Daniela Christine Geissler

Fluch aus vergangenen Tagen


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drehte sich grotesk um einen steinernen Altar.

      Mit offenen Mäulern stand der Mob in einem Kreis um den brennenden Scheiterhaufen, der schon bald die Füße des jungen Weibes erreichen würde.

      Der Inquisitor öffnete seinen Mantel. Die flimmernde Hitze hatte auch ihn erreicht. Die Trommeln wurden nun lauter und schneller. Dem Inquisitor ging der Lärm auf die Nerven. Er wollte, dass es endlich vorbei war, aber er konnte sich dem Schauspiel nicht entziehen und so starrte er zu der Gestalt, deren Beine bereits Feuer fingen und brummte vor sich hin

      „Immer dieses Getrommel! Als ob die Ketzer deshalb schneller brennen würden.“

      Der Bürgermeister des kleinen Dorfes blickte erstaunt zu ihm auf

      „Die Leute wollen unterhalten werden. Es ist ein Schauspiel.“

      Verächtlich blickte die große Gestalt auf den kleinen Dorfvorstand herab und sprach ehrfürchtig, fast stolz

      „Eine Hexe zu verbrennen ist kein Spiel für den Pöbel, es ist zur Ehre Gottes - ein Heiligtum.“, und weiter sprach er, den glasig fanatischen Blick in den vom Feuer sprühenden Himmel gerichtet

      „Nichts ist heiliger, als eine Seele durch das Flammenmeer hindurch, zu Gott zu führen! Amen.“

      Kurz zuvor noch hatten die Einwohner des französischen Dorfes die junge Frau verspottet, sie beschimpft, sie ausgelacht, doch jetzt im Angesicht des Todes, warteten sie angespannt auf die nächsten Minuten ihres Todeskampfes.

      Genugtuung und Mitleid spiegelten sich auf den von den Flammen erhellten, groben Gesichtern. Vor der glimmenden Hitze und dem glühenden Funkenflug mussten sie nun trotz Neugier zurückweichen.

      Die Hexe war außer ihr Blickfeld geraten. Fast schützend umfingen die Flammen ihren Leib und verdrängten die Umstehenden. Man erwartete ihr Wimmern, ihr Schreien, wie man es von anderen gewohnt gewesen war, doch es blieb aus.

      Der junge Priester schwenkte verzweifelt das Kreuz vor ihr und betete laut das Pater noster. Dabei erinnerte er sich an jenen Tag des Gerichts, als man sie vorführte. Anklage über Anklage ergoss sich über die junge Frau, die trotzig vor den ehrwürdigen Herrn stand und kein Wort zu ihrer Verteidigung vorbrachte. Er betrachtete diese Hexe, wie man sie nun nannte und sah die Schuld. Trotz seiner kurzen Amtszeit als Priester in diesem Dorf hatte er schon ein Gefühl dafür bekommen, wer wirklich schuldig war und wer nicht. Diese Frau war es. Doch den Feuertod hatte, seiner Meinung nach, kein Mensch verdient. Er setzte sich beim Inquisitor für sie ein und hoffte ihn zu besänftigen „Könnte man den Feuertod vermeiden? Sie könnten sie stattdessen köpfen lassen.“ Erschrocken wich der hagere alte Mann vor dem Priester zurück „Ihr wollt Gnade für eine Frau, die einen Mann Gottes verführt hat? Gnade für so ein Geschöpf der Hölle?“ Er war so aufgebracht, dass der junge Priester es vorzog schnell den Rückzug anzutreten, denn diese hohen Herren aus Rom waren gefährlich und schnell verneigte er sich. Er hatte sich vorher fest vorgenommen für sie zu kämpfen. Er sah es als seine Aufgabe in diesem Amt an, für den Menschen da zu sein und musste feststellen, dass es ein sehr naiver Gedanke war, zu glauben, er könnte den Feuertod von ihr abwenden.

      Einen Tag zuvor hatte er ihr im Verlies die Beichte abgenommen. Sie lächelte, als er in ihre Seele drang, ihre Schuld zu bereuen

      „Der Herr kennt Gnade. Er will, dass all seine Kinder zu ihm finden. Bereue es doch, bitte.“ Ihr Gesicht wurde hart

      „Ihr meint, dass Euer Gott ein guter Gott ist? Und warum ließ er mich dann hungern, frieren und vor Armut fast krepieren?“ Er versuchte es noch einmal „Wir alle werden vom Herrn geprüft. Deine Armut war deine Prüfung. Siehst du das nicht ein?“ Zynisch lächelnd entgegnete sie „Na, dann könnt Ihr ja froh sein, dass der Herr Euch mit dieser Prüfung verschont hat.“ „Du musst verstehen, er war ein Mann Gottes. Du hast große Schuld auf dich geladen.“, wand er bitter ein. Sie schüttelte ihren Kopf, wobei ihr die dunkle Mähne ins Gesicht fiel. „Männer sind alle gleich. Sie können gar nicht anders und heilig ist kein Mann in dieser Welt, auch Ihr nicht, Priesterlein.“ Sie provozierte ihn weiter, denn sie wusste ihr Leben war vorbei. Sie kannte die Realität dieser Welt und sie dachte, dass dieser Junge, der so erhaben in seiner Soutane vor ihr stand, noch viel lernen musste.

      „Ihr werdet sehen, dass Eure Herren kein Erbarmen mit mir kennen und so frage ich Euch, wieso Ihr glaubt, dass Ihr alle für Gott arbeitet. Euer Gott ist also ein gütiger Herr, doch warum kennt Ihr hohen Herren dann keine Gnade mit uns Armen? Nein, Priester, Ihr braucht um meine Seele nicht zu schachern. Es ist vorbei und ich bereue nichts!“ entgegnete sie verbittert und er verzweifelte dabei, ihr zuzuhören.

      Nun brannte sich die hitzige Luft in seinen Lungen, doch er wollte in diesem Moment für sie da sein. Sie sollte wissen, dass jemand Anteil an ihrem Schicksal nahm, dass sie Mitleid erwarten konnte und so wandte er seinen Blick nicht von ihrem brennenden Körper ab.

      Seine lateinischen Verse drangen an ihr Ohr und vermischten sich mit der Glut, welche sich nun erbarmungslos in ihren Körper fraß. Im Todestaumel überkamen der Hexe Luise quälende Erinnerungen und vor ihrem inneren Auge sah sie den Mann, der am Boden lag und röchelte.

      Der Fluch des sterbenden Mönchs drang an ihr Ohr

      „Niemals wirst du mich loswerden! Meine arme Seele, der du alles genommen hast, wird sich holen, was ihr Eigen ist! Im Namen deines Herrn werde ich dich verfolgen, werde dich stellen und dich vernichten. Das schwöre ich dir bei meiner verlorenen Seele.“

      Sie vernahm entsetzte Schreie und gemeines Lachen von den Umstehenden, welche sie nur mehr schwach durch den Rauch erkennen konnte. Der Rauch verdichtete sich zunehmend und brachte sie zum Husten, wobei die Glut immer unerträglicher wurde. Das Flammenmeer, in das sie nun ganz einzutauchen schien, verwandelte sich plötzlich in eine sonderbare Kälte. Ihr fröstelte, obwohl sie brannte. Sie nahm den Geruch ihres eigenen verschmorten Fleisches wahr. Sie spürte die Flammen, welche sich den Weg unaufhaltsam in ihren Körper bahnten und jeden Teil ihres Körpers in Besitz nahmen.

      Das Weib namens Luise war alleine. Abgeschieden führte sie ihren flammenden Todeskampf, der sie in eine ferne Zukunft zu führen schien.

1. T E I L

      Kapitel 1

      Philadelphia 1940

      Der Junge lag am Boden. „Es tut weh, Mr. Lee, es tut so weh!“ Er war bleich, sein kleiner Körper wand sich vor Schmerzen. Mr. Lee, sein Volksschullehrer eilte ins Sekretariat und rief die Rettung an. Neugierig standen seine Mitschüler um ihn herum. Noch bevor die Rettung da war, verlor der Junge das Bewusstsein. Verzweifelt fluchte der alte Lehrer vor sich hin. Endlich kam der Rettungswagen. Man legte ihm eine Sauerstoffmaske an und schob ihn in den Wagen.

      Dunkelheit. Er befand sich in der oberen Ecke des Zimmers. Der Raum schien in ein diffuses grünliches Licht getaucht worden zu sein. Die Menschen hatten grüne Mäntel an und grüne Masken auf, selbst die Kacheln an der Wand waren so gefärbt. Über ihm schwebte ein Licht, das ihn nicht zu blenden schien. Obwohl es von blitzender Helligkeit war, konnte er hineinsehen, ohne zu blinzeln. Zuerst schien es ihm, als ob sein Leib ins Meer tauchen würde, denn auch dort fühlte er seinen Körper nicht. Schwerelos trieb er dahin, gerade wie eben jetzt, nur dass der Widerstand des Wassers fehlte und er keinen Körper mehr besaß.

      Die Menschen unter ihm beugten sich über ein Kind, das auf einem Bett lag. Er erfasste ihre Panik, konnte ihre Gedanken hören, ihre Gefühle miterleben. Nur sein Wille führte ihn. Es war ihm möglich sich fortzubewegen, ohne zu laufen.

      Der Junge war Herr über sein Ich, er war f r e i.

      „Wir verlieren ihn!“, hörte Richard die Stimme unter sich. Die Ärzte beugten ihre Köpfe über den kleinen Körper, der regungslos auf dem Tisch lag. Einem Adler gleich, schwebte sein Geist über ihnen. Er vernahm die Stimmen seiner Eltern.

      Sein Geist durchbrach die Wände, führte ihn zu den beiden. Sie standen vor dem Operationssaal. Er versuchte ihnen mitzuteilen, dass es ihm gut