Irene Dorfner

Blaue Diamanten


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als Chefin? Das ist nicht euer Ernst!“ Kleinert lachte laut, aber er war der einzige, der lachte. „Frauen haben in unserem Job nichts verloren. Sie sind und bleiben das schwache Geschlecht. Was soll dieser Mist mit der Frauenquote? Frauen sollen hübsch sein, Kinder kriegen und das Haus sauber halten, das ist meine Meinung und dazu stehe ich. Jeder sollte nach seiner Veranlagung und seinen Begabungen seinen Platz finden. Und Frauen gehören nun mal nicht zur Polizei!“ Kleinert sah in die Runde und blickte in betretene Gesichter. „Kommt Leute, jetzt tut doch nicht so, als denkt ihr nicht genauso.“

      „Ich dachte mir schon, dass Sie von vorgestern sind,“ sagte Tatjana äußerlich ruhig, obwohl sie innerlich kochte. „Sie sind ein richtiger Neandertaler. Wir müssten uns eigentlich glücklich schätzen, dass wir eine so seltene Ausführung bei uns am Tisch sitzen haben. Wie sieht es aus? Waren Sie heute schon auf der Jagd und haben mit Ihrer Keule Wild erlegt?“

      Jetzt lachten alle über Kleinert. Jeder einzelne machte Witze auf seine Kosten, die er überhaupt nicht lustig fand. Irgendwann war es ihm zu dumm und er ging an die Bar. Er wurde von den anderen isoliert und er gab Tatjana die Schuld dafür. Sein Hass auf die Frau, die ihn von oben herab behandelte, stieg. Leo gefiel das überhaupt nicht. Kleinert war einer von den Menschen, die sich viel zu wichtig nahmen und die explodieren konnten, wenn man sie zu sehr reizte.

      Am nächsten Tag ging es los. Alle waren überrascht, dass Leo heute einen Anzug und ein einfarbiges Hemd anhatte, nur auf seine altbewährten Cowboystiefel konnte er nicht verzichten. Warum auch? Krohmer sprach nur von angemessener Kleidung, von den Schuhen hatte er nichts gesagt. Auch Tatjana sah heute völlig anders aus und war kaum wiederzuerkennen. Kleinert würdigte sie keines Blickes und setzte sich zum Frühstück demonstrativ an einen anderen Tisch.

      Die EU-Energieminister flogen ein und der Autokorso vom Flughafen zur Bayrischen Staatskanzlei verlief reibungslos. Die Besprechung in der Staatskanzlei begann hinter verschlossenen Türen höflich, wurde im Laufe der Zeit immer heftiger, teilweise wurde sogar gestritten. Der Inhalt wurde von den Polizisten nicht wahrgenommen. Sie achteten auf jede Kleinigkeit und jede Regung der Teilnehmer, und ließen die EU-Minister nicht eine Sekunde aus den Augen. Kleinert erwies sich trotz seiner ätzenden Persönlichkeit als guter Polizist, obwohl er Tatjana immer verächtlich ansah. Sie reagierte nicht, sondern behandelte Kleinert wie Luft, was ihn noch mehr verärgerte. In den wenigen Pausen, in denen sich die Polizisten unterhalten konnten, wurde Kleinert isoliert. Niemand wollte mit ihm zu tun haben, was er abermals Tatjana ankreidete.

      „Irgendwann bist du dran,“ sagte er von den anderen unbemerkt zu ihr. „Ich erwische dich ohne deine Kollegen, dann werden wir sehen, was du drauf hast. Gegen mich hast du keine Chance.“

      „So ein kleines Würstchen schaffe ich mit links,“ sagte Tatjana laut und lachte, obwohl sie jetzt Angst vor Kleinert bekam. Er gab einfach keine Ruhe. Sie musste höllisch aufpassen.

      „War was mit Kleinert?“ fragte Hans, der sie gehört hatte. Leo und Werner waren weit weg und hatten nichts mitbekommen.

      Tatjana schüttelte nur den Kopf, was hätte sie auch anderes tun können? Die Minister waren zurück und sie mussten arbeiten. Für Privates war keine Zeit. Sie hoffte darauf, dass sich Kleinerts Ego irgendwann wieder beruhigen würde. War sie zu frech gewesen? Hatte sie ihn zu sehr provoziert? Nein, Kleinert hatte sie provoziert und nicht umgekehrt, sie hatte nur darauf reagiert.

      Während die Besprechung lief, wurde die Diamantenmesse mit einer Ansprache des 3. Bürgermeisters der Stadt München feierlich eröffnet. Eine solche Messe fand in München bislang noch nicht statt. Die Veranstalter hatten sich sehr darum bemühen müssen, die Rechte dafür zu bekommen. Diamanten zogen ein erlesenes Publikum an, worauf die Stadt München, die Hotelbetriebe, die Gastronomie und die Geschäftswelt an sich sehr stolz und auch scharf waren. Die Umsätze der verschiedenen Branchen würden in den vier Tagen üppig ausfallen. Dass parallel die Konferenz der EU-Energieminister stattfand, stellte die Verantwortlichen vor riesige Probleme. Die Zimmer für Aussteller und Besucher waren nicht das größte Problem, aber die Gewährleistung der Sicherheit. Als der Polizeichef Totzauer bekanntgab, wegen des Ministertreffens keine zusätzlichen Polizeikräfte bereitstellen zu können, waren die Veranstalter sauer. Totzauer und auch die Stadt München hatten zugesagt, auch ihrerseits für die Sicherheit zu sorgen. Vollmundig wurde versprochen, dass man sich darum bemühen würde, die gewünschten Polizisten zur Verfügung zu stellen. Diese Information wurde damals umgehend an die größten und wichtigsten Aussteller weitergegeben. Daraus wurde jetzt nichts und sie mussten schnell reagieren. Sie informierten und diskutierten mit den Ausstellern. Selbstverständlich engagierte die Messeleitung selbst einen privaten Sicherheitsdienst.

      Schlussendlich hatte alles geklappt und die Messe konnte eröffnet werden. Auf einem reservierten Teil der ausgewiesenen Parkplätze standen die Fahrzeuge verschiedener Sicherheitsdienste, die aus ganz Deutschland und auch aus Österreich engagiert wurden. Es war offensichtlich, dass die Aussteller ebenfalls in diese Richtung reagierten und selbst für zusätzliche Sicherheit sorgten. Die Veranstalter der Diamantenmesse beteten, dass die Messe reibungslos ablief. Am Freitag war der Spuk vorbei, dann konnten auch sie wieder ruhig schlafen.

      7.

      Die Diamantenhändler Benthuis & Co. und Sieveding waren die größten der Branche. Sie waren begeistert von der Idee, dass auch in Deutschland eine Diamantenmesse stattfand und hatten das Vorhaben und die Planung tatkräftig unterstützt. Damit wurde ihnen eine weitere Möglichkeit geboten, Kundenpflege zu betreiben und vor allem Neukunden hinzuzugewinnen, denn die Diamantengeschäfte waren seit Jahren rückläufig. Nicht nur wegen des schlechten Images der Diamanten, sondern hauptsächlich wegen des fallenden Goldpreises. Viele Anleger griffen lieber bei Gold zu und legten so ihr Geld an. Benthuis & Co. und Sieveding standen zwar offiziell in Konkurrenz, tätigten aber einige Geschäfte gemeinsam. Die Inhaber und Geschäftsführer der beiden Firmen waren auch freundschaftlich miteinander verbunden. Als die Möglichkeit einer weiteren Diamantenmesse in München bekannt wurde, hatten beide vor allem im arabischen Raum aggressive Werbung für diese Messe betrieben. Für besonders reiche Familien übernahmen sie sogar die Übernachtungskosten, die sich hoffentlich durch lukrative Geschäfte bezahlt machen würden.

      Als den Geschäftsführern beider Firmen die Sicherheitsprobleme von Seiten der Messeleitung mitgeteilt wurden, waren beide sauer. Von den vollmundigen Versprechungen der Messeveranstalter war nichts übrig geblieben. Totzauer wusste nichts von diesen Versprechungen. Die Münchner Polizei war gerne bereit, mit zusätzlichen Kräften zu unterstützen; allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie über diese auch verfügte. Natürlich hatte die Messeleitung ihrerseits eine private Sicherheitsfirma engagiert, aber die reichte nicht für die gesamte Messe. Es blieben Benthuis & Co. und Sieveding nichts anderes übrig, als selbst aktiv zu werden. Schließlich hatten beide für die erlesene Kundschaft aus dem arabischen Raum sehr wertvolle Stücke dabei.

      Beide Firmeninhaber waren nach dem ersten Messetag zufrieden. Die Verkäufe übertrafen die Erwartungen bei weitem. Auch die privaten Sicherheitsfirmen erwiesen sich als Glück im Unglück. Deren Mitarbeiter präsentierten sich professionell und vermittelten den betuchten Besuchern ein Sicherheitsgefühl, das der Polizei so nicht gelingen würde.

      „Wir sollten das bei Messen und Ausstellungen beibehalten. Ich bin begeistert,“ sagte Jan Benthuis, der das Unternehmen von seinem Vater geerbt hatte und inzwischen in dritter Generation führte. Die Firma Benthuis & Co. hatte ihren Firmensitz im belgischen Antwerpen. Die goldenen Zeiten in der Branche waren längst vorbei. Die Diamantenhändler hatten alle mit dem Ruf der Blutdiamanten und Konfliktdiamanten zu kämpfen. Wo sie auch auftraten, mussten sie sich rechtfertigen und wurden schief angesehen. Nicht von Kunden, die weiterhin gerne erlesene Stücke kauften, sondern von Aktivisten und Menschenrechtlern. Benthuis musste zugeben, dass die Firma in den 50er-Jahren den Abbau der Diamanten unter menschenunwürdigen Bedingungen unterstützt und gefördert hatte. Auch mit Diamanten, von denen seine Vorfahren wussten, dass sie als sogenannte Konfliktdiamanten angeboten und verkauft wurden, wurde gerne gehandelt. Mit diesen Geschäften finanzierte man die gewalttätigen Auseinandersetzungen. Die Diamanten wurden illegal geschürft, um Rebellen und Invasionstruppen zu finanzieren.