Tobias Fischer

Veyron Swift und der Orden der Medusa


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Prinzessin blinzelte erschrocken, als hätte er sie aus einem Traum geweckt.

      »Verzeiht, Meister Swift. Aber mich erfüllt diese Verfolgerin noch immer mit Schaudern. Nun gut … Inzwischen hatten wir weitere zweihundert Meilen zurückgelegt, die Grünen Hügel lagen direkt vor uns. Es ist eine Kette von Hügeln, keiner sonderlich hoch, aber es sind annähernd fünfhundert, die sich, einem grünen Meer gleich, wie Wellen aneinanderreihen. Dahinter beginnen die ruhigen Gegenden Maresias, wo es kaum Städte gibt, dafür aber viel Ackerbau und Viehzucht. Selbst hier durchzieht die Via Imperia das Reich und riesige Aquädukte leiten Wasser in die wichtigsten Städte des Imperiums. Hinter diesen einfachen Ländereien liegt das Hochland. Dank unserer Verfolgerin wurden wir immer schneller, selbst die kurzen Schlafpausen ließen wir bald aus.

      Als wir in der zweiten Nacht ein Lager aufschlugen, verzichteten wir auf ein Feuer und aßen unseren Proviant roh. Das hatte ich noch nie zuvor getan und ich hoffe, ich muss es auch niemals wieder. Eine Reise dieser Art ist nur etwas für Legionäre, aber nichts für jemanden aus dem Senatsadel – und für Frauen erst recht nicht. Mehr als einmal bedauerte ich jetzt, auf Ennias verrückten Plan eingegangen zu sein. Allein die Angst, unserer Verfolgerin in die Arme zu laufen, hielt mich von einer Umkehr ab.

      Es war Titus, der schließlich den Plan ersann, unsere Verfolgerin anzugreifen. Er wollte unbedingt herausfinden, wer sie war und warum sie uns verfolgte. Von uns dreien glaubte er am wenigsten, dass es sich tatsächlich um die Medusa handelte, sondern er hielt sie für eine Dirne, die uns im Auftrag Consilians hinterher spionierte. Ursus war ganz seiner Meinung. Ich hatte deshalb keine andere Wahl, als den beiden Sklaven nachzugeben. Was hätte ich auch tun sollen? Meinen Widerworten wollten die beiden nicht Folge leisten. Sie beriefen sich auf Ennias Befehle, nur ihr allein schuldeten sie Gehorsam.

      Also stellten wir unserer Verfolgerin eine Falle. Ich ritt allein mit den drei Pferden weiter, während sich Ursus und Titus im Unterholz versteckten, mit Zweigen und Laub getarnt. Wie erwartet zeigte sich unsere Gegnerin in sicherer Entfernung – und tatsächlich: Sie schluckte den Köder! Ursus und Titus warteten, bis sie auf ihrer Höhe vorbeiritt, dann sprangen die beiden aus ihrem Versteck und fielen über sie her. Ursus, ein Riese von einem Mann, packte ihr Pferd am Zaumzeug und hielt es fest, während Titus die Frau aus dem Sattel zerrte. Ich wendete und ritt so schnell ich konnte, um unsere Verfolgerin zu verhören, ehe die beiden Sklaven sie erschlugen.

      Meine Sorgen verwandelten sich bald in schreckliche Furcht, denn unsere Verfolgerin war nicht einfach eine billige Dirne, die auf Geld und Abenteuer aus war. Sie war so stark wie Ursus und schneller als Titus. Mit bloßer Hand schmetterte sie die beiden zu Boden. Ich hielt im Galopp auf sie zu und wollte sie niederreiten. Doch die Fremde wirbelte blitzschnell herum und hob ihre Arme. Zwei schwarze Schlangen schossen aus ihren Ärmeln, giftige Vipern mit glühenden Augen. Die Pferde bäumten sich auf, wieherten voller Panik, ich konnte mich gerade noch festhalten. Fast wären die Gäule durchgegangen, aber Titus war sofort wieder auf den Beinen, fing die Leinen ein und beruhigte die Tiere. Ursus zog sein Schwert und erschlug die Vipern. Unsere Verfolgerin dagegen entkam in die Finsternis.

      Nun hatten wir Gewissheit: niemand anderes als Medusa selbst war uns auf den Fersen. Wer sonst könnte Vipern nach einem schleudern? Ursus und Titus hatten sogar noch Glück, dass die Gorgone sie nicht versteinerte, sondern den Rückzug bevorzugte.

      Titus war unglücklich wegen des Zeitverlusts, darum ritten wir den ganzen nächsten Tag so schnell wie es die Gesundheit unserer Pferde zuließ. Wir schafften an die hundert Meilen bis zum Sonnenuntergang und erreichten das Hochland, dort, wo nur noch vereinzelt Menschen lebten. Der Mons Coronus türmte sich vor uns auf.

      Es wurde bereits finsterste Nacht, als wir die Hänge hinauftrabten. Der Weg schlängelte sich an der Seite des Berges hoch, überwuchert mit Gras und kleinen Sträuchern. Aber da wir eine sternenklare Nacht und obendrein Vollmond hatten, konnten wir genug erkennen und den Aufstieg wagen. Doch nun suchte uns das Unglück endgültig heim.

      Auf einmal hörten wir lautes Heulen in der Ferne, wie Wolfsgeheul, nur dunkler und bösartiger. Es kam von unten aus dem Tal. Was wir zu sehen bekamen, ließ uns das Blut in den Adern gefrieren.

      Acht gewaltige Bestien hielten von Norden her auf uns zu, jedes der Monster größer als ein Pferd. Es waren Fenriswölfe, schreckliche Ungeheuer. Ich kannte sie aus den alten Geschichten, die sich in den Tagen des Dunklen Meisters zugetragen hatten. Sie haben lange Schnauzen voller Reißzähne, runde, kleine Ohren und einen dicken, fleischigen Schwanz. Es heißt, dass die Barbaren im hohen Norden diese Kreaturen noch heute fürchten. Die Pferde bäumten sich auf. Wir bekamen ihre Angst zu spüren. Darum schlugen wir ihnen die Fersen in die Flanken und jagten weiter den Berg hinauf. Der dichte Wald weiter oben war der einzige Schutz vor diesen Bestien, auf den wir hoffen konnten.

      Die Fenrisse kamen jedoch nicht allein, sondern trugen Reiter, jeder drei von ihnen. Einmal blickte ich mich um und erkannte, was sie waren: Schrate! Diese krummbeinigen, schiefgesichtigen Unholde mit ihrer krank aussehenden Haut, den fettigen Haaren und Rüstungen aus Stahl, Leder und Fell. Die geheimnisvolle Reiterin war verschwunden – von ihr war weit und breit nichts mehr zu sehen. Vielleicht hatte auch sie vor den angreifenden Fenrissen Reißaus genommen, oder sie hatte die Schrate überhaupt erst alarmiert und auf unsere Fährte geführt.

      Die Fenrisse mochten nicht so schnell wie ein Pferd sein, aber sie waren ausdauernder und unsere Tiere waren ob der langen Reise erschöpft. Sie begannen bereits zu stolpern. Die Ungeheuer holten immer weiter auf. Da wendete Ursus plötzlich sein Pferd und stürmte den Schraten mit Gebrüll entgegen.

      Titus fluchte und folgte ihm.

      ›In den Wald, Prinzessin, in den Wald! Findet das Tor der Simanui‹, rief er mir noch zu.

      Ich erkannte, dass mir die beiden Zeit verschaffen wollten. Also ritt ich so schnell ich konnte, denn die Angst hatte mich bis tief in die Knochen erfüllt. Noch nie in meinem Leben habe ich mich sosehr gefürchtet. Hinter mir vernahm ich das Kampfgeschrei meiner beiden Begleiter, ihre entsetzten Ausrufe, das mörderische Knurren und Bellen der Fenrisse und das begeisterte, mordgierige Gejohle der Schrate. Die Schlacht war kurz, Reiter samt Pferden wurden vermutlich niedergemacht, erschlagen und zerfetzt. Ich sah sie niemals wieder. Jetzt waren die Schrate hinter mir her.

      Mein Tier wurde immer müder, verlor rasch an Geschwindigkeit. Die Fenriswölfe holten auf. Ich trieb mein Pferd weiter an, zwang es die Flanke des Berges hinauf, bis der Wald endlich dichter wurde. Doch so leicht wollten die Schrate nicht aufgeben. Einige waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet und schossen wütend hinter mir her. Zum Glück waren sie keine begnadeten Schützen, aber ein einziger glücklicher Treffer würde reichen, um mir den Tod zu bringen. Und tatsächlich: ein Pfeil erwischte mein Ross. Es bäumte sich vor Schmerz auf, verlor das Gleichgewicht, stürzte und warf mich aus dem Sattel. Schnell war mein verwundetes Tier wieder auf den Beinen, stürmte davon und ließ mich zurück. Mein Knöchel war verstaucht, aber die Angst vermag alle Schmerzen zu verdrängen. So humpelte ich in den Wald. Äste peitschten mir entgegen, Wurzeln ließen mich immer wieder stolpern. Es war so dunkel, dass ich nichts mehr sehen konnte. Nur als schwarze Schatten nahm ich Bäume und Strauchwerk wahr. Hinter mir brüllten und lachten die Schrate, die Fenrisse bellten und fauchten. Zweige brachen laut knackend, als die Ungeheuer ins Unterholz vordrangen.«

      Iulia zitterte am ganzen Körper.

      Inspektor Moore fühlte sich genötigt, aufzustehen und sein Jackett um ihre Schultern zu legen. Sie schenkte dem Polizisten ein dankbares Lächeln. Tom war entrüstet, dass Veyron einfach nur dasaß und nichts weiter für das Wohlbefinden der armen Frau tat.

      »Bitte keine Unterbrechungen, Prinzessin. Erzählt den Rest Eures Abenteuers«, sagte er so kalt und herzlos, als wäre er nur eine Maschine.

      »Der Wald wurde immer dichter, ständig verfing sich mein Haar im Geäst, und Dornen zerfetzten meine Tunika. Die Schrate hatten ihre Bestien zurückgelassen, jagten jetzt zu Fuß hinter mir her. Sie machten dabei einen furchtbaren Lärm, fluchten derb und drohten mir mit allerhand Grausamkeiten, wenn ich nicht sofort aus meinem Versteck herauskäme.

      Meine Kräfte gingen zu Ende, ich brauchte eine Pause. Meine Beine zitterten, mein Herz schlug mir bis zum