Carina Zinkeisen

Ich wollte nie Kaiserin werden


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beschuldigt fühlte, Onkel Ferdinand, dem ich meine Krone verdanke, behauptet, dass man nicht den Herrscher hätte wechseln müssen, um Schlachten und Provinzen zu verlieren. Weißt du, wie ich mich fühle? Und dann fällst auch du mir in den Rücken. Lass mich in Ruhe“, faucht er mich an und lässt mich stehen.

       10. August 1859

      Franzl steht am Fenster, wieder einmal.

      Die Lippen fest zusammengepresst. In Ungarn flackert die Revolte wieder auf und es gab einen Mordanschlag auf Franz und Sophie, ein Diener sollte sie töten.

      Warum wehrst du dich immer noch gegen die Verfassung, hast du denn nichts gelernt, will ich ihn anschreien, tue es aber nicht.

      Er tut mir leid. Wenigstens hat Franzl einige der Minister, die für das Desaster verantwortlich sind, entlassen.

      Ganz besonders freut mich die Entlassung von Baron Bach, der ein Erzfeind der Ungarn ist. Sophies Zeit ist endgültig vorbei.

      Auch Grünne musste gehen, was mir persönlich leidtut, er bleibt aber mein Freund, denn er ist, wie wir alle wissen, ein Prügelknabe für den Kaiser, der als väterlicher Freund und engster politischer Vertrauter für Franz die Schuld auf sich nimmt und den Kopf hinhält. Auf Druck der öffentlichen Meinung musste der Kaiser Grünne als Generaladjutanten und Leiter der Militärkanzlei entlassen, allerdings wie es sich geziemt mit großen Gunstbeweisen. Grünne ist nun nur noch der Oberstallmeister.

      Ich denke daran, wie liebevoll ich ihm eine bessere Zukunft gewünscht habe und ihm gesagt habe, dass ich mich nicht damit anfreunden kann, jemand anderen an seinem Platz zu sehen und wie dankbar ich ihm für unsere Freundschaft bin.

      „Gottseidank haben wir Sie noch nicht ganz verloren und Sie bleiben mein liebster Gefährte zu Pferd“, habe ich ihm heimlich ins Ohr geflüstert und ihn zum Lächeln gebracht.

      Franz hat kam noch ein liebes Wort für mich, in Italien schickte er Briefe mit Liebesschwüren und hier straft er mich mit Eiseskälte und berät sich nur mit seiner Mutter und das stundenlang.

      Dabei ist ihre Zeit nun wirklich endgültig vorbei!

      Er will das als treuer Sohn natürlich nicht wahrhaben!

       25. September 1859

      Sommer in Ischl ermüdend!

      Am 12. September trat der Kaiser wieder bei einer Militärparade auf, nachdem er sich mehr als zwei Monate in Laxenburg verkrochen hatte. Wir fuhren im geschlossenen Wagen zum Prater, Franz sprach kein einziges Wort und sah streng und ernst aus. Uns hallte eisiges, feindseliges Schweigen entgegen wie damals in Italien.

      Dann ging es nach Ischl – gemeinsam mit Max und Charlotte. Die beiden Brüder sind verfeindet und Charlotte redete nur von ihrer hohen Geburt, vom Schloss Miramar oder scheuchte alle rum. Eine furchtbare Person, dass Sophie das nicht merkt? Ich flüchtete mich zum Lesen auf mein Zimmer in der Kaiservilla.

      Jetzt stürze ins Ballleben. Der Clou an den Bällen ist, dass nur die jungen Paare, nicht aber die Mütter der Mädchen wie sonst üblich eingeladen sind. Also hat auch Sophie auf den Bällen nichts verloren.

      Und ich turne bei schlechtem Wetter in der Hofburg an den Ringen und Seilen, die ich mir anbringen lassen habe. Das passt Sophie natürlich auch nicht.

      Dauernd mäkelt sie an mir, ich soll dem Kaiser eine bessere Ehefrau sein und den Kindern eine bessere Mutter. Ersteres gehst sie nichts an und das andere hat sie kaputt gemacht, indem sie mir die Kinder entfremdet hat. Gisela heult, wenn sie mich sieht und zu Rudi lassen sie mich nicht. Wahrscheinlich hat sie Angst, ich würde ihn verzärteln und er wird dann wegen mir kein guter Kaiser werden. Wahrscheinlich ärgert sie sich, dass sie ihre Zustimmung zu unserer Ehe gegeben hat.

       25. April 1860

      Die Bälle haben mich irgendwann ermüdet und ich kam mir wie eine aufgezogene Puppe vor.

      Ich werde Mama besuchen, es ist nicht dasselbe, wenn sie herkommt und Papa kommt ohnehin nie zu Besuch, da es ihm vor Sophie, der Hofburg und dem Wiener Klimbim graut, was ich ihm nicht verdenken kann.

      Marie fehlt mir wahnsinnig. Jeden Tag kann ihre neapolitanische Festung zusammenbrechen. Zudem ist ihr schwachsinniger Gatte nun König, denn sein Vater, Ferdinand II. starb letzten Mai.

      Als sie damals bei mir war, was haben wir gelacht? Wie jung haben wir uns gefühlt? Geraucht haben wir mitten in der Nacht und wir wollten jeden Moment festhalten und dass nie Morgen wird.

       10. Mai 1860

      Garibaldi zieht mit tausend Mann gen Neapel und will ganz Sizilien vom Königreich losreißen und aller Welt zeigen, auf welch tönernen Füßen das bourbonische Königreich beider Sizilien steht. Ich sorge und ängstige mich und versuche zum Kaiser vorzudringen, der mir immer noch gebrochen und voller Apathie erscheint und so recht kein offenes Ohr für meine Anliegen hat.

       10. Juni 1860

      Vor wenigen Tagen ist Palermo gefallen. Marie ist in Lebensgefahr. Ihre verzweifelten Briefe häufen sich.

      „Du schickst keine Truppen zu Marie nach Italien?“ Fassungslos starre ich Franz an. Ich bin wie gelähmt vor Trauer und voller Wut.

      „Da unten ist ein junges Mädchen in Todesangst, das zufällig meine Schwester ist“, schreie ich Franz wutentbrannt an.

      „Elisabeth“, er nennt mich erneut Elisabeth „du musst verstehen, wir können wegen der Niederlage im Sardinischen Krieg keine militärische Hilfe leisten und ihr nicht helfen. Unsere finanziellen und politischen Verhältnisse sind im Moment elend. Es tut mir sehr leid.“

      Er macht einen Schritt auf mich zu.

      „Sehr leid? Sie ist meine Schwester, Lass mich bitte, ich will alleine sein!“

      Ziellos laufe ich durch den Schlosspark. Wie sehr sich der Kaiser verändert hat. Gottseidank kann ich mich zerstreuen, denn ich, die die Wiener Hof - und Tanzgesellschaft immer als geistlos verachtet habe, werde nun selber Bälle organisieren.

       13. Juni 1860

      Meine Brüder waren heute bei mir in Laxenburg und wir berieten wegen Marie, kamen aber zu keinem Resultat. Ihr Mann regiert nicht, sondern verwaltet nur, denkt gar, man könnte die verfahrene Situation durch pures Beten retten und meine bayerische Familie ist in heller Aufregung.

       10. Juli 1860

      Ich bin in Possi und Marie fehlt mir hier ganz besonders. Die Stimmung ist getrübt und wir sind gram vor Sorge. Seitdem Garibaldi auf Viktor Emmanuels Befehl die Grenze beider Sizilien überschritten hat und auf Neapel zugeschritten ist, haben wir nichts mehr von Marie gehört. Neapel ist dem Kaiser genauso fern und gleichgültig wie das chinesische Reich.

      Mama und Papa schelten mich wegen des Essens und finden mich abgemagert, was mich reizbar macht. Meine Figur ist allein meine Sache.

      Zudem habe ich einen quälenden Husten.

      Papas Allüren treiben mich in den Wahnsinn. Erst war es amüsant, dass er meine Hofdamen provozierte, aber jetzt habe ich genug. Ihm mag es Freude machen, uns derbe Späße zu spielen, ich jedoch finde es unangenehm und mir tut Mama leid, die das alles mit