Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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      „Was ist geschehen?“

      Stammelnd produzierte ich drei abgehackte Worte: „Kopf – Kamikaze – Kram.“

      Elin besorgte sich sphärenwärts taugliche Auskünfte über die Gründe meines miserablen Gemütszustands.

      Schlussendlich schlug sie vor, in die Küche zu gehen.

      Während ich den dampfend heißen Teebecher so fest umklammerte, dass mir fast die Finger verbrühten, schaute ich die Elbe traurig an.

      „Du machst dir zu viele Gedanken und Sorgen, Lilia.“

      „Sag mir, Elin, was bitte ist der Sinn? Denn ich sehe durchweg nur Chaos, so wie ein gigantisches Puzzle ohne Vorlage.“

      Einen schwergewichtigen Grund dafür kannte ich natürlich. Ich weigerte mich weiterhin strikt, mit Elbenfürstin Joerdis, meiner Zwillingsseele, zu sprechen. Also herrschte in puncto Durchblick meiner Innenlage zappenschwarz. Doch jeder Gedanke an die Vorstellung, außer den unverschämten Kommentaren meines Alter Ego auch noch ungebetene Wortmeldungen von Joerdis im Kopf anhören zu müssen, machte mich stinksauer. Ehrlich gesagt, war mein chaotischer Status quo keinen Deut besser. Meine ausströmende Verzweiflung verursachte in der Küche dicke Luft. Passenderweise goss es draußen in Strömen.

      Elin sah mir in die Augen. „Wenn dein Herz wahrhaft verzweifelt ist, weinen die Sternelben.“

      „Was?“

      Der Tee schwappte auf den Küchentisch.

      Tatsächlich existierten etliche Legenden, gespickt mit solch herzerwärmenden Ammenmärchen, über die Sternelben. Sie wurden im Laufe der Zeit eigens für die Umgarnung von Mischwesen wie mir erdacht.

      „Entschuldige, Lilia, aber du musst langsam deine Macht erkennen.“

      „Wie denn, wenn mir nie einer Zusammenhänge erklärt?“, jammerte ich wie Klein Lilia zu ihrer großen Schwester.

      „Und warum ist das wohl so?“

      Ratlos blickte ich zu ihr auf.

      „Weil deine Macht anders und größer ist als die von Leya oder mir. Darum können wir dir weder erklären, zu was du fähig bist, noch was daraus entstehen mag. Wir können es lediglich mit dir gemeinsam herausfinden. Meine Lichtschwestern hingegen fürchten sich über jedes vorstellbare Maß davor, dich unnötig zu verängstigen oder in die Irre zu führen. Allzu oft durchkreuzte ein winziger Schicksalsfaden ihre Pläne und Ziele.“

      Schluchzend gestand ich: „Das klingt ungeheuerlich – und gefährlich.“

      Elin stritt es nicht ab.

      Nur, welcher Art waren die galaktischen Pläne und Ziele der Sternelben?

      Mitte März brachte der Frühling endgültig Tauwetter und damit eine neue Chance, auf die Jagd nach den verschollenen Elbenamuletten zu gehen. Die mordsbrodelige Berliner Fieberkurve wies kontinuierlich nach unten. Anders ausgedrückt, zeigte das Dämonen meuchelnde Team aus Elin und Leya scheinbar Wirkung. Also verursachte mein Beschluss, in Norwegen das nächste Amulett zu bergen, keinerlei Widerstand.

      Am letzten Sonntag des Monats flog ich von Berlin über Bergen nach Alta. Ausgerüstet mit der Landessprache, sollte die Unternehmung keine größeren Probleme bereiten – dachte ich. Leider liegen Theorie und Praxis manchmal rein zufällig so weit auseinander wie Galaxien.

      Erstens hielt das Taxi mitten in der norwegischen Pampa, also quasi im Nirgendwo. Weder Baum noch Strauch boten den geringsten Blickschutz für meine Aktion. Zweitens konnte der wartende Taxifahrer zwar bis zum Nordpol gucken. Allerdings fand der alte Mann meine Wenigkeit interessanter, die gerade querfeldein durch gut dreißig Zentimeter tiefen Schnee stapfte. Drittens ignorierte das Amulett meinen zunehmend drängenden Ruf. Also musste ich viertens einen Spaten ‚ordern‘ und schweißtreibend graben. Das wiederum veranlasste den neugierigen Taxifahrer auszusteigen.

      Nachdem erst der Schnee, dann kartoffelgroße Kieselsteine und als unterste Schicht tonartige Erde weggeschaufelt waren, knirschte es unter der Spatenspitze. Behutsam schabte ich die restliche Erde von einem Zinkirgendwas mit Deckel in der Größe eines Schuhkartons. „Zink ist magieallergisch?“ Zumindest gab besagter Deckel meinem Ziehen umstandslos nach. In dem zerbeulten Behältnis lag ein angelaufenes Durcheinander an Schmuck und Münzen.

      Ja, okay, das schimpft sich Schatz.

      Aus meinem Rucksack fischte ich zwei Tüten und teilte, bis auf das Amulett, die Beute in gleiche Teile.

      Dem halb verdutzten und halb verdatterten Taxifahrer drückte ich eine Tüte in die Hand. Schweigebeute. Kurz nachdem wir losgefahren waren, bemerkte ich, dass der Alte plötzlich das Gaspedal für sich entdeckt hatte.

      Wieder am Flughafen von Alta angelangt, marschierte ich zum Postschalter und erstand ein Päckchen. Darin verstaute ich Schmuck und Münzen, selbstverständlich abzüglich Amulett. Adressiert an das Historische Museum in Bergen, waren die wertvollen Stücke in Windeseile aus der Welt geschafft.

      Da mein Rückflug erst um 19 Uhr 20 starten würde, gab ich meinem Magen nach, der knurrend Füllbedarf anmahnte. Auf der Suche nach einem Imbiss in den fensterlosen, spärlich ausgeleuchteten Korridoren des Gebäudes nahm, zur Krönung des Tages, ein herumlungernder Dämon meine Lichtspur auf. Sein Gestank verriet ihn noch rechtzeitig.

      Mit Ach und Krach lockte ich den Stinkstiefel erst mal in eine verlassene Herrentoilette. Er sah eher wie ein alter, halb verhungerter Lumpensammler aus – bis auf die Peitsche in seiner Hand. Auf jeden Fall agierte der Dämon echt lahm im Vergleich mit seiner Berliner Verwandtschaft. Voll illuminierte Halbelben kannte er schon mal überhaupt nicht. Andernfalls wäre ihm klar gewesen, dass er bereits mit einem Bein in der Hölle stand. Statt geiferndem Angriff servierte er mir einen Ekelhauch. Ich revanchierte mich mit einem gezielten Lichtpfeil dorthin, wo menschliche Wesen ihr Herz haben. Der Rest war Sterben. „Wobei“, sinnierte ich, „kann man solch einen Auflösungsvorgang tatsächlich als Sterben bezeichnen? Das würde mich mal interessieren.“

      Leya reinigte mein stolzes Mitbringsel, ein ovales Amulett, besetzt mit geschliffenen Amethysten. Dabei schüttelte sie ungehalten den Kopf. Übrigens verwandelte sich Leya mehr und mehr zurück in eine Elbe, zum Beispiel, indem sie sich lautes Sprechen abgewöhnte. Nun stöhnte sie: „Welchen Unterschied soll das beim Sterben für die Seelen machen, woraus ihre Hülle besteht und ob die dann schnell oder langsam versickert? Auf was für Fragen du ständig kommst.“

      „Ich hätte da direkt noch eine. Und zwar, wie wir die Amulette zu den verstreuten Elben befördern wollen.“

      „Papperlapapp, ungelegte Eier lassen sich nicht ausbrüten“, wischte sie die Frage weg.

      Leya hatte also keinen Schimmer!

      Montag, der 1. April, bescherte Katjas Team im Berliner Kriminalkommissariat zwei Veränderungen. Axels angestammter Platz blieb leer. Enthusiastisch begann er sein neues Berufsleben beim BND. Gleichzeitig würde heute Rachel aus Hamburg, als Ersatz für den verunglückten Kai, ihren Start hinlegen.

      John, dessen Zerstreutheit in den vergangenen Monaten vor allem seine Partnerin Jan die Wände rauf und runter katapultierte, sehnte Rachel kopflos herbei. Bereits eine halbe Stunde vor der Besprechung zappelte er, der sonst regelmäßig zu spät kam, wie ein Erstklässler bei der Einschulung auf seinem Stuhl herum.

      Ich schnappte ihn mir. „John, möchtest du einen kostenlosen Tipp, wie du Rachel beeindrucken kannst?“

      Seine Augen leuchteten fiebrig. „Das wäre?“

      „Cool einen absolut perfekten Job hinlegen.“

      „Sehr witzig, Lilia.“

      „Ich meine es ernst. Rachel ist wissbegierig, sie steht aufs Dazulernen.“

      „Eine Streberin“,