J.D. David

Sonnenfeuer


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als sie wieder die Hufe hörten. „Nein, hier rein!“, sagte der Ältere und packte Daron am Arm, um im Unterholz zu verschwinden. Er lief zwei Schritte weiter und verharrte dann vor Schreck. Daron schaute auf und erkannte den Mann, der mit einem Grinsen aus dem Wald trat. Er sah verschlagen aus, wie die anderen Urben. Mit seiner Steppenkleidung, den schmaleren Augen und dem fiesen Blick.

      Die beiden Rethaner drehten sich weg, um in eine andere Richtung zu fliehen, doch weitere drei Urben traten aus allen Richtungen aus dem Wald. Und dann erreichten die Hufschläge die Lichtung. Von jeder Seite näherten sich zwei Reiter.

      Hektisch schaute sich Feslan um, erkannte aber, dass sie umzingelt waren. Mit zitternden Händen löste er die Axt von seinem Gürtel und schaute sich zu den Feinden um, die aber keinerlei Anstalten machten, sie direkt anzugreifen.

      „Verschwindet. Wir haben euch nichts getan!“, brüllte Feslan hektisch. Daron hatte ihn noch niemals so ängstlich gesehen. Sein ganzes Leben war Feslan der Starke gewesen, der sich gegen alles wiedersetzt hatte. Bruder und auch Vorbild. Doch nun schien das unausweichliche Ende nah und die Entschlossenheit und der Mut wichen Angst und Verzweiflung. Er selbst stand starr an einer Stelle und vermochte kein Wort zu sprechen. Egal ob er seine Waffe ziehen würde oder nicht, er würde sowieso keine Chance haben.

      Der Anführer der Urben lächelte mitleidig ob des jämmerlichen Versuches des jungen Mannes, sich zu retten. In einer langsamen Bewegung zog er seinen Säbel aus dem Gürtel und drückte seinem Pferd die Fersen in die Flanke. Das schnelle Ross lief auf Feslan zu und obwohl dieser noch die Axt zum Schlag erhob, war die scharfe Klinge des Urben schneller. Mit Wucht schnitt sie dem jungen Mann in den Hals. Daron spürte, wie Feslans Blut auf ihn spritzte und der Bruder dann tot zu Boden fiel.

      „Nein.“, sagte er leise. Es war nicht mehr entschlossen, oder panisch, es war nur noch ein entkräfteter Laut. Er wusste, dass er sich nicht retten konnte. Niemand würde ihn retten können. Er schaute über die Schulter und sah, wie der Urbe sein Pferd wendete um erneut auf die Mitte der Lichtung zuzureiten. Und sein blutiges Werk zu vollenden.

      Das Pferd ritt erneut an. Daron drehte sich um. Blut tropfte vom Säbel des Urben. Er könnte versuchen zu fliehen. Oder zu kämpfen. Aber beides erschien ausweglos. So verharrte er. Starr vor Schreck. In Erwartung des Unausweichlichen. Die Hufe schlugen auf den Waldboden.

      Auf einmal erzitterte die Erde unter Daron. Ein Grollen kam aus dem Boden und er schwankte kurz, konnte sich aber auf den Beinen halten. Das Pferd des Urben scheute ob des Schrecks und warf den Reiter ab. Auch die anderen Pferde scheuten und trabten unruhig. Das Beben der Erde dauerte nur wenige Sekunden, aber die Feinde waren so überrascht wie Daron und schauten sich ängstlich um.

      Dann hörte Daron einen unerwarteten Laut. Einen Klang, der weder zu diesem Ort, noch zu diesem Moment zu passen schien. Obwohl die Flüche des Urben, der auf den Boden geworfen worden war, diesen übertönten, war der Klang eindeutig. Gesang. Der tiefe und dennoch melodiöse Gesang von einem Mann. Oder sogar mehreren Männern.

      Dann erkannte Daron die Männer. Es waren vier, die den Pfad auf die Lichtung kamen, den vorher schon die Reiter gewählt hatten. Hinter den Pferden kamen sie in sein Sichtfeld, wie sie vollkommen ruhig über den Weg gingen. Einer hinter dem anderen. Und sangen. In einer Sprache, die er selber nicht kannte.

      Wie er bemerkten auch die Urben die Neuankömmlinge. Die vier Fußsoldaten zogen sofort ihre Bögen aus und richteten die Pfeile auf die Männer. In diesem Moment blieben die vier Fremden stehen und der vorderste Mann schaute auf.

      Wie seine vier Begleiter hatte auch er eine einfache braune Kutte an, deren Kapuze zurück geschlagen war. An den Füßen trug er einfache Lederstiefel. Am Gürtel, der eigentlich nur ein Seil war, waren mehrere Täschchen und Säckchen befestigt. Dennoch wirkte er insgesamt ärmlich. Auch die Frisuren der Männer glichen sich. Die Haare waren seitlich und hinten bis auf kleine Stoppeln geschoren. Nur am Schopf waren sie ein bisschen länger gelassen und am Hinterkopf zu einem kleinen Zopf gebunden. Während der vorderste Fremde schon älter wirkte und seine Haare bereits gräulich waren, waren die Männer hinter ihm in ihren Zwanzigern oder Dreißigern.

      In einer schnellen Bewegung riss er seine Arme nach oben. Erneut zitterte die Erde und Daron musste mit Schrecken feststellen, wie sich rechts und links von ihm tiefe Spalten in der Erde bildeten. Er hörte die Schreie der Überraschung der vier urbischen Bogenschützen. Obwohl sie ihre Pfeile noch los ließen, wurde der alte Mann nicht getroffen. Die Urben fielen bereits in die Spalten, die sich direkt unter ihnen aufgetan hatten.

      Dann ballte der Ältere die gerade noch offenen Handflächen zu Fäusten. Noch immer bebte die Erde, aber so schnell, wie sich die Spalten im Erdboden aufgetan hatten, schlossen sich diese auch wieder. Neben dem Krachen des Gesteins vernahm Daron auch das Knirschen der Knochen der Urben, die in der Erde ihr ewiges Grab fanden.

      Einen kurzen Moment erstarrten die anderen Urben und nur der monotone Gesang der drei anderen Männer lag auf der Lichtung. Dann brach Panik aus. Der Urbe, der den Fremden am nächsten war, zog seinen Säbel und riss am Zügel seines Pferdes. Doch er kam nicht weit.

      Daron erkannte, wie der zweite Mann nach vorne trat. Er war jünger als der alte Anführer, hatte tief braunes Haar und einen festen Blick aus stahlblauen Augen. Dennoch wirkte er mit seiner Kutte und der gleichen Frisur fast unscheinbar. Er riss seine rechte Faust nach oben. Erneut bebte die Erde, als ein Fels aus dem Waldboden schoss. Die Beine des Pferdes brachen, als sich der Fels zwischen diese und in den Leib des Pferdes schob. Das Tier brachte noch einen grotesken Schrei hervor, bevor es sterbend zu Boden fiel und den Reiter unter sich begrub, sein Kopf in einer unnatürlichen Position vom Körper gebeugt.

      Die letzten beiden Reiter versuchten gar nicht erst zu kämpfen. Hektisch wendeten sie ihre Pferde und trieben diese in den Wald. Die zwei letzten Fremden traten vor, immer noch singend. Sie unterschieden sich von den Vorderen nur durch ihre tiefschwarzen Haare, die sie beide hatten. Obwohl der eine Mann älter war, waren sie sich wie aus dem Gesicht geschnitten. Beide hoben ihre Arme auf Brusthöhe, die offenen Handflächen nach oben. Dann führten sie ihre Hände zusammen, bis sie diese vor ihrer Brust flach aufeinander legten.

      Daron schaute über seine Schulter und hörte noch das Krachen von Holz. Dann sah er schon die Bäume, die von beiden Seiten auf den Weg stürzten und die Reiter samt ihrer Pferde unter sich begruben.

      Mit zitternden Gliedern stand nur noch der Anführer der Urben. Er hatte seinen Säbel mit beiden Händen umfasst und deutete mit der Spitze auf den älteren Mann.

      „Was seid ihr?“, fragte er mit zittriger Stimme und dem krächzenden urbischen Akzent. Daron sah, wie der Mann langsam auf den Urben zuging. Die Spitze seines Schattens berührte ihn fast, als er stehen blieb.

      „Wir sind die Boten der Sonne.“, sagte der alte Mann ruhig und führte eine leichte Bewegung mit der linken Hand aus. Ein größerer Stein löste sich vom Boden und noch bevor der Urbe ausweichen konnte, zerschmetterte das fliegende Objekt seinen Schädel und eine Blutlache bildete sich an dem Ort, an dem er zu Boden ging. Mit dem Tod des letzten Urben verstummte auch der Gesang der anderen drei Männer.

      Dann schaute der alte Mann zu Daron.

      „Bitte tötet mich nicht.“, sagte Daron. Seine Stimme hörte sich wieder erstaunlich ruhig an. Aber wie schon vorher bei der drohenden Gefahr durch die Urben blieb er fest verwurzelt am Boden stehen. An den beiden Reitern hatte man sehen können, dass eine Flucht ausweglos war.

      „Wieso sollten wir dich erst retten, um dich nun zu töten?“, fragte der alte Mann, auf dessen hartem Gesicht sich auf einmal ein geradezu unpassendes Lächeln abbildete.

      „Wer seid ihr?“, fragte Daron unsicher und fügte dann gleich die nächste Frage an. „Und wieso habt ihr mich gerettet?“

      Der Alte ging einige Schritte nach vorne auf Daron zu und blieb erst kurz vor ihm stehen. Er legte seine Hände auf dessen Schulter und schaute dem Jungen tief in die Augen.

      „Ja, du bist es.“, sagte er mysteriös.

      „Wer bin ich?“

      „Mein Name ist Prior Cleos.“, beantwortete der Fremde nun Darons