Tobias Fischer

Veyron Swift und der Orden der Medusa


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geworden. Tom empfand eine gewisse Genugtuung, denn natürlich sprach sein Pate die Wahrheit.

      Veyron hatte sich inzwischen wieder Iulia zugewandt und überließ die beiden Gentlemen ihren eigenen Gedanken.

      »Prinzessin, entschuldigt, dass ich mich erst jetzt vorstelle. Ich bin Veyron Swift, Berater für ungewöhnliche Fälle. Ich bin ein Freund der Elbenkönigin Girian und ebenso des Zaubererordens der Simanui. Ihr müsst mir erzählen, was Euch hierher gebracht hat und warum Ihr die Simanui so verzweifelt sucht.«

      Veyron setzte sich wieder in seinen Sessel.

      Prinzessin Iulia, offenbar überglücklich, dass ihr endlich jemand Glauben schenkte, begann vor Freude fast zu weinen. Mit einem Schlag wich alle Verzweiflung aus ihrem Gesicht. Sie fiel auf die Knie und dankte den Göttern, dass ihre Gebete endlich erhört wurden. Die Polizisten und der Priester sahen sich nur überrascht an. Veyron lächelte vielsagend, Tom dagegen vor Erleichterung. Es brauchte ein paar Augenblicke, ehe Iulia sich wieder fasste, hinsetzte und mit ihrer Geschichte begann.

      2. Kapitel: Iulias Geschichte

      »Das Unglück verfolgt mich. Ich weiß gar nicht, wo es seinen Ursprung nahm. Schon immer hatte die kaiserliche Familie viele Gründe zum Trauern, doch so schlimm wie in den letzten vier Jahren war es nie zuvor. Ich fürchte um all meine Verwandten. Der Tod bedroht sie.

      Wie Ihr vielleicht wisst, bin ich Iulia Livia, Tochter des Honorius Livius Caesar. Dort, wo ich herkomme nennt man mich nur Iulia, daher bitte ich Euch, es ebenfalls zu tun. Ich bin die Enkeltochter des Tirvinius Caesar Augustus. Er ist Kaiser des Imperium Maresium. Wir Maresier sind Abkömmlinge des legendären Römischen Reiches. Unsere Vorfahren gelangten in der Zeit Kaiser Neros nach Elderwelt, und bis heute hat sich die römische Lebensart in unserem Reich erhalten. Doch es war erst der vergöttlichte Illaurian, der unsere Stadt, Gloria Maresia, nach dem Vorbild Roms umbauen ließ und viele vergessene Sitten wiederbelebte. Mein Großvater ist sein Nachfolger als Augustus. Seither teil sich die kaiserliche Familie in zwei Zweige: die Aurelier, die ihre Abstammung direkt auf Illaurian zurückführen, und die Livier, die dem Haus meines Großvaters entspringen.«

      Veyron hielt die Augen geschlossen, doch sein Gesicht verriet die tiefe Konzentration, in die er versunken war.

      »Ich verstehe, dass Ihr sehr stolz auf Euren großen und edlen Stammbaum seid, Prinzessin. Bitte konzentriert Euch dennoch lediglich auf jene Elemente, die für das Problem, welches Euch plagt, von Bedeutung sind«, sagte er.

      Die maresische Prinzessin nickte gehorsam.

      »Wie Ihr wünscht. Der oberste der Aurelier war Talarius, der Neffe meines Großvaters und verheiratet mit Marcia Pelena, der Enkeltochter des vergöttlichten Illaurian. Den beiden wurden viele Kinder geschenkt: drei Töchter und drei Söhne, deren Ältester Nero Caesar ist.

      Talarius und mein Vater Honorius verstanden sich prächtig. Sie waren wie Brüder, Talarius ein begabter Feldherr, mein Vater dagegen ein geschickter Redner. Keiner neidete dem anderen seinen Erfolg. So kamen sie auf die Idee, ihre ältesten Kinder miteinander zu vermählen, um die Verbindung der beiden kaiserlichen Familienzweige zu stärken. Wir waren erst vierzehn und kannten uns seit Kindheitstagen. Der junge Nero wurde mein Gemahl. Das liegt jetzt acht Jahre zurück.

      Es hätte eine glückselige Zeit werden können, doch nur kurz nach unserer Hochzeit verstarb Talarius, von einem alten Neider feige vergiftet. Es war eine abscheuliche Tat; die Empörung im ganzen Imperium war immens. Talarius galt als ein Volksheld, der die wilden Barbaren aus Turanon im Norden erfolgreich bekämpft hatte. Umso entsetzlicher waren daher die Umstände seines Ablebens.«

      Die Prinzessin machte eine kurze Pause und befeuchtete mit der Zunge ihre Lippen.

      Tom eilte sofort in die Küche und holte ihr ein Glas Wasser. Ohne jeden Dank nahm sie es entgegen, schaute ihn dabei nicht einmal an. So was Unhöfliches hatte Tom bisher kaum erlebt. Er schüttelte den Kopf.

      Iulia schien ihren Fehler zu bemerken.

      »Verzeiht mir, junger Herr. Ich bin die Sklaven im Palast gewohnt, die einem alles reichen. Bitte nehmt meine Entschuldigung an«, sagte sie.

      Veyron räusperte sich laut.

      »Zurück zum Tod des Helden Talarius«, raunte er ungeduldig.

      Iulia nickte und fuhr fort. »Um diese Zeit geschah es, dass wie aus dem Nichts Marcus Corvinus Consilianus auftauchte, ein junger Soldat der Prätorianergarde. Zunächst fiel er niemandem groß auf. Seine Herkunft war unbedeutend, der Sohn eines einfachen Eques, eines Mitglieds des Ritteradels. Doch es begab sich etwas, das ihn bis in die Spitze des Reiches beförderte. Durch einen seltsamen Zufall rettete er Großvater Tirvinius das Leben, als dieser während einer Reise in den Hinterhalt einer Räuberbande geriet. Aus Dank beförderte ihn Tirvinius in den Rang eines Gardepräfekten. Consilian gehörte fortan zum engsten Beraterkreis des Kaisers. Ich habe nie erlebt, dass einer seiner Ratschläge schlecht oder unklug gewesen wäre. Tirvinius begann immer öfter auf ihn zu hören und Consilians Einfluss wuchs beständig weiter.

      Was für politisches Talent! Sogar der Senat, ansonsten der Streitsucht anheimgefallen, schenkte Consilian sein Vertrauen, so klug und weise wusste er Reden zu halten. Er war tüchtig, hatte mit Erlaubnis des Kaisers die gesamte Reichsverwaltung reformiert und sie effizienter gemacht. Die Einführung des kaiserlichen Verwaltungsamtes geht allein auf Consilian zurück.

      Einem einzigen Mann war Consilian nichtsdestotrotz ein Dorn im Auge: meinem Vater. Honorius fühlte sich zurückgesetzt und es störte ihn sehr, dass ein einfaches Mitglied des Ritterstandes größeren Einfluss am Hofe genoss als der leibliche Erbe des Augustus.«

      Veyron hob interessiert die Augenbrauen, als er all das hörte.

      »Aha, ein zweiter Seian«, erkannte er.

      Iulia schüttelte aufgebracht den Kopf.

      »Ihr könnt Consilian nicht mit dieser Gestalt unserer Ahnen vergleichen. Seianus war ein vom Ehrgeiz angetriebener Verräter und Mörder, aber Consilian ist bescheiden, weise und gütig. Er hat noch nie irgendetwas für sich verlangt. Das Amt als Präfekt der Garde wurde ihm vom Kaiser verliehen, ohne dass er sich darum beworben hätte. Consilian arbeitet allein zum Wohl des Reiches«, verteidigte Iulia den Mann.

      Veyron nickte. »Ich verstehe«, behauptete er. Ein spitzbübisches Lächeln huschte über seine dünnen Lippen.

      »Ich nehme an, Euer Vater ist schließlich ebenfalls durch ein Unglück ums Leben gekommen?«

      Iulia rang erschrocken nach Luft, ihr Gesicht wurde blass. Tom glaubte, die vielen, widerstreitenden Gefühle der jungen Frau deutlich zu erkennen.

      »Woher wisst Ihr das?«, schnappte sie.

      Veyron zuckte nur mit den Schultern.

      »Lediglich eine Vermutung, Prinzessin. Des Weiteren vermute ich, dass der Tod Eures Vaters bis heute noch nicht aufgeklärt wurde.«

      »Bei Juno, genauso ist es geschehen. Aber das war noch längst nicht alles.« Ein Hauch von Furcht schwang in ihrer Stimme mit.

      »Es ist jetzt fünf Jahre her, dass mein Vater starb. Erneut war die Trauer groß im ganzen Reich. Großvater Tirvinius traf der Tod seines einzigen leiblichen Kindes besonders schwer. Er hat sich auf eine einsame Insel zurückgezogen und seither keinen Fuß mehr in die Hauptstadt gesetzt. Doch das Leben ging weiter. Mein junger Gemahl, Nero Caesar, war der Nächste in der Thronfolge. Das Volk feierte seine Adoption durch den Augustus.«

      Veyron schmunzelte, als er das hörte. Er rieb sich die Hände und bedachte Iulia mit einem wissenden Blick. Tom hätte wetten können, dass Veyron längst in der Lage war, das weitere Geschehen genau vorauszusagen.

      »Consilians Einfluss beim Kaiser wurde nach dem Tod Eures Vaters noch größer. Das Verhältnis zwischen dem Augustus und seinen neuen Erben verschlechterte sich deshalb«, sagte er.

      Iulia nickte, den Kopf beschämt zur Seite gedreht.

      »So