Carina Zinkeisen

Ich wollte nie Kaiserin werden


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21. August 1858

      Bang sehe ich zu Franzl, den Leibarzt und der Hebamme.

      Gestern ist in Schönbrunn ein Kronleuchter im Spiegelsaal ohne erkennbare Ursache von der Decke gestürzt und am Boden in tausend Stücke zerschlagen, wie mir die Bellegarde mitteilte. Ein schlechtes Omen!

      Die Geburt war quälend lang und alles tat mir scheußlich weh.

      Die Hebamme hält mein Kind im Arm.

      „Ist es ein Sohn“, frage ich bang.

      „Die Hebamme weiß es noch nicht“, sagt der Kaiser und ich zucke zusammen. Wieder nur ein Mädchen, ganz gewiss wieder nur ein Mädchen.

      „Ach gewiss nur ein Mädchen, wieder nur ein Mädchen“, sage ich enttäuscht und richte mich erschöpft ein wenig auf.

      „Nun, wenn es doch ein Knabe wäre“, fragt Franz mit seltenem Schalk in seinen blauen Augen und mein Herz vollführt aus purer Erleichterung wahre Jubelstürme.

      „Ist es wirklich wahr“, frage ich mit klopfendem Herzen. Über mein Gesicht huscht ein jähes Lächeln.

      „Gratulation Majestät, Sie haben einen gesunden, kräftigen Sohn, ein toller Bursche“, pflichtet die Hebamme dem Kaiser bei, zeigt mir meinen nackenden Prachtburschen. Die Erzherzogin, die neben der Hebamme steht, lächelt und nimmt der Hebamme das Baby aus dem Arm. Sie hält es hoch, hält kurz inne, besinnt sich und legt es mir in die Arme.

      „Wie schön der Kleine ist“, sage ich schluchzend.

      Franz laufen die Tränen über das Gesicht.

      „Ein strammer Bursche ist er auf jeden Fall, kein Jung Siegfried, aber mit der richtigen Erziehung wird er einer werden und kein Kreiperl bleiben. Wir werden ihn Rudolf nennen, nach dem ersten Habsburger auf dem Thron des Heiligen Römischen Reiches“, sagt Franzl und drückt lächelnd meine Hand. „Du weißt ja, dass ich gerade das Grab Rudolfs von Habsburg in Speyer restaurieren lasse. Ich hoffe, an die alte Tradition der Habsburger Herrschaft über ganz Deutschland anzuschließen, die Kaiser Franz 1806 mit der Niederlegung der römischen Kaiserkrone aufgegeben hat. Auf unseren kleinen Rudi setzte ich große Hoffnungen. Auch dich will ich aus lauter Freude beschenken, liebe Sisi.“

      Etwas umständlich legt er mir eine dreireihige Perlenkette um.

      „75.000 Gulden“, flüstert er mir ins Ohr. „Und dich Rudi“, er schaut zu dem kleinen Rudi in die Wiege, „dich mache ich zum Oberst der Armee, damit du, der mir aus Gottes Gnade geschenkt wurde, der braven Armee dienst, ich lege dir den Orden des goldenen Vlieses in die Wiege. Und ich will, dass zu deinen Ehren die Reichen den Armen Almosen geben, zum Beispiel die Bankiers den Wöchnerinnen, den Findelkindern und den Kriegspopfern. Selbst die Provinzen werden an meiner Freude teilhaben, die Kroaten, die Slawonen, die Serben, das Banat und Siebenbürgen. Der Erbe des Reiches!“ Er klingt so stolz und ich bin es mit ihm.

      Der kleine Rudolf Franz Karl Joseph ist Kronprinz und Thronfolger von Österreich, königlicher Prinz von Ungarn und Böhmen, der Lombardei, Venetien, Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien. Vielleicht, nein gewiss, wird er einmal ein guter Herrscher, modern und liberal und gibt dem Land seine Konstitution und den Völkern seine Freiheit, denke ich ein wenig ketzerisch und setze große Stücke auf meinen Sohn, nur in anderer Form als der Kaiser es tut.

      Für den gilt nur die militärische Ausrichtung des Knaben, sucht er doch erneut Karoline Freifrau von Welden, die kinderlose Witwe eines Feldzeugmeisters als Kinderfrau für Rudi aus, eine Frau, die keine pädagogische Vorbildung oder Erfahrungen mit Kindern hat, aber schon bei meiner Sophie als Kinderfrau diente. Witzigerweise mag Gisela sie. Vielleicht ist sie doch eine gute Wahl für Rudi und ich tu ihr Unrecht.

      101 Kanonenschüsse zerreißen die Stille meiner Gedanken und teilen den Wienern mit, dass ich in Laxenburg einen Sohn zur Welt brachte und das Kaiserreich nun einen Kronprinzen hat.

      Von der alten Prophezeiung, dass das Geschlecht der Habsburger mit einem Rudolf begonnen habe und mit einem anderen enden würde, will der Kaiser nichts wissen. Mir graut es bei diesem Namen, ich werde ihn nur Rudi nennen.

       28. August 1858

      In meinen Brüsten steigt schmerzhaft die Milch auf und ich habe Fieber. Sehr ärgerlich, da diese Milch unnütz ist, denn Kaiserinnen stillen ihre Kinder nicht, dafür eine mährische Bäuerin, die Sophie für Rudi ausgesucht hat. Dabei soll sie alle Kinder selbst gestillt haben, was ihr wohl entfallen ist. Seeburger meint, dass meine Milch durch mein Fieber vergiftet sei und ich den Kleinen damit gefährden würde. Ich habe doch nur Fieber, weil diese unnütze Milch aufsteigt. Und der will ein Mediziner sein!

      Ein bayerisches Mädel kann ihrem Kind die Brust geben, aber nicht die Kaiserin von Österreich. Ich wäre viel lieber ein bayerisches Landmädchen. Die Schmähschrift auf dem Sekretär hatte recht. Die Landesmutter ist eine Gebärmaschine, alles andere hat sie nicht zu interessieren, nicht die Politik und nicht einmal die Ernährung und Erziehung der Kinder, die sie zur Welt gebracht hat.

      Ich liege fiebernd im Bett, während ganz Wien in rauschenden Bällen und prächtigen Paraden die Ankunft meines Sohnes zu feiern scheint.

       18. September 1858

      Beerdigung Margaretes!

      Sie war meine Cousine, die Tochter von meiner Tante Amalie, einer der Schwestern meiner Mutter, der Königin von Sachsen. Margarete war lieb und lustig und hatte meinen Schwager Karl Ludwig geheiratet. Auf einer Reise nach Oberitalien, die der Erzherzog mit ihr unternahm, erkrankte Margarete bei einem Aufenthalt im königlichen Lustschloss in Monza an Typhus. Sie starb am 15. September und wurde nur 18 Jahre alt.

      Wahrscheinlich klopft der Tod auch schon bei mir an. Ich mag nichts essen, habe Fieber, bekomme keine Luft und mein Herz rast und klopft wie verrückt.

       10. Oktober 1858

      Die Geburt war schwer und ich erhole mich immer noch nur langsam. Ich bin noch recht schwach und die Erzherzogin hat den Kleinen zu sich geholt. Ist besser so.

      Sie wissen ja alle ohnehin besser Bescheid als ich, was aus Rudolf werden soll. Allein dieser hochtrabende Vergleich zum ersten Habsburger, welch Bürde! Der Kaiser will ja einen Soldaten aus ihm machen. Was ist, wenn er mein Naturell geerbt hat und lieber liest, malt oder musiziert und keine Freude und kein Talent für das Schießen hat? Ich mag gar nicht daran denken, wenn ich den kleinen Wurm in den Armen halte.

      Ich lenke mich mit der Gesellschaft meiner Papageien und den Wolfshunden ab und schreibe eifrig Gedichte, in denen ich vom lieben Bayernland und den Bergen träume.

      Von meiner Schwester Marie habe ich einen Brief erhalten. Die Arme erwartet nächstes Jahr das Übel der Heirat und ihr graut schon jetzt. Sie wird mich im Januar besuchen auf dem Weg in ihr italienisches Gefängnis. Ich freue mich schon sehr, sie wiederzusehen. Ich vermisse alle unendlich und wünsche mir manchmal, der Franzl hätte die Néné genommen.

      Sie war die eigentliche Siegerin damals in Bad Ischl!

      PS: Mama war da mit unserem Leibarzt Dr. Fischer, zu dem ich natürlich mehr Vertrauen habe als zu dem unsäglichen Dr. Seeburger, der an Sophies Tod schuld ist und als Arzt nichts taugt. Ich habe nach wie vor manchmal Fieber, bin schwach und appetitlos, traurig und gleichgültig.

       10. Januar 1859

      Marie ist hier, auf dem Weg in ihr italienisches Gefängnis, sie wurde schon 1857 per procura mit dem Kronprinzen von Neapel – Sizilien verheiratet.

      Marie,