J.D. David

Sonnenfeuer


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verwundert. Die Worte sagten ihm nichts. Er wusste nicht, was ein Mönch tat. Er wusste nicht, wer oder was Laëa war. Nur vom Kaiserreich hatte er Geschichten gehört, Mythen, von diesem fernen Ort.

      „Wie habt ihr das gemacht?“, stellte er aber als nächstes die offensichtlichste Frage und deutete auf die Felsen und Spalten, die den Waldboden durchzogen.

      Diesmal war es nicht Cleos, der antwortete, sondern der Braunhaarige, den dieser als Nexan vorgestellt hatte. „Laëa ist die Mutter dieser Erde. Sie durchzieht alles Land. Wir sind ihre demütigen Diener und dafür schenkt sie uns ihre Kraft. Wir beten sie an, auf dass wir diese Kraft gegen unsere Feinde einsetzen können.“

      „Ist das Magie?“, fragte Daron vorsichtig, hatte er doch schon so viele Geschichten über die Zauberei der Altvorderen gehört. Wie sie Elorath errichtet hatten. Oder die Brücken über den Calas. Oder mit ihrer Zauberei gegen böse Mächte gekämpft hatten.

      Es war wieder Cleos, der antwortete. „Nenne es, wie du willst. Aber es gibt nur wenige, die von Laëa gesegnet sind. Doch sie hat uns den Weg zu dir gezeigt. Und ich erkenne es. Du trägst die Kraft in dir. Laëa hat dich ausgewählt. Begleite uns in das Kaiserreich und werde ihr Diener, junger Daron.“

      Daron schaute Cleos verwundert hat. Woher kannte der Alte seinen Namen? Und wieso dachte er, dass er ähnliches vollbringen könnte, wie diese Männer? Er war Valore, hier geboren und aufgewachsen. Und bis er eingezogen worden war, hatte er seine Heimat, Velken, nie verlassen. Und nun wollte Cleos, dass er diese fremden Männer in das weit entfernte Kaiserreich begleitete?

      „Ihr müsst Euch täuschen, mein Herr.“, sagte Daron mit zittriger Stimme. „Ich kann solche Dinge nicht vollbringen. Ich bin ein einfacher Junge aus Rethas, aus Valorien.“

      Cleos lächelte und schüttelte den Kopf.

      „Nein, mein Junge. Du bist alles andere als gewöhnlich. Und du wirst die Wege der Laëa lernen, wenn du das willst.“

      Daron zögerte. Er schaute sich um. Traurig blickte er auf den toten Feslan hinunter. Er war ihm ein Bruder gewesen. Und nun war er tot. Genau wie Dodo und Borchart. Genau wie seine Eltern. Genau wie die schöne Ritterin. Und hunderte weiterer Soldaten. Dennoch hatte dieser Krieg doch gerade erst begonnen. Viele Weitere würden genauso sterben. Und Velken, seine Heimat. Es war unklar, wie lange es die kleine Stadt überhaupt noch geben würde. Wenn der Tod seine Klauen aus Krieg, Krankheit und Hunger ausstreckte. Doch Cleos gab ihm eine Hand. Einen Weg. Daron hatte gesehen, was die Macht dieser Göttin im Stande war. Die Mutter Laëa. Was, wenn er wirklich solche Kraft erlangen könnte? Um jene zu schützen, die ihm einst wieder wichtig sein würden. Anders als Feslan, dessen Tod er nur mit ansehen konnte.

      Er nickte. „In Ordnung. Ich begleite euch.“

      Er hatte schon bald aufgehört, die Tage zu zählen. Doch als er schon glaubte, die Reise würde ewig dauern, zeichnete sich am Horizont ein einsamer Berg ab. Und schließlich erkannte er die Klosteranlage, die auf halber Höhe des Berges war und wie in den Fels geschlagen wirkte. Nur ein kleiner Pfad schlängelte sich zu dieser hoch. Die Architektur erinnerte mehr an eine Burg, denn an einen Tempel. Und gleichzeitig schien die Anlage alt, denn viele der Felsen waren bereits durch Wind und Wetter geschliffen.

      „Ist dies das Kloster?“, fragte Daron dann schließlich Bruder Nexan, der neben ihm wanderte. Der ältere Mönch nickte.

      „Ja, dies ist Kloster Sonnfels. Die Heimat unseres Ordens. Der heilige Sitz Laëas.“

      „Wie viele Mönche leben hier?“, fragte Daron, kurz bevor sie das schwere hölzerne Tor erreichten, das die Klostermauern mit der Außenwelt verband.

      „Im Moment ungefähr fünfzig Brüder. Es ist schwierig, Auserwählte der Laëa zu finden, und wir müssen die gesamte Welt bereisen, wie in deinem Fall.“, antwortete Nexan.

      Dann erreichten sie geführt von Prior Cleos die Mauern. Doch bevor er durch das große Holzportal schritt, drehte dieser sich um und schaute Daron an. „Daron, von diesem Tag an bist du ein Novize der Laëa. Lerne fleißig, bete demütig und diene mit Hingabe. Dann wirst auch du einst die Macht unserer Mutter in deinen Händen halten.“

      Teil 1:

      Der Novize

      Frühling 786 St. Gilbert

      Kapitel 1

      Der kalte Wind wehte ihm ins Gesicht und durchdrang selbst den dicken Stoff seiner Kutte, als er auf der kleinen Straße wanderte, die auf die Grenzgarnison zulief. Ein Nordwind, der wohl der letzte Atem des Winters war, der langsam dem Frühling wich. Mit jedem Schritt, den er dem Deich näher kam, wurde der Wind durch ein weiteres Geräusch untermauert: Das grollende Rauschen des Calas, der in der Tiefe reißend gen Westen strömte.

      Daron blieb kurz stehen und hielt inne. Er strich die Kapuze vom Kopf, um die frische Luft zu fühlen und den Wind aus Valorien einzuatmen. Er war in all den Jahren natürlich älter geworden, wirkte aber noch jünger als die gut dreißig Jahre, die er mittlerweile zählte. Seine Haare waren in der typischen Frisur der Mönche gebändigt, sein Gesicht so gut rasiert wie die Seiten seines Kopfes, und auch aus den grünlichen Augen strahlten eine jugendliche Stärke. Er schaute der Straße entlang. Der Weg war vor vielen Jahren gepflastert worden, aber offensichtlich war wenig investiert worden, um die Straße auch in einem akzeptablen Zustand zu halten. Auch die kleine Toranlage am Ende wirkte eher brüchig. Doch das würde sich ändern, wenn der kaiserliche Frieden erst über ganz Kargat gebracht war. Die Bauwerke dahinter waren nämlich umso beeindruckender. Die große Brücke war zeitlos. Es schien, als wären die Zeitalter an ihr vorbei gegangen, ohne sie zu berühren. Auch die große Festung mit dem eisernen Tor wirkte in der Realität noch imposanter, als in all den Geschichten. Denn Daron sah diese zum ersten Mal. Als er damals aus Valorien gereist war, hatten sie gemeinsam den Weg über Ostwacht gewählt.

      Fast sechzehn Jahre waren vergangen, seit er die Heimat mit Prior Cleos verlassen hatte, um ein Mönch der Laëa zu werden. Ein Weg, der länger war, als er sich damals vorgestellt hatte. Ein Weg voller Entbehrungen, Hindernisse und Lasten. Jeder Tag war sowohl strikt geregelt, als auch sehr anstrengend gewesen. Vor dem Sonnenaufgang aufstehen. Gebete im Sonnenaufgang. Ein karges Frühstück. Morgendliche Arbeiten oder Ertüchtigungen. Ein noch kargeres Mittagsmahl. Gebet und Meditation. Körperliche Anstrengungen. Ein Abendmahl. Wieder Beten. Dann spät, nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, wieder in das harte Bett. Tag ein, Tag aus. Dennoch hatte er sein Ziel noch immer nicht erreicht. Er war ein Novize. Sein Weg war noch nicht abgeschlossen, doch durch seine Reise nach Valorien sollte dies geschehen. So hatte es ihm Cleos aufgetragen.

      Mit jedem Schritt, den er der Grenze näher kam, spürte er die geheimnisvolle Kraft seines Landes. Als sich seine Fähigkeiten langsam aufgebaut hatten, er die Kraft von Laëa immer mehr spürte, hatte ihm Cleos erzählt, wie er Valorien wahrgenommen hatte. In der ganzen Welt gab es Orte, die eine besondere Nähe zur Mutter Laëa boten. Hier war es einfacher, die Kraft der Erde unter sich zu spüren, die Macht der Natur zu befehlen. Und Valorien war ein solcher Ort. Es hatte Daron fasziniert, wie beeindruckt Cleos von seinem Heimatland gewesen war. Kein Ort, selbst Kloster Sonnfels, hätte eine stärkere Ausstrahlung auf ihn gehabt. Jetzt, da er wieder in das Land zurückkehrte, spürte er es auch. Schon von den alten Bauwerken schien diese Macht auszugehen, vom reißenden Calas, und noch viel mehr von dem Land dahinter.

      „Halt, Fremder.“, hörte er die harsche Stimme der Wache, als er sich dem kargatianischen Grenztor näherte. „Hier endet das Königreich Kargat. Kehre am besten um.“

      Daron hielt in der Tat inne und musterte den Soldaten kurz. Es war ein junger Mann in den Farben Kargats. Rot und weiß. Kaum älter als zwanzig Jahre. Hier, im nördlichsten Winkel des Königreiches, gab es noch die Soldaten von König Magnus. Doch auch dies würde sich wohl bald ändern.

      Daron lächelte den Soldaten an. „Vielen Dank für die Warnung, guter Mann. Allerdings liegt das Ziel meiner Reise jenseits des Flusses und wenn nichts dagegen spricht, würde ich nun gerne passieren.“

      „Vor uns liegt das Königreich