Edgar Wallace

John Flack


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Humor, dessen sie fähig war, wach rief. Sie hätte am liebsten laut aufgelacht. Die lange Oberlippe hing über die untere hinweg, und trotzdem das Gesicht schmal und faltig war, sah er aus wie einer jener wunderlichen und komischen Glücksgötzen. Die runden, braunen Glotzaugen, die gerunzelte Stirn, ein Haarschopf, der aufrecht auf dem Wirbel seines Kopfes stand, verstärkten noch sein koboldartiges Aussehen.

      »Miß Belman?« fragte er mit einer gewissen Hast.

      Er lispelte etwas und hatte eine Art, seine Hände zu verschränken, als ob er die größte Besorgnis hätte, daß sein Wesen mißfallen könnte.

      »Kommen Sie, bitte, in meine Höhle,« sagte er und legte auf das letzte Wort einen solchen Nachdruck, daß sie beinahe gelacht hätte.

      Die »Höhle« war ein sehr bequem eingerichtetes Studierzimmer, dessen eine Wand hinter Büchern verschwand. Er schloß die Tür hinter ihr und schob ihr mit einem leisen, nervösen Lachen einen Stuhl hin.

      »Ich freue mich, daß Sie gekommen sind. Hatten Sie eine angenehme Reise? Aber sicherlich, nicht wahr? Und London? – heiß und schwül – leider, kann ich mir denken. Wollen Sie nicht eine Tasse Tee trinken? – Aber natürlich!«

      Er stieß Fragen und Antworten so schnell heraus, daß sie keine Möglichkeit hatte, eine Antwort zu geben, und er hatte das Telephon ergriffen und schon Tee bestellt, ehe sie noch irgendeinen Wunsch geäußert hatte.

      »Sie sind jung – sehr jung,« er schüttelte traurig seinen Kopf. »Vierundzwanzig – nicht wahr? Können Sie Schreibmaschine schreiben? Was für eine lächerliche Frage!«

      »Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, Mr. Daver, mich zu empfangen,« sagte sie, »und ich kann auch keinen Augenblick annehmen, daß ich Ihren Ansprüchen genügen werde. Ich habe gar keine Erfahrung im Hotelwesen und nach dem Gehalt, das Sie aussetzen, muß ich annehmen ...«

      »Immer ruhig,« sagte Mr. Daver und schüttelte feierlich seinen Kopf. »Gerade das brauche ich. Arbeit gibt es sehr wenig, aber auch das ist mir zu viel. Meine Privatarbeiten« – er deutete mit der Hand auf ein Stehpult, das mit Papieren bedeckt war – »nehmen mich außerordentlich in Anspruch. Ich brauche eine Dame, die die Bücher führt – meine Interessen wahrnimmt. Jemand, dem ich trauen kann. Ich verlasse mich auf Gesichter. Sie auch? – Ich glaube, ja. Und auf die Handschrift? – Sie doch auch! ... Drei Monate lang habe ich annonciert. Mit fünfunddreißig Bewerberinnen habe ich sprechen müssen! – Einfach unmöglich – und ihre Stimmen – schrecklich! Ich beurteile Menschen nach ihrer Stimme – Sie sicherlich auch. Als Sie am vergangenen Montag telephonierten, sagte ich mir gleich: Die Stimme!«

      Er hatte seine Finger so fest ineinander verflochten, daß die Knöchel ganz weiß waren, und diesmal konnte sie das Lachen nicht verbeißen.

      »Aber Mr. Daver, ich weiß ja gar nichts von dem Hotelfach. Ich glaube ja sicher, daß ich es lernen könnte, – und ich möchte die Stellung natürlich schrecklich gern haben. Das Gehalt ist ja furchtbar anständig.«

      »Furchtbar anständig,« wiederholte er brummend, »wie merkwürdig die beiden Worte nebeneinander klingen! – Meine Haushälterin. Sehr freundlich von Ihnen, Mrs. Burton, daß Sie den Tee bringen.«

      Die Tür hatte sich geöffnet, und eine Frau mit einem silbernen Teebrett kam herein. Sie war sehr adrett in schwarz gekleidet. Ihre matten Augen blickten kaum nach Margaret hin, als sie demütig wartete, während Mr. Davor sprach.

      »Mrs. Burton – Diese junge Dame ist die neue Sekretärin unserer Gesellschaft. Sie muß das beste Zimmer im Hause haben – das blaue Zimmer. Aber – warten Sie mal!« er biß sich besorgt auf die Lippen – »vielleicht lieben Sie Blau gar nicht?«

      Margaret lachte.

      »Mir ist jede Farbe recht,« sagte sie, »aber ich habe mich doch noch gar nicht entschieden –«

      »Gehen Sie, bitte, mit Mrs. Burton mit. Sehen Sie sich das Haus an – Ihr Bureau – Ihr Zimmer. – Mrs. Burton!«

      Er wies auf die Tür, und ehe das junge Mädchen wußte, was sie eigentlich tat, war sie schon der Haushälterin durch die Tür gefolgt. Ein schmaler Gang verband Mr. Davers Privatbureau mit dem Hause, und Margaret wurde in einen großen, hohen Raum geführt, der die ganze Breite des Hauses einnahm.

      »Der Bankettsaal,« erklärte Mrs. Burton mit dünner Stimme, die durch ihre Eintönigkeit auffiel, »wird jetzt als Gesellschaftszimmer benutzt. Wir haben nur drei Pensionäre. Mr. Daver ist sehr eigen. Im Winter haben wir 'ne Masse Gäste.«

      »Drei Gäste ... Das ist nicht sehr rentabel.«

      Mrs. Burton schnüffelte.

      »Mr. Daver will ja gar nicht, daß sich das bezahlt macht. Ihm liegt hauptsächlich an der Gesellschaft. Er hat ja doch nur darum aus Larmes Keep eine Pension gemacht, weil es ihm Vergnügen macht, Leute kommen und gehen zu sehen, ohne daß er gezwungen ist, mit ihnen zu sprechen. Es ist eben sein Steckenpferd!«

      »Ein teures Steckenpferd,« sagte Margaret, und Mrs. Burton schnüffelte wieder.

      Auf der anderen Seite der großen Halle lag ein kleiner und viel gemütlicherer Salon mit großen, hohen Flügelfenstern, die auf den Rasenplatz hinausgingen. Außen, vor dem Fenster, saßen drei Personen beim Tee. Eine von ihnen war ein ältlicher Geistlicher mit einem strengen, harten Gesicht. Er aß Toast (geröstetes Brot), las ein klerikales Blatt und hatte anscheinend seine Nachbarn vergessen. Die zweite war ein junges Mädchen, ungefähr in Margarets Alter, mit einem sehr blassen Gesicht, aber trotz ihrer Blässe von außerordentlicher Schönheit. Ein Paar große, dunkle Augen betrachteten einen Augenblick den Neuankömmling und kehrten dann zu ihrem Gegenüber, einem militärisch aussehenden Mann in den Fünfzig, zurück.

      Mrs. Burton wartete, bis sie die breite Treppe nach dem Oberstock hinaufgingen, ehe sie die drei Personen vorstellte.

      »Der Geistliche ist ein Dekan aus Südafrika, die junge Dame ist Miß Olga Crewe und der andere Herr ist Oberst Hothling – alle sind Pensionäre. Hier ist Ihr Zimmer, Miß.«

      Es war in der Tat das Juwel eines Zimmers; die Art Zimmer, wie Margaret es sich immer erträumt halte. Es war in auserlesenem Geschmack möbliert und hatte, wie alle anderen Zimmer in Larmes Keep, einen eigenen Baderaum. Die Wände waren bis zu halber Höhe getäfelt, die Decke von schweren Balken getragen. Sie vermutete, daß sich unterhalb des Parkettfußbodens der ursprüngliche Steinboden befand.

      Margaret blickte um sich herum und seufzte. Es würde sehr schwer werden, diese Stellung abzulehnen, und warum sie überhaupt daran denken sollte, den Posten nicht anzunehmen, konnte sie um alles in der Welt nicht verstehen.

      »Es ist ein wundervolles Zimmer,« sagte sie, und Mrs. Burton blickte gleichgültig im Zimmer umher.

      »Es ist sehr alt,« sagte sie. »Ich kann alte Häuser nicht leiden. Früher habe ich in Brixton gewohnt ...«

      Sie hielt plötzlich inne, schnüffelte in mißbilligender Weise und klapperte mit den Schlüsseln, die sie in der Hand hielt.

      »Es gefällt Ihnen doch?«

      »Gefallen? Sie meinen, ich nehme die Stellung an? Ich weiß noch nicht.«

      Mrs. Burton blickte wieder im Zimmer umher. Das junge Mädchen hatte den Eindruck, als wollte sie versuchen, irgend etwas zum Lobe von Larmes Keep zu sagen – irgend etwas, das sie bestimmen sollte, die Stellung anzunehmen. Schließlich sagte sie:

      »Die Kost ist gut,« und Margaret lächelte.

      Als sie durch die Halle zurückkam, sah sie die drei Personen, die sie schon beim Tee gesehen hatte. Der Oberst ging allein, der Geistliche und das blasse Mädchen schlenderten über den Rasenplatz und sprachen miteinander. Mr. Daver saß an seinem Pult, hatte die Stirn auf die Hand gestützt und kaute an seinem Federhalter, als Mrs. Burton die Tür hinter ihnen beiden schloß.

      »Das Zimmer gefällt Ihnen? ... Selbstverständlich. Sie treten an – wann? ... Ich denke, Montag in acht Tagen. Eine wirkliche Erlösung! Haben Sie mit Mrs. Burton gesprochen?« Er drohte schelmisch mit