Edgar Wallace

John Flack


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die natürlich zwischen Gästen vorkommen? Sie haben ganz Recht ... das kann ich nicht. Ich muß eine Dame hier haben ... ich muß, ich muß.«

      Er nickte nachdrücklich, seine verschmitzten, braunen Augen waren auf die ihrigen geheftet, und die überhängende Oberlippe verzog sich zu einem entzückten Grinsen.

      »Meine Arbeit leidet, wie Sie sehen; ständig herausgerissen zu werden, um Unwichtigkeiten, wie zum Beispiel Aufspannen eines Tennisnetzes zu erledigen – einfach unerträglich!«

      »Sie schreiben wohl sehr viel?« gelang es ihr einzuwerfen. Sie hatte das Gefühl, daß sie ihre Entscheidung bis zum allerletzten Augenblick hinausschieben müßte.

      »Sehr viel. Kriminalistik. Ah, das interessiert Sie wohl? Ich arbeite an einer Enzyklopädie des Verbrechens,« sagte er nachdrücklich, beinahe dramatisch.

      »Des Verbrechens?«

      Er nickte.

      Das ist eine meiner Liebhabereien. Ich bin ein reicher Mann und kann mir Liebhabereien gestatten. Das Haus hier ist auch eine davon. Ich verliere jährlich ungefähr viertausend Pfund daran, aber das macht mir nichts aus. Ich suche und wähle mir meine Gäste aus. Wenn mich einer langweilt, sage ich ihm, daß er gehen muß – daß sein Zimmer anderweitig vergeben ist. Könnte ich das mit meinen Freunden oder Bekannten so machen? ... Sicherlich nicht. – Die Leute interessieren mich, füllen mein Haus, leisten mir Gesellschaft und amüsieren mich. Wann treten Sie an?«

      Sie zögerte.

      »Ich denke ...«

      »Montag in acht Tagen. Ausgezeichnet!« Er schüttelte ihr kräftig die Hand. »Sie brauchen sich hier nicht einsam zu fühlen. Wenn meine Gäste Ihnen langweilig werden, laden Sie Ihre eigenen Freunde ein. Sie können als Gäste meines Hauses kommen. Also bis Montag!«

      Sie ging den Gartenweg zu dem wartenden Droschkenkutscher hinunter, verwirrt und unentschlossener denn je.

      »Haben Sie die Stelle erhalten, Miß?« fragte der freundliche Kutscher.

      »Ich glaube, ja,« entgegnete Margaret.

      Sie warf einen Blick nach Larmes Keep zurück. Die Rasenplätze waren verlassen, aber dicht in ihrer Nähe sah sie die Figur einer Frau auftauchen, nur für einen kurzen Augenblick, und dann verschwand diese hinter einem Gürtel von Lorbeerbäumen, der parallel mit der Umfassungsmauer des Grundstücks lief. Augenscheinlich führte ein wenig betretener Fußweg durch die Büsche, und Mrs. Burton hatte dies Versteck aufgesucht. Sie hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und stolperte blindlings vorwärts, und zu seinem Erstaunen hörte das junge Mädchen, wie sie schluchzte.

      »Das ist die Haushälterin – sie ist etwas übergeschnappt,« sagte der Kutscher gelassen.

      2. Kapitel

      George Ravini war kein häßlicher Mann. Seiner eigenen Meinung nach, die natürlich voreingenommen war, war er mit seinem kurzgelockten, braunen Haar, seinen schönen napoleonischen Gesichtszügen, seiner schlanken Gestalt und guten Haltung außerordentlich anziehend. Und wenn zu seinen natürlichen Vorzügen noch der beste Anzug, den Savile Row liefern konnte, der fleckenloseste aller grauen Hüte, der Malakka-Stockdegen, auf dem eine seiner weißbehandschuhten Hände wie auf dem Griff eines Rapiers ruhte, die glänzendsten aller Lackschuhe und die feinsten grauen Seidensocken hinzukamen, dann war das Bild prächtig eingerahmt und verschönert. Aber der schönste Schmuck von allem waren George Ravinis Glücksringe. Er war abergläubisch und hatte eine große Vorliebe für Amulette. Den kleinen Finger seiner rechten Hand schmückten drei goldene Ringe, und jeder Ring trug drei große Diamanten. Ravinis Glücksringe waren in Saffron Hill sprichwörtlich geworden.

      Gewöhnlich trug er das halb amüsierte, halb gelangweilte Lächeln eines Mannes zur Schau, für den das Leben keine Geheimnisse mehr barg, und dem es auch nichts Neues mehr bringen konnte. Und dies Lächeln war auch zum Teil gerechtfertigt, denn George wußte so ziemlich alles, was in London vorging, oder was sich möglicherweise ereignen konnte. In einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung in Saffron Hill hatte er das Licht der Welt erblickt, hatte den engen Horizont, der seine Kindheit umgab, erweitert und sich herausgearbeitet. Aus dem Arme-Leute-Kind, das sein Lager mit dem dressierten Affen seines Vaters teilen mußte, war ein eleganter Kavalier geworden, Inhaber einer vornehmen Wohnung in Half Moon Street, nicht nur Inhaber der Wohnung, sondern auch Besitzer des Blocks, in dem diese sich befand. Sein Guthaben in der Continentalbank war sehr zufriedenstellend; er besaß Hypotheken, die ihm mehr, als er nötig hatte, einbrachten; ein noch größeres Einkommen gewährten ihm die beiden Nachtklubs und Spielhäuser, die unter seiner Leitung standen, ganz abgesehen von den Nebenverdiensten, die ihm von einem Dutzend der verschiedensten Quellen zuflossen. Ravinis Wort war Gesetz von Leyton bis Clerkenwell, seinen Befehlen wurde im Fitzroy Square unbedingt Folge geleistet, und kein andrer Bandenführer in London hätte sich erlauben dürfen, sein Haupt ohne Georges Einwilligung zu erheben. Er würde Gefahr laufen, eines Tages schön bandagiert im »Saal der Unglücksfälle« im Middlesex-Hospital aufzuwachen.

      Er wartete geduldig in der großen Halle des Waterloo Bahnhofes, sah von Zeit zu Zeit nach seiner goldenen Armbanduhr und betrachtete mit wohlwollenden und gönnerhaften Blicken den Strom des Lebens, der durch die Bahnhofssperren flutete.

      Die Bahnuhr zeigte auf ein Viertel nach sechs; er blickte noch einmal auf seine Uhr und musterte dann die Menge, die von dem Bahnsteig 7 herabkam. Nach einigen Minuten Suchens sah er das junge Mädchen, rückte an seiner Krawatte, setzte seinen Hut ein wenig schief und schlenderte ihr langsam entgegen.

      Margaret war zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, um an den eleganten, jungen Mann zu denken, der schon so oft versucht hatte, – und zwar unter dem alten Vorwand, »sie müßten sich früher schon mal getroffen haben« – mit ihr in ein Gespräch zu kommen. In der Aufregung über ihren Besuch in Larmes Keep hatte sie tatsächlich die Existenz dieses zudringlichen Anbeters oder die Möglichkeit, daß dieser bei ihrer Rückkehr von ihrer Reise auf sie warten könne, völlig vergessen.

      Ravini blieb stehen und wartete, bis sie herankam, wobei er ihr beifällig entgegenlächelte. Er liebte schlanke Mädchen von ihrer Art: Mädel, die sich ziemlich einfach kleideten, schöne Strümpfe und unauffällige kleine Hüte trugen. Er lüftete seinen Hut; die Glückssteine blitzten wunderbar.

      »Oh!« sagte Margaret Belman und blieb ebenfalls stehen.

      »Guten Abend, Miß Belman,« sagte George und ließ lächelnd seine weißen Zähne sehen. »Glücklicher Zufall, Ihnen wieder zu begegnen.«

      Als sie an ihm vorbeiging, fiel er in gleichen Schritt mit ihr.

      »Ich wünschte, ich hätte mein Auto hier; ich hätte Sie nach Hause fahren können,« begann er zu plaudern. »Ich habe einen neuen zwanziger Rolls – wirklich ein netter, kleiner Wagen. Ich brauche ihn nur wenig – ziehe es vor, von der Half Moon Street zu laufen.«

      »Gehen Sie jetzt nach der Half Moon Street?« fragte sie schnell.

      Aber George war ein Mann von Erfahrung.

      »Ihr Weg ist auch der meine.«

      Sie blieb stehen.

      »Wie heißen Sie?« fragte sie.

      »Smith – Anderton Smith,« antwortete er ohne Zögern. »Warum wollen Sie das wissen?«

      »Ich möchte es dem nächsten Schutzmann erzählen, dem wir begegnen,« sagte sie, und Mr. Ravini, dem solche Drohungen nicht unbekannt waren, lächelte.

      »Machen Sie sich nicht lächerlich, kleines Mädel,« sagte er. »Ich tue nichts Böses, und Sie wollen doch Ihren Namen auch nicht in den Zeitungen sehen. Außerdem würde ich einfach sagen, Sie hätten mich aufgefordert, mitzukommen, und wir wären alte, gute Freunde.«

      Sie sah ihn fest an.

      »Ich werde vielleicht sehr bald einen Freund treffen, der sich nur sehr schwer davon überzeugen lassen wird,« sagte sie. »Bitte, lassen Sie mich in Ruhe.«

      George aber erklärte,