ich habe Geduld«, sagte Scrooges Neffe. »Mir tut er leid;
ich könnte nicht böse auf ihn werden, selbst wenn ich's
versuchte. Wer leidet unter seiner bösen Laune? Er selber allein,
sonst niemand. jetzt hat er sich's in den Kopf gesetzt, uns nicht
leiden zu können, und will unsere Einladung zum Mittagessen
nicht annehmen. Was ist die Folge davon? Er verliert nicht viel an
unserm Essen.«
»Nun, ich meine, er verliert ein sehr gutes Essen«, unterbrach ihn
Scrooges Nichte. Die andern sagten dasselbe, und man konnte
ihr Urteil darüber nicht bestreiten, weil sie eben zu essen
aufgehört hatten und jetzt mit dem Dessert bei Lampenlicht um
den Kamin saßen.
»Nun, es freut mich, das zu hören«, sagte Scrooges Neffe, »weil
»Nun, es freut mich, das zu hören«, sagte Scrooges Neffe, »weil
ich kein großes Vertrauen in diese jungen Hausfrauen setze. Was
sagen Sie dazu, Topper?«
Ganz klar war's, Topper hatte ein Auge auf eine der Schwestern
von Scrooges Nichte geworfen, denn er antwortete, ein
Junggesel e sei ein unglücklicher, heimatloser Mensch, der kein
Recht habe, eine Meinung darüber auszusprechen: Worte, bei
denen die Schwester von Scrooges Nichte - die Runde mit dem
Spitzkragen, nicht die mit der Rose im Haar - rot wurde.
»Weiter, weiter, Fred!« sagte Scrooges Nichte, in die Hände
klatschend. »Er bringt nie zu Ende, was er angefangen hat! Er ist
ein so närrisches Kerlchen.«
Scrooges Neffe schwelgte in einem andern Gelächter, und es
war unmöglich, sich von der Ansteckung fern zu halten, obgleich
es die runde Schwester sogar mit Riechsalz versuchte; sein
Beispiel wurde einstimmig nachgeahmt.
»Ich wol te nur sagen«, meinte Scrooges Neffe, »daß die Folge
seines Mißfallens an uns und seiner Weigerung, mit uns fröhlich
zu sein, die ist, daß er einige angenehme Augenblicke verliert, die
ihm nichts schaden würden. Gewiß verliert er angenehmere
Unterhaltung, als ihm seine eigenen Gedanken in seinem
dumpfigen alten Kontor oder in seiner Wohnung bereiten. Ich
versuche ihm jedes Jahr Gelegenheit dazu zu geben, mag es ihm
nun gefal en oder nicht, denn er dauert mich. Er mag auf
nun gefal en oder nicht, denn er dauert mich. Er mag auf
Weihnachten schimpfen, bis er stirbt, aber er muß doch endlich
besser davon denken, wenn er mich jedes Jahr in guter Laune zu
ihm kommen sieht, mit den Worten: ›Onkel Scrooge, wie geht es
Ihnen?‹ -
Wenn es ihm nur den Gedanken einflößt, seinem armen Kommis
fünfzig Pfund zu hinterlassen, so ist das doch wenigstens etwas:
und ich glaube, ich packte ihn gestern.«
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Jetzt war an ihnen die Reihe zu lachen bei dem Gedanken, daß
er Scrooge gepackt hätte. Aber da er durch und durch gutmütig
war und sich nicht viel darum kümmerte, worüber sie lachten,
wenn sie überhaupt lachten, so stimmte er in ihre Fröhlichkeit mit
ein und ließ die Flasche wacker herumgehen.
Nach dem Tee kam Musik an die Reihe. Denn es war eine
musikalische Familie, und sie wußten, was sie taten, wenn sie
einen Glee oder Catch sangen, darauf könnt ihr euch verlassen,
namentlich Topper, der den Baß nach Noten brummen konnte,
ohne daß die großen Adern auf der Stirn anschwollen oder sich
sein Gesicht rötete. Scrooges Nichte spielte die Harfe recht gut,
und spielte unter anderen Stücken auch ein kleines Liedchen (ein
bloßes Nichts, ihr hättet es in zwei Minuten pfeifen gelernt), das
jenes Kind oft gesungen hatte, von dem Scrooge aus der Schule
geholt worden war, wie ihm der Geist der vergangenen
Weihnachten gezeigt hatte. Als Scrooge dies Liedchen hörte, trat
Weihnachten gezeigt hatte. Als Scrooge dies Liedchen hörte, trat
alles, was ihm der Geist gezeigt hatte, abermals vor seine Seele:
er wurde weicher und weicher und dachte, wenn er es vor
Jahren hätte oft hören können, so hätte er die freundlichen Seiten
des Lebens genießen können, ohne erst zu Marleys Geist seine
Zuflucht um Belehrung nehmen zu müssen.
Aber sie widmeten nicht den ganzen Abend der Musik. Nach
einer Welle fingen sie Pfänderspiele an, denn es ist gut, zuweilen
Kind zu sein, und vorzüglich zu Weihnachten, da der Urheber
dieses Festes selbst noch ein Kind war. Doch halt, erst spielten s
ie Blindekuh. Und ich glaube ebensowenig, daß Topper wirklich
blind war, wie ich glaube, er habe Augen in seinen Stiefeln. Ich
vermute, die Sache war zwischen ihm und Scrooges Neffen
abgekartet, und der Geist der diesjährigen Weihnachten wußte
es wohl! Die Art, wie er die runde Schwester in dem
Spitzenkragen verfolgte, war eine Beleidigung aller menschlichen
Leichtgläubigkeit. Wo sie ging, ging auch er, die Feuereisen
umstoßend, über Stühle stolpernd, an das Piano anrennend, sich
in den Gardinen verwickelnd. Immer wußte er, wo die runde
Schwester war. Wenn jemand gegen ihn gefallen wäre, wie es
einige machten, oder sich vor ihn hingestellt hätte, würde er getan
haben, als bemühe er sich, ihn zu ergreifen, wäre aber
augenblicklich umgekehrt, der runden Schwester nach. Sie rief
oft, das sei nicht ehrlich, und das war es auch in der Tat nicht.
Aber endlich hatte er sie gefunden und ungeachtet ihres
Sträubens zwängte er sie in eine Ecke, aus der keine Flucht
möglich war; und da wurde seine Aufführung ganz abscheulich.
möglich war; und da wurde seine Aufführung ganz abscheulich.
Denn sein Vorgeben, er kenne sie nicht, er müsse erst ihren
Kopfputz anfassen und, um sie zu erkennen, einen gewissen Ring
auf ihrem Finger und eine gewisse Kette um ihren Hals befühlen,
war ganz, ganz abscheulich! Und gewiß sagte sie ihm auch