schloss sie die Tür wieder hinter sich und