Sarah Glicker

Old Home, New Love


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hatte er Zeit genug, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen!

       „Zieh´ in ein Hotel, oder zu einer deiner Freundinnen. Ich bin mir sicher, dass du irgendwo schon ein Fleckchen finden wirst. Ich lasse mich von dir jedoch nicht mehr von dir an der Nase herumführen.“

       Mit diesen Worten verlasse ich meine Wohnung und lasse die Tür laut hinter mir in das Schloss fallen.

       Er kann froh sein, dass ich schon immer ein Mensch war, der sich im Griff hat, auch wenn das nicht immer einfach ist. Sonst wäre ich sicherlich nicht so ruhig geblieben. Und ich bin mir sicher, dass jede Frau, die selber schon einmal betrogen wurde, mich auch hätte verstehen können.

       Es gibt wahrscheinlich nicht eine Frau, die es mir krumm genommen hätte, wenn ich eine Vase oder Teller nach ihm geschmissen hätte.

       Doch ich bin der Meinung, dass er es nicht wert ist. Zwei Jahre meines Lebens habe ich an ihn vergeudet.

       Zwei Jahre!

       Für ihn habe ich meine Heimat die Glades und meine Familie verlassen. Sicher, ich hätte eh gehen wollen. Doch Gainesville war nicht mein Ziel gewesen.

       Nun bleibt mir gerade aber nichts anderes übrig, als das Positive an dieser Situation zu erkennen, auch wenn das nicht einfach ist. Ich habe eine schöne Wohnung und einen guten Job. Mehr kann ich mir gerade überhaupt nicht wünschen.

       „Wir müssen uns unterhalten“, verkündet mein Chef, nachdem ich das Büro betreten habe.

       Mit großen Schritten kommt er auf mich zu und sieht mich mit einem strengen Blick an.

       Ich kann nicht verhindern, dass sich augenblicklich ein weiteres Mal an diesem Morgen ein ungutes Gefühl in mir breit macht. Und das ist das Letzte, was ich gerade gebrauchen kann.

       „Ist etwas passiert?“, frage ich ihn unsicher.

       Meine Stimme ist leise, beinahe brüchig, doch gerade bin ich froh, dass ich überhaupt einen Ton herausbekomme.

       „Wir müssen etwas besprechen.“

       Er klingt zwar so, als wäre es keine große Sache, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass etwas passiert ist, was mir nicht gefällt.

       Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, wenn ich herausfinden will, was passiert ist. Dabei achte ich jedoch darauf, dass sich einige Schritte zwischen uns befinden.

       Ein paar der Kollegen, die schon da sind, sehen mich nachdenklich an, als ich an ihnen vorbeigehe. Ich habe keine Ahnung, ob sie bereits wissen, was passiert ist, oder ob sie genauso überrascht sind, wie ich es bin. Doch ich habe keine Ahnung, was los ist. Und das gefällt mir überhaupt nicht.

       Wenn ich zu einem Gespräch beim Chef gerufen werde, weiß ich lieber, was vor sich geht. Ich will mich darauf vorbereiten können.

       „Setzen Sie sich“, weist er mich an, nachdem er die Tür seines Büros hinter sich geschlossen hat.

       Ich schlucke und versuche so den Kloß aus meinem Hals zu entfernen, der sich dort in den letzten Sekunden gebildet hat. Doch ich schaffe es nicht, ihn wieder loszuwerden. Mir kommt es eher so vor, als würde er noch größer werden.

       „Ist etwas passiert?“, erkundige ich mich.

       Angespannt sieht er mich an. Ich habe keine Ahnung, was hier los ist, doch ich will es endlich wissen. Dabei ist mir egal, was es ist.

       Sein Verhalten zeigt mir, dass irgendetwas passiert sein muss. Und leider habe ich schon eine Vorahnung, die mir leider überhaupt nicht gefällt. Und leider auch eine, mit der ich nicht gerechnet habe.

       Er hat in den letzten Wochen kein Geheimnis daraus gemacht, dass die Auftragslage nicht sehr gut ist. Und dementsprechend hat er auch angemerkt, dass er ein paar Leute entlassen muss, wenn es sich nicht bessert. Dementsprechend haben sich alle noch mehr ins Zeug gelegt, dennoch mussten uns letzte Woche bereits zwei meiner Kollegen verlassen.

       „Ich sehe mich leider gezwungen, die Agentur noch mehr zu verkleinern“, beginnt er schließlich.

       „Sie kündigen mir“, stelle ich trocken fest.

       Während ich spreche, versuche ich alle Emotionen, die ich gerade empfinde, für mich zu behalten. Doch nachdem ich mich vorhin schon von meinem Freund getrennt habe, ist das jetzt nicht mehr so leicht.

       In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, während ich versuche herauszufinden, was der beste Weg ist, mit diesem Mist klarzukommen.

       „Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber ich bin gezwungen etwas zu unternehmen, wenn ich nicht will, dass dieser Betrieb pleite geht. Nach der ganzen Arbeit, die ich in den letzten Jahren hier reingesteckt habe, will ich das wirklich nicht.“

       Mit einem entschuldigenden Blick sieht er mich an. Doch ich gehe nicht weiter darauf ein, da ich glaube, dass dies die einzige Möglichkeit ist.

       „Das ist schon in Ordnung“, gebe ich nur zurück.

       Einige Sekunden warte ich darauf, dass er vielleicht noch etwas sagt. Doch er schweigt und sieht mich stattdessen nur nachdenklich an.

       Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stehe ich auf und verschwinde aus seinem Büro und der Firma, für die ich mir den Arsch aufgerissen habe. Gerade kommt es mir so vor, als würde die Welt um mich einbrechen.

       Die letzten zwei Jahre habe ich damit verbracht, mir hier ein Leben aufzubauen. Ich gebe zu, dass ich kein Bedürfnis hatte, hier Freundschaften zu schließen und mich auch mit den Freunden von Anthony nicht sehr gut verstanden habe. Doch ich hatte einen Job, einen Freund und eine schöne Wohnung. Mehr habe ich nicht gebraucht.

       Und nun ist mir innerhalb eines Morgens, eigentlich nur innerhalb von zwei Stunden, nur die Wohnung übrig geblieben.

       Während ich durch die Straßen nach Hause fahre, überlege ich mir, wie ich weitermachen soll. Klar, ich brauche einen neuen Job, das steht außer Frage. Doch sogar mir ist bewusst, dass es nicht so leicht ist, einen zu finden.

       In meiner Branche gibt es nicht sehr viele Firmen und auf jede Stelle kommen mindestens zehn Bewerber. Aber vielleicht ist es auch die Chance, mit etwas anderem zu beginnen.

       Noch bevor ich die Wohnungstür erneut hinter mir geschlossen habe, höre ich, dass mein Telefon klingelt. Schnell lege ich alles auf dem Küchentisch ab und nehme das Gespräch an.

       „Schätzchen“, begrüßt mich meine Mutter.

       „Hi“, gebe ich schlecht gelaunt von mir. Ich kann es nicht für mich behalten und das will ich auch überhaupt nicht.

       „Was ist los?“

       Vor meinem inneren Auge habe ich ein Bild, wie sie noch in der gleichen Sekunde die Ohren spitzt und mehr oder weniger geduldig darauf wartet, dass ich ihr die Geschichte erzähle.

       Kurz zögere ich mit mir selber. Es fiel mir schon immer schwer, meiner Mutter von meinen Misserfolgen zu berichten. Und wenn man es genau nimmt, waren die letzten Stunden genau das.

       Dennoch breche ich mein Schweigen und setze sie über die neusten Vorkommnisse in Kenntnis.

       Aufmerksam hört sie mir zu, bis ich geendet habe.

       „Das tut mir leid, mein Schatz“, erklärt sie schließlich.

       „Das braucht es nicht. Es war besser, dass ich es jetzt erfahre, als erst in ein paar Jahren. Und das mit meinem Job ist zwar scheiße, aber dennoch werde ich mich davon nicht unterkriegen lassen.“

       Einen Moment ist es ruhig in der Leitung. Ich kenne meine Mutter gut genug, um auch aus dieser Entfernung zu wissen, dass sie etwas beschäftigt.

       „Was ist los?“, stelle ich schließlich die Frage, die mir auf der Zunge liegt.

       „Ich wüsste da vielleicht etwas, was dich ablenken kann“, stellt sie nach einer Ewigkeit fest.

       „Und das wäre?“