Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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Nacht bei seiner Sauftour geplaudert und ist damit auf die falschen Ohren getroffen.“

      Sprachlos fuchtelte er mit den Armen herum.

      „Die Informationen werden dem von euch observierten Konzern am Nachmittag zum Kauf angeboten“, fuhr ich ungerührt fort.

      „Können wir das stoppen?“, presste er wütend hervor.

      „Ja. Öffne die Datei von mir, da findest du die Lösung. Und schmeiß Hanno möglichst so clever aus dem Team, dass er keine Rachegelüste entwickelt.“

      Bei meiner Rückkehr in den Konferenzraum hatte sich das Team bereits an diverse Arbeiten begeben. Neben Rachel wartete obendrein der verstörte Bert. Alldieweil Thomas ihn unter dem Vorwand abserviert hatte, trockenen Schreibkram erledigen zu müssen. „Prickelnd!“ Kurzerhand verfrachtete ich Bert zu Katja. Sie musste lernen, mit solchen Situationen umzugehen.

      Dann startete der zweite Teil des Einführungskurses für eine sichtlich übermüdete Rachel.

      Nebenher liefen eine versuchte Entführung im Familienkreis, das Einfangen eines entflohenen Schwerkriminellen mit Gipsbein sowie Hinweise an die Drogenfahnder wegen einer Kreativ-Werkstatt für tödliche Partydrogen.

      Abends drückte mir Katja einen dicken Schmatz auf die Wange. „Von Konny, du weißt schon wofür.“

      „Wie bist du mit Bert klargekommen?“

      „Es würde mich echt wundern, wenn der bleibt“, zog sie stirnrunzelnd ein erstes Fazit. Die Schultern zuckend fuhr sie fort: „Auch egal, wenn sich die Herrschaften oben erdreisten, ohne mich Personalentscheidungen zu treffen.“

      „Wird Bert durchhalten?“

      „Nein, Katja bekommt ihren Wunschkandidaten.“

      „Katja, dein Favorit soll sich schon mal inoffiziell in die Startlöcher begeben.“

      Sie fiel mir aufgekratzt um den Hals. „Du bist eine Göttin!“

      Ein Abendessen mit meinen Nachbarn Jay und Schorsch im Vorderhaus versprach Labsal für meine desillusionierte Seele. Die beiden fanden es völlig okay, wenn ich, so wie an diesem Abend, hungrig an ihre Terrassentür klopfte.

      Bei Kerzenschein und Rotwein begann Jay irgendwann von seinen kleinen Patienten zu erzählen, die Tag für Tag in die Kinderarztpraxis kamen. Doch während Schorsch und ich uns über komische oder kuriose Situationen kugelten, lag Jay spürbar etwas auf der Seele.

      Die Sternsängerinnen verschafften mir ungefragt Aufklärung: „Jay verdächtigt eine Mutter, ihr Kind zu misshandeln. Er liegt richtig.“

      „Und tschüss, schöner Abend!“

      Zum ungewollt frühen Abschied sprach ich hilflos aus: „Jay, alles wird gut.“

      Verwirrt schaute er mir nach. Kaum hatte sich die Terrassentür hinter mir geschlossen, strebte ich mit langen Schritten meinem Wagen entgegen. Startbereit parkte er vor der Garage. Nebenbei sangen die Sternelben ein Trauerlied von Mutter und Sohn. Die sitzen gelassene Mutter reagierte Wut und Frust an Simon, ihrem siebenjährigen Sohn ab, nur weil er seinem Vater ähnelte. Für solche Fälle hielt ich inzwischen eine Notfamilie bei Nina parat. Als gelernte Psychologin und allein erziehende Mutter mit unerschöpflichem Elan leistete sie erste Hilfe für weinende Herzen und verkümmernde Seelen.

      Trotz fortgeschrittener Nachtzeit stand Jay bei meiner Rückkehr vor seiner Haustür und rauchte gedankenverloren Zigarillo. „Starker Tobak für eine zarte Seele.“

      „Lilia, erzähl ihm ruhig, was du unternommen hast.“

      Das mussten sie mir kein zweites Mal vorschlagen. „Hey, deinem Sorgenkind geht es gut.“

      „Wie?“

      „Tausche Gute-Nacht-Geschichte gegen ein letztes Glas Wein.“

      „Mit Happy End?“

      „Garantiert.“

      „Der Deal gilt.“

      Im Wohnzimmer streckten wir unsere Beine in den bequemen Sesseln vor dem noch stark glimmenden Kamin aus.

      Nachdem ich meine Geschichte erzählt hatte, ließ er mit tiefem Seufzen alle Anspannung fahren. Und dann kam, völlig gelassen, sein denkwürdiger Satz: „Du bist wahrhaftig ein Engel. Oder, Lil?“

      Ich schenkte ihm ein zauberhaftes Lächeln. „Schlaf schön, Jay.“

      „Genau, und jetzt ab ins Bett“, freute ich mich wie eine Schneekönigin, während sich vor meinem saumäßig auf dem Gehweg geparkten Wagen das Tor öffnete. Auf den paar Metern zur Garage begann Gesumme in meinem Kopf. „Das Summen dient keinem Zweck, nein, da sind ausschließlich wonnige Gedanken an Bett und Schlaf.“ Kapitulierend raunzte ich: „Schlaft ihr denn niemals da Obendraußen oder wo auch immer?“

      „Wir wachen, Lilia.“

      „Wie schön für euch. Im Zwei- oder Dreischichtsystem?“

      „Lilia, bitte.“

      „Bitte was noch wieder außerdem obendrauf?“

      „Fahr bitte zum Hotel Mondäne und hole Sarah Valen zu dir nach Hause.“

      „Wer, wie, was und wieso?“

      „Die Schauspielerin.“

      „Nie gehört den Namen. Für Kulturluxus fehlt mir die Zeit“, ätzte ich.

      „Sie wird von einem Stalker bedroht. Bitte bring sie in Sicherheit.“

      „Ja, ja, eure treue Dienerin.“

      Schlafwandlerisch lenkte ich das Auto um den Brunnen herum, zur Straße hinaus und zum zweiten Mal durch den spärlichen Nachtverkehr. Gut immerhin, dass Amelie und John im Kommissariat die Nachtschicht absaßen.

      Der Fahrstuhl des Nobelhotels brachte mich aus der Tiefgarage direkt in den fünften Stock. Eine Steilvorlage für herumschleichende Verrückte, zugegeben.

      „Lilia, spute dich, er ist auf dem Weg.“

      An Sarahs Zimmertür klopfend, rief ich ihren Namen plus den Hier-ist-die-Polizei-Spruch. Sie öffnete einen Spaltbreit, warf einen verschwommenen Blick auf meinen Ausweis und torkelte dann zu einem Sessel.

      „Heiliger Strohsack!“ Kurz und knapp verkündete ich: „Sarah, ich bringe dich zu mir nach Hause. Die Polizei wird dem Stalker hier im Zimmer eine Falle stellen.“

      „Die glauben mir ja nicht, dass der mich umbringen wird.“

      „Mir schon. Meine Kollegen müssten jeden Moment eintreffen.“

      Schon ertönte das vereinbarte Klopfzeichen. Rasch ließ ich meine Kollegen hinein. „Der Stalker bewegt sich zu Fuß in Richtung Hotel, wir Zwei haben kaum mehr fünf Minuten, um zu verschwinden.“

      Der Schauspielerin, ausstaffiert mit Pyjama und Einweg-Hotellatschen, hängte ich ihren Wollmantel über und half ihr notgedrungen zupackend hinaus. Im Türrahmen drehte ich mich nochmals halb um. „Er hat Tränengas und Würgeschnur in seiner linken, ein Klappmesser in der rechten Jackentasche.“

      John reckte den Daumen hoch. Aber Sarah holte geräuschvoll tief Luft und fasste sich dramatisch ans Herz. Vor Begeisterung hätte ich auf einem Nagelkissen hüpfen mögen.

      Von unterwegs musste schleunigst die Gästewohnung in meinem Haus hergerichtet werden. Seit meinem Einzug hatte ich sie mangels Verwendung ignoriert. Volle magische Konzentration, bis ich Sternchen über die Fahrbahn flimmern sah. Nur gut, dass die Schauspielerin im Halbrausch dämmerte.

      „Apropos, was soll sie ausgerechnet in meinem Haus? An Hotels herrscht in Berlin wahrlich kein Mangel“, grummelte ich missbilligend