Irene Dorfner

Engelchen...


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       Ich wünsche ganz viel Spaß beim Lesen des 18. Falles mit Leo Schwartz & Co.!!

       Liebe Grüße aus Altötting

       Irene Dorfner

      ANMERKUNG:

      Die Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

      Der Inhalt des Buches ist reine Fantasie der Autorin. Auch hier sind Ähnlichkeiten rein zufällig. Die Örtlichkeiten wurden den Handlungen angepasst.

      …und jetzt geht es auch schon los:

      1.

       Dienstag, 30. August – 14.30 Uhr

      „Guten Abend, gut‘ Nacht, mit Rosen bedacht,…“ sang Maja Ettl leise und streichelte ihrer Tochter Lina dabei über den Kopf. Ihr 4-jähriger Sohn Marco schlief tief und fest und hörte sie nicht. Seinen Teddybären hielt er fest im Arm. Er hatte das Schlafmittel ohne Widerspruch geschluckt, aber die 7-jährige hatte sich gewehrt und eine große Menge wieder ausgespuckt. Wie lange würde es brauchen, bis auch sie endlich schlief? Solange Lina wach war, konnte sie das Feuerzeug nicht zünden. Ihre Tochter hatte sie angefleht, das Feuerzeug wegzulegen. Ahnte sie, was sie vorhatte? Lina war für ihr Alter sehr klug. Sie wollte schon immer alles ganz genau wissen und beobachtete alles um sich herum. Noch bevor sie im letzten Jahr eingeschult wurde, kannte sie alle Buchstaben auswendig, ohne dass sie jemand dazu drängte. Auch Zahlen und Farben waren ihr vertraut. Wie sehr hätte sie ihrer Tochter gewünscht, dass sie ihren Weg ginge und alles erreichen würde, was sie sich vornahm. Aber nicht in dieser schlechten, herzlosen Welt, die sich einen Dreck um ihre Tochter, geschweige denn um ihren Sohn scherte. Marco war Autist, aber das hatte sie nie gestört. Ihr Sohn lebte nun mal in seiner eigenen Welt und das hatte jeder zu akzeptieren. Marcos Betreuung traute sie niemandem zu. Niemand würde sich um die Pflege und Förderung kümmern, die er brauchte. Vor allem würde niemals jemand ihre Kinder so sehr lieben, wie sie es tat. Sie war die Mutter der beiden und das wollte man ihr wegnehmen. Sie fühlte sich dazu verpflichtet, sie vor der grausamen Welt zu schützen.

      „Weißt du wieviel Sternlein stehen,…“ schloss sie das nächste Schlaflied nahtlos an, denn Lina wollte immer noch nicht schlafen. Das Mädchen hatte einen starken Willen und wehrte sich vehement gegen den Schlaf. Aber das würde ihr nichts nützen. Irgendwann schlief sie ein und so lange musste Maja warten. Sie wollte nicht, dass ihre Tochter die Explosion mitbekam, das wollte sie ihr nicht zumuten. Vielleicht brauchte sie das Feuerzeug nicht und das ausströmende Gas würde alle drei still und leise töten. Das wäre die einfachste Lösung, aber das war ihr sicher nicht vergönnt. Die Küche war offen gestaltet und die angrenzenden Räume waren riesig. Bis sich das hier mit Gas füllte, brauchte es sehr lange. Zu lange! Draußen stand der Feind und es war nur eine Frage der Zeit, wann man sich gewaltsam Zugang verschaffen würde. Die Zeit drängte, aber das durfte sie sich nicht anmerken lassen. Je ruhiger sie blieb, desto schneller schlief ihre Lina ein.

      Alle drei saßen auf dem Küchenboden des schmucken Einfamilienhauses in Mühldorf am Inn, das sie und ihr Mann zur Hochzeit vor sieben Jahren von ihren Schwiegereltern geschenkt bekamen. Alles sah nach außen hin rosig aus und die kleine Familie führte ein Bilderbuchleben, um das sie viele beneideten. Aber niemand kannte die Wahrheit. Alle hatten ihnen die Komödie abgenommen. Seit ihr Schwiegervater tot war, war es ruhig geworden. Trotz seines Todes war sie erleichtert und hatte wieder zuversichtlich in die Zukunft geblickt. Anfangs war sie skeptisch, ob die Fassade trotz des Todes des tyrannischen Familienoberhauptes aufrechterhalten werden konnte oder ob nicht doch ein Funken Wahrheit an die Oberfläche gespült wurde. Aber nichts geschah. Alles lief einfach weiter. Und sie fing an, ihr Leben zu genießen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

      Vor drei Wochen begann der Alptraum und ihr Leben fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Maja hatte keine Kraft mehr und musste dem allen ein Ende setzen. Sie konnte nicht mehr kämpfen. Vor allem nicht gegen einen scheinbar übermächtigen Feind, von dem sie nicht einmal wusste, wer es war. Egal. Wer auch immer sie vernichten wollte, hatte gewonnen. Sie gab auf. Aber ihre Kinder hatte sie bei sich und sie beschloss, sie mit sich zu nehmen.

      Endlich wurde Lina ruhiger und Maja griff langsam zum Feuerzeug, wobei sie darauf achtete, dass ihre Tochter nichts davon mitbekam.

      Nur noch wenige Augenblicke, und sie hatte endlich Ruhe.

      2.

      Vor dem Haus in der Ahornstraße war viel los. Neben Polizei, Krankenwagen und vielen Schaulustigen hatten sich auch die Beamten der Kriminalpolizei Mühldorf eingefunden. Während Polizei und Feuerwehr hauptsächlich damit beschäftigt waren, die Straße zu räumen und die Anwohner und Schaulustigen zum Weggehen zu bewegen, suchten die Kriminalbeamten verzweifelt nach einem Weg, irgendwie ins Haus zu kommen. Der Strom wurde längst abgedreht, aber die Gasleitung war immer noch nicht gekappt worden.

      „Wie lange dauert das denn noch,“ sagte Leo Schwartz verärgert. Der 51-jährige, gebürtige Schwabe stach auch heute wieder nicht nur durch seine Größe von 1,90 m hervor, sondern durch ein schwarzes T-Shirt, auf dem ein neofarbener Kopf eines unbekannten Freiheitskämpfers prangte. Vor allem die sonnenverbrannte Haut, die sich inzwischen von Kopf und Armen ablöste, sowie die Badelatschen, zogen alle Blicke auf sich. Aber das war alles nebensächlich und interessierte Leo nicht.

      Es war heiß, sehr heiß. Für Ende Juni nicht ungewöhnlich, aber die Hitze erschwerte die Arbeit.

      „Die Gaswerke sind dran,“ sagte Werner Grössert äußerlich gefasst, aber innerlich brodelte es. Dem 40-Jährigen schien die Hitze nichts auszumachen, denn auch heute sah er wieder wie aus dem Ei gepellt aus. Er trug wieder einen sündhaft teuren, modernen Anzug, dessen Stoff in der Sonne glänzte. Werner machte sich große Sorgen, denn er kannte Maja persönlich. Für ihn stellte sich nicht die Frage, warum sie ihrem Leben ein Ende setzen und ihre Kinder mitnehmen wollte, er konnte sie irgendwie verstehen. Man hatte ihr übel mitgespielt und das war das Resultat. Erneut ging er die Pläne des Hauses durch und suchte mit Hochdruck nach einem Weg, irgendwie doch noch ins Haus zu gelangen. Hans Hiebler stand ihm zur Seite. Den 55-jährigen Junggesellen umgab wieder ein betörender Herrenduft. Außerdem war er braungebrannt und trug zu seinem weißen Leinenhemd Jeans und Slipper, alles farblich aufeinander abgestimmt. Hans machte sich von allen die größten Sorgen, denn Maja hatte bei ihm Hilfe gesucht und er hatte in seinen Augen kläglich versagt. Er kannte die 41-jährige Frau von klein auf. Sie wuchs auf einem der Nachbarbauernhöfe auf, die an seinen grenzten. Ihn und Maja trennten zwar viele Jahre, aber trotzdem lief man sich immer wieder über den Weg.

      „Das Haus ist wie eine Festung gebaut,“ sagte Werner verzweifelt. „Die Fenster können wir vergessen, die sind alle vergittert. Die Haustür ist so solide, dass man sie sprengen müsste. Und der Keller ist von außen nur durch die Garage zu erreichen.“

      „Was ist mit dem Garagentor?“

      „Das ist verschlossen und müsste aufgeschweißt oder ebenfalls gesprengt werden. Das ist doch nicht zum Aushalten! Wir kommen nicht ins Haus!“

      „Wo bleibt Susanne Ettl? Sie müsste doch schon längst hier sein!“, rief Leo verärgert. Seit die Mühldorfer Kripo den Abschiedsbrief gefunden hatte, suchten sie mit Hochdruck nach der Schwägerin, die sich offensichtlich in der Schweiz aufhielt. Aber wo? Nur sie hatte einen Hausschlüssel. Und nur sie konnte vielleicht zu ihrer Schwägerin durchdringen und sie zur Aufgabe überreden. Die Polizei hatte alle möglichen Freunde aufgetrieben, die vergeblich versucht hatten, Maja von ihrem Vorhaben abzuhalten. Eigene Familienangehörige hatte Maja nicht. Außer ihrer Schwägerin Susanne war niemand übriggeblieben.

      Keiner zweifelte daran, dass Maja ihr Vorhaben durchziehen wollte.

      Maja