Daniela Zörner

Fürstin des Lichts


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Rückseite“, knurrte ich und stieg kampfbereit leuchtend aus.

      „Lilia!“

      Das streunende Monstrum bot genau jenes Ventil, das ich jetzt zur Triebabfuhr benötigte.

      Anstatt in die sichere Kirche zu schlüpfen, schlich ich im Stockdunklen dicht an ihr entlang. Das Stinktier witterte mich mit Lichtgeschwindigkeit, eigentlich ein Wunder bei dessen eigenen Ausdünstungen. Rasend schnell schoss der Dämon aus dem undurchdringlichen Schatten der Kirchenmauer hervor. Er warf seinen Speer, noch bevor ich ihn erblickte. Aber die Klinge prallte in Bauchhöhe ab, brachte mich nur kurz aus dem Gleichgewicht. Mit Tornadogeschwindigkeit wich er meinem ersten Lichtschuss aus. Als Antwort schleuderte das Monster einen Würgering. Diesmal war ich schnell genug. Meine Lichtkugel traf das Geschoss mitten im Flug. Geblendet durch den funkensprühenden Aufprall sah der Dämon dummerweise den linkshändig befohlenen Pfeil nicht heran sirren. „Wieder einer weniger!“

      Schweißgebadet in der Kirche angelangt, brach ein absurdes Wortgetöse los. Wir ereiferten uns wie von Sinnen. Als ich angenervt die Augen verdrehte, fielen sie zufällig genau auf die Elbenfürstin unter der Decke. Abrupt herrschte Ruhe in den weibischen Zankreihen. Joerdis schaute weltentrückt und doch voller Ernst auf mich herab.

      „Was tätest du an meiner Stelle?“ Ein abgespeicherter Gedanke beendete die kurze innere Stille. „Die Kunst besteht darin, die richtige Frage zu stellen.“ Eine echt gigantische, aber zwingend zu meisternde Herausforderung für eine Oberchaotin wie mich.

      Langsam ließ ich mich auf dem Kissen neben dem Altar nieder. Zunächst wollte meinen Denkkanälen kein klarer Gedanke entspringen. Lauter ausgefranste Enden. Versuchsweise stellte ich einen Rundumschlag in den sphärischen Raum. „Was wollt ihr eigentlich wirklich von mir?“

      Die Sternelben verweigerten sich stur.

      „Haltet ihr euer Schweigen auf Dauer für sinnvoll und ungefährlich?“

      Kein Ton.

      „Dann jagte mir Alexis also aus purem Spaß solch eine Angst ein?“

      „Alexis spricht nicht mit Sternelben.“

      „Das ist keine Antwort“, keifte ich. Prompt entging mir über den eigenen Gefühlsschaum mal wieder eine entscheidende Botschaft. Stattdessen erregte ich mich gedankenblind weiter. „Außerdem weiß der Lord offensichtlich mehr über mich als ich selbst. Seit einem Jahr lasst ihr mich kreuz und quer alle möglichen Sachen lernen und erledigen, die für mich keine logische Summe, geschweige denn ein Ziel ergeben.“

      „Lilia, sie dienen deiner Vorbereitung“, summten sie zur Beschwichtigung.

      „Ja, ja, euren leeren Standardsatz kenne ich auswendig.“

      Nach einer Denkpause säuselten sie allen Ernstes, gemäß einer Prophezeiung würde ich Regentin der Stadt des Lichts sein. „Bedenke, Lilia, lassen wir dich in die Zukunft schauen, droht unwillkürlich dein Scheitern. Prophezeiungen bergen keine absolute Wahrheit, sie fließen und verändern sich stetig, genau wie die unberechenbaren Fäden des Schicksals.“

      Zielsicher verpasste ich erneut das Hauptthema und protestierte stinksauer: „Regentin? Was soll denn der Mist? Ich lebe hier in einer Demokratie, verdammt nochmal!“

      Die Lichtwesen entgegneten lahm, das eine habe mit dem anderen keine Berührungspunkte.

      „Heißt das, ihr wollt, dass ich kopflos so weitermache?“

      „Dein Tun und Lassen folgt dem wahren Weg, sofern deine Dickköpfigkeit es zulässt.“

      Hitzig entgegnete ich: „Wollt ihr ein Lämmchen?“

      „Wir warten darauf, dass du deinen Verstand und dein großzügiges Herz sinnvoll einsetzt.“

      „Sinnvoll oder in eurem Sinne?“, schnaubte ich eine bissige Retourkutsche.

      Funkstille von himmelwärts.

      Mit imaginären Wuthörnern auf meinem Kopf machte ich mich wieder auf den Weg. Die Geheimniskrämerei der Elben hier wie dort strapazierte permanent meine Nerven. Selbst mit diesem Alexis ließ sich anscheinend kein normales Gespräch führen. „Shit! Ob der Lord in seinem Tal eventuell eMails empfangen kann?“ Erstklassige Steilvorlage für mein Alter Ego. „Glaubst du etwa, ausgerechnet der gruftige Typ würde dir schriftlich deinen Mischkopf inklusive Weltall erklären?“, höhnte es. Meine beiden Fäuste bearbeiteten im Stakkato das Lenkrad. „Was heißt hier Kopf? Elben, Dämonen, Magie und all das Zeug dazu!“ „Da empfehle ich doch mal Selberdenken.“ Das stachelte mich noch mehr auf. „Ach ja? Und was ist mit der ominösen Regentin? Total abstrus, durchgeknallt, meschugge und so weiter und so fort.“

      Nachdem wirklich alles heraus war, entwich meiner Kehle zum krönenden Schluss ein selbstmitleidiges Schluchzen. Hinter meinem Wagen hupte jemand. Ich stand vor einer grünen Ampel. „Krieg dich ein!“, brüllte ich. „Empfehle ich dir ebenfalls“, brummte mein Alter Ego. Widerwillig versuchte ich es mit tiefem Luftholen. Der Effekt fiel minimal aus.

      Kurz vor meiner Toreinfahrt zündete aus nächtlichem Himmel die vorerst letzte Eskalationsstufe.

      „Ich kann dir vieles erklären“, erklang eine sanfte fremde Stimme in meinem Kopf.

      „Scheiße nochmal!“, schnauzte ich. „Wer bist du jetzt wieder?“

      „Ich bin Joerdis, deine Seelenschwester. Die Fürstin der Elben und Gebieterin über das mächtige Lichtschwert.“

      Elbensilber

      Unaufhörlich trieb die junge Erde

      Durch das siebenfache Licht des Himmels.

      Flüchtig nur wie einer Wolke Schatten

      Lag auf ihrem Angesicht die Nacht.

      Marie Luise Kaschnitz

      Kapitel 10

      Verführt von Schönheit, Reichtum und eigenem Heim, bedeuteten mir die Geschenke der Sternelben, als ich sie besaß – nichts! Das Märchen vom glücklich sorglosen Mädchen entpuppte sich als unentrinnbare Falle, in der meuchelnde Dämonen auf mich warteten. Die schmeichelnd singende Elbensphäre unterschlug nach Gusto sämtliche Informationen, die mich zum abrupten Spurwechsel auf den vertrackt schwingenden Schicksalspfaden verleiten könnten. Nachdem sie mir, ungefragt selbstverständlich, die Seele der Elbenfürstin Joerdis eingetrichtert hatten, mussten sie lediglich abwarten. Allerdings stellte mein berüchtigter Dickschädel ein echtes Problem für die durchtriebenen Sternsängerinnen dar.

      Aus dem Buch „Inghean“

      Selbst die Macht meiner Fürstin versagt bei diesem seltsamen Menschenkind. Traf sie die falsche Wahl? Ist unser aller Schicksal nun besiegelt?

      Mittlerweile wechselten sich die beiden Elben, Leya und Elin, mit den frühmorgendlichen Unterrichtsstunden ab. Leya weckte mich vorher mit verführerischem Kakaoduft und vermittelte mir ausgebuffte Kühnheit im Kampf. Elin riss als Muntermacher das Fenster in meinem Schlafzimmer weit auf und lehrte mich elegante Geschmeidigkeit. Optisch wirkte das wie akrobatisches Ballett im Zeitraffer.

      An diesem Morgen, nach kaum zwei Stunden mit Albträumen gespickten Schlafens, erfolgte die Frischluftvariante. Als ich gähnend quengelte, riss Elin mir die Bettdecke weg.

      „Raus!“, brüllte ich absichtlich laut.

      Sie erschrak und flüchtete.

      Ihre Unterweisung auf der Rasenfläche vor meinem Gartenhaus geriet zum Fiasko.

      „Lilia, entweder du schaltest deinen Kopf