Daniela Christine Geissler

Fluch aus vergangenen Tagen


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Sie nicht, dass ihr ein Kurzhaarschnitt besser passen würde? Ich meine etwas Flottes?“, wandte sich Richard hilfesuchend an die Friseuse. Sie nickte und man begann ihr halblanges, wirres Haar abzuschneiden. Das Ergebnis sah wirklich toll aus. Hinten kurz und vorne längere Stirnfransen. Hinzu kam eine leichte Kastanientönung, die ihre blauen Augen besser zur Geltung brachten. Anschließend kleidete er sie neu ein. Zwei kurze schwarze Röcke, drei Jeans, in blau, schwarz und silbergrau und dazu passende Oberteile. Er bestand darauf, dass sie ihre alten Kleider auszog und die neuen gleich anprobierte. Sie verließ das Geschäft in einer schwarzen engen Jean und einer silbergrauen, glänzenden Seidenbluse. Etwas erschöpft sagte er „So, und jetzt dein Gesicht.“ Sie sah ihn misstrauisch an „Onkel Richard, sag, was hast du eigentlich mit mir vor? Willst du mich an den Mann bringen?“

      „Warum nicht? Ach was, schau nicht so! Ich will dich nur einmal in schicken Sachen sehen. Den Anblick gönnst du mir doch, oder?“

      Er hoffte in ihr einen Hauch Lebensfreude zu wecken. Er gab nicht auf. Seine italienische Freundin hatte ihr Kosmetikstudio nicht weit vom Einkaufszentrum entfernt.

      Eine dunkelhäutige Schönheit mit einer schwarzen Lockenmähne kam strahlend auf die beiden zu. “Ricardo, come sta?“ „Bene, grazie, e tu?“, antwortete er charmant. Nach einer überschwänglichen Begrüßung, die kein Ende zu nehmen schien, landete Ruth auf einem Hocker vor einem großen Spiegel. Ihr Gesicht bekam ein Peeling. Es wurde eingecremt, betupft und dann wurde das Make-up aufgetragen. Richard wunderte sich, was man aus einem Gesicht alles machen konnte.

      Als Ruth sich nach der Prozedur im Spiegel betrachtete, musste auch sie staunen. Objektiv betrachtete sie sich. Manuela hatte ihre dichten Augenbrauen zu einem schönen Schwung gezupft und sie betont, indem sie diese schwarz färbte. Ihre Wimpern wurden getuscht. Ihr Gesicht hatte durch das Make-up einen makellosen, frischen, leicht rosigen Teint erhalten. Am markantesten aber war ihr Mund. Mit dem Lippenliner hatte sie dem Mund einen interessanten Zug verliehen, indem sie die Oberlippe ein wenig höher zog, dadurch schienen beide Lippen eine Einheit zu bilden und diese mit einem Lippenstift in dunkelroter Farbe bemalt. Alles passte zusammen. Mit ihren langen Beinen, dem knabenhaften Oberkörper und dem Kurzhaarschnitt hatte sie sich in ein Pariser Fotomodel verwandelt. Ruth kannte sich selbst nicht wieder. Mit dem Ergebnis zufrieden, klatschte Richard in die Hände. „Jetzt gehen wir essen! Auf was hast du Appetit? Chinesisch, russisch, italienisch oder vielleicht französisch?“ „Was du willst, Onkel Richard.“, kam ihre müde Antwort, verwirrt über die Veränderung, die man an ihr vorgenommen hatte. „Gut, dann gehen wir französisch essen. Gleich hier nebenan. Hast du was dagegen, wenn Manuela mitkommt?“

      „Aber nein, während du auf sie wartest, besuche ich noch die Bücherei. In einer halben Stunde treffen wir uns dann vor dem Lokal.“, und schon huschte sie davon. „Sie ist hübsch deine Nichte. Und sie scheint ein Problem zu haben!“

      „Du hast es erfasst, meine Liebe, aber das erkläre ich dir ein anderes Mal.“

      Im Bücherladen durchstöberte Ruth die Regale nach dem Philosophen Spinoza durch. Sie fand ihn nicht. Der junge Verkäufer fragte, ob er ihr behilflich sein könnte, doch Ruth winkte ärgerlich ab. Sie wollte ihre Ruhe haben, war total erschöpft von Richards Ansprüchen, die er an sie stellte.

      Heute hatte sie etwas anderes vorgehabt, aber morgen wird sie auch noch Zeit finden, sich mit Pater Thomas zu treffen. In der Auslage erhaschte sie einen Blick auf ihr Spiegelbild und dachte: aber sicher nicht in diesem Aufzug. Sie kam sich undankbar vor.

      Das Essen schmeckte ihr, doch Manuela, so gut sie auch ihr Handwerk verstand, war ihr einfach unsympathisch. Eifersüchtig dachte sie: Wie kann man sich nur so offensichtlich an einen Mann heranschmeißen? Die machen es heute sicher noch. Sie vermied es, die beiden anzusehen.

      Richard dachte an das letzte Mal, wie leidenschaftlich Manuela war. In so einem Moment fühlte er sich einfach herrlich. Er war süchtig danach, Frauen in ihrer Ekstase zu betrachten. Dabei kam es ihn nicht so sehr auf sein Vergnügen an, es war eher das Empfinden der Frauen, an dem er sich berauschte. Es war das Bild, das sich ihm bot. Meist war der Raum schwach beleuchtet, sodass die Haut der Frau einem Ölgemälde glich, betont durch den Schweiß, der sich wie ein Firnis über sie legte. Er war auch nicht der Typ, der danach eine Zigarette rauchte und die Frau sich selbst überließ. Er war genauso aufmerksam danach, wie zuvor, denn auch da boten ihm Frauen einen Anblick, der sein männliches Herz höher schlagen ließ.

      Es war der Ausdruck völliger Zufriedenheit, wenn sie ermattet im zerwühlten Bett lagen.

      Für den Akt bevorzugte er ein Bett. Er fand es zivilisierter, sich mit einer Frau hier zu vergnügen, als im Wald oder an einem anderen unbequemen Ort. Richard benötigte dazu die richtige Beleuchtung, welche den Frauenkörper in ein goldenes Licht tauchte und viele weitere Einzelheiten, bis sein künstlerisches Innere zufrieden gestellt wurde. Jede Frau war anders, jede ein anderes Gemälde! Und so behandelte er sie auch, wie ein kostbares Einzelstück und die Frauen beteten ihn dafür an. Unter seinen Artgenossen war er ein ausgesprochener Glückspilz, reich, schön und begehrt, bis jetzt.

      Gespannt wartete Pater Thomas am Kircheneingang, seine Neugier steigerte sich zunehmend. Die junge Frau soll aus reichen Verhältnissen kommen, hatte ihm Pater Andreas mitgeteilt. Pünktlich um fünfzehn Uhr schritt sie auf ihn zu. Reich und schön, dachte er und verbeugte sich leicht. Sein Gesicht verzerrte sich zu einem maskenhaften Grinsen. Ruth war nervös. Sie gingen in die Kirche und bekreuzigten sich. An einer der harten Bänke nahmen sie Platz.

      Seine listigen Gedanken sammelnd, begann er mit ruhiger Stimme, darauf bedacht, sie zu beeindrucken.

      „Sie müssen wissen, dass das Leben in einem Kloster sehr geordnet abläuft. Sie müssen auch willig sein, zu gehorchen. Sie dürfen keine Ansprüche mehr an das Leben stellen. Es herrscht Einfachheit und auch Einsamkeit. Sind Sie sich sicher, Ruth, dass Sie das vom Leben wollen? Verzeihen Sie, aber ist es nicht nur eine momentane Laune Ihres jugendlichen Alters?“ Er sah auf ihre gefalteten Hände, wartete auf ihre Antwort, wartete darauf, wie beeinflussbar sie war. Klar und deutlich gab sie zurück „Es war seit meiner Kindheit mein größter Wunsch, Gott nahe zu sein. Nach der Ruhe im Kloster sehne ich mich und ob ich wirklich dazu bestimmt bin, werde ich im Laufe des Noviziats ja feststellen können.“ Pater Thomas atmete auf. Sein Kollege hatte gute Vorarbeit geleistet. Pater Andreas weiß, wie man den jugendlichen Willen beeinflusst und schnell, bevor sie es sich anders überlegte, sprach er, indem er sich die Lippen leckte.

      „Ich werde das Kloster informieren und Sie der Mutter Oberin in einem Brief vorstellen. Sie müssen Geduld haben. In einem Kloster herrscht ein anderer Zeitablauf. Dort läuft alles langsamer ab. Wir haben keine Eile. Sie wissen ja, nur der Teufel hat keine Zeit. Gott hat viel Zeit, denn er ist die Ewigkeit.“ Mit naiver Begeisterung nahm sie seine einstudierten Worte auf „Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben.“

      Er sah ihr nach. Sie war so jung, so zerbrechlich, so einfältig. Mit leuchtenden Augen kam sie nach Hause. Sogleich rief sie ihre Freundin an. Melissa hörte aufmerksam zu „Er war so nett und er will mit der Oberin sprechen. Stell dir vor, ich würde in Frankreich leben! Ich bin ganz aufgeregt!“, schloss sie völlig außer Atem. Erstaunt antwortete Melissa „Also, ich meine, ich habe nicht gedacht, dass du diesen Weg wirklich einschlagen würdest. Ruth, ich bin etwas durcheinander, ja was soll ich dazu sagen? Scott fragt übrigens dauernd nach dir, aber ich nehme an, dass interessiert dich ja jetzt nicht mehr, falls es dich je interessiert hat.“

      „Doch, ich finde Scott nett, aber du kennst mich ja, mir liegt nichts an Jungs oder solchen Geschichten. Ich möchte Theologie und alte Sprachen studieren.“

      „Aber, das kannst du ja auch außerhalb eines Klosters. Du könntest ja Theologielehrerin werden und da hast du ja auch mit der Kirche zu tun. Musst du gleich in ein Kloster rennen? Sei mir nicht böse, aber ich verstehe das nicht und sei nicht gekränkt, wenn ich dir meine Meinung darüber sage.“, machte Melissa den verzweifelten Versuch, sie davon abzuhalten.

      „Keine Sorge, ich bin dir nicht böse. Onkel Richard wird für mich das große Problem darstellen. Der wird schauen! Vielleicht fällt er sogar in Ohnmacht. Mein weibstoller Onkel erfährt von seiner frommen Nichte, dass sie ins