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      Paul Stefan Wolff

      Einzelbilder werden zum Mosaik

      (12 liebe und witzige Kurzgeschichten ergeben einen Liebesroman)

      Dieses ebook wurde erstellt bei

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       (1) Das Wunder in der Fürther Straße

       (2) Hannah

       (3) Dürer, die Socken und das Provinzieren

       (4) Gozo

       (5) Von Rosen und Kartoffeln

       (6) Die These

       (7) Der Ball hinter dem Tresen

       (8) Nur eine kurze Geschichte

       (9) Verschwende dein Leben

       (10) Vier Weihnachtsfeiern

       (11) Rezept zum Glücklichsein

       (12) Die Hochzeitszerstörerin

       Impressum neobooks

      (1) Das Wunder in der Fürther Straße

      Ein Liebesroman, humorig oder nicht, sollte mit einer lieben Geschichte beginnen...

      Es gibt so viele Wunder auf dieser Welt. Es kommt nur darauf an, sie zu sehen.

      Es war wie an dem Tag, als ich mit Ohrhörer und einem Musikplayer spazieren gegangen war und dann kam mir eine Frau entgegen, und sie hatte auch Kopfhörer in den Ohren. Und dann auf einmal fängt sie halblaut an, ein Lied zu singen, dass ich auch gehört habe. Und zwar genau an der gleichen Stelle. Ich stutzte und blieb stehen und hörte genau hin. Und sie blieb auch stehen und sah mich an und sie lächelte, nein, nicht einfach lächeln, sie schenkte mir das umwerfendste Lächeln des noch jungen Jahres im Singen und ging hoch, weil sie offenbar vor ihrer Haustür angekommen war und ging hoch und für mich ist das wie ein Wunder. Ich habe mich nicht getraut, sie anzusprechen, war sowieso auf dem Weg in ein schnuckliges kleines Restaurant.

      Was diese Begebenheit angeht, so wird sich sicher einer finden der sagt, das ist kein Wunder. Ich hatte nämlich einen Radioempfangsgerät und sie vielleicht auch hörte den gleichen Sender wie die Frau, die gesungen hat. Aber für mich ist das ein Wunder.

      In dieses Restaurant kam ich immer von meiner Arbeit bei der Programmierung. Was ist öder, als die Steuererklärung zu machen? Nun? Es ist die Programmierung für die Steuererklärung! Das ist mein Job. Ich programmiere Computer für Steuersoftware. Den ganzen Tag habe ich dieses Logo der Firma vor mir. Und ich kann es nicht mehr sehen.

      Wenn ich einen Job in der Schreibgeräteindustrie hätte! Ein Freund entwickelt da Schreibgeräte. Das wäre mal ein interessanter Job, Schreibgeräte zu entwickeln für Liebende, die sich Briefe schreiben. Oder wenn ich Kindersitz-Verkäufer wäre. Kinder in die Sitze heben und sehen, wie sie sich freuen, wenn der Sitz passt. Aber stattdessen habe ich Nachkommastellenprobleme für die Steuererklärung.

      Und nach der Arbeit noch was essen, ich wollte besser essen als nur einen Döner. Und so landete ich immer in dieser Kneipe, jeden Mittwoch.

      Mittwoch ist Mitte der Woche, da kriege ich immer meine Angst vor einem weiteren Wochenende ohne eine Freundin. Ein Gefühl, als würde man mit einem Billigticket in eine fremde Kleinstadt gefahren ist, nur um umzusteigen. Und dann steht man alleine am Bahnhof und muss eine Stunde warten und man wird das Gefühl nicht los, wenn jetzt etwas Dummes passiert, hocke ich hier mitten im Nirgendwo und komme die nächsten sieben Jahre nicht mehr fort. Dieses Mittwoch-Gefühl ist der Grund, warum die Leute ausgehungert am Donnerstag schon wie die Wilden herum baggern.

      Mittwoch, das ist aber auch der Tag vor dem Donnerstag, und Donnerstag kommen die neuen Filme ins Kino. Also kommt noch die Angst dazu, dass der Film vielleicht abgesetzt wird, den man unbedingt noch sehen wollte. Diese Kombination habe ich dann gemacht, der „schlechter Film“-Mittwoch wird zum Film-Mittwoch.

      Kino. Kino, das sind große Bilder, große Emotionen, ganz große Entscheidungen. Kino ist „Casablanca“, King Kong oder Hannibal Lecter oder der ultimative Kuss im Regen am Ende einer Liebeskomödie. Der Siegeszug des Kinos, der Filme allgemein, hat meiner Meinung nach seinen Grund im Siegeszug des Fließbands. Öde Arbeit gegen Unterhaltsamkeit.

      Nach dem Essen also ins Kino, und da sah ich sie. An der Schlange vor der Kasse hätte ich sie dann ansprechen können, habe ich aber nicht. Ich sah immer nur ihren Nacken. Hab sie dann verloren und bin ins Kino rein. Und freute mich auf den Film und das große Sich-Verlieren in der Spannung, und das alles passiert, wenn es dunkel wird. Und da sah ich sie wieder. Ich konnte nur ihren wunderschönen Nacken betrachten. In der Reihe vor mir hatte ein Pärchen angefangen zu fummeln. Naja, und diese aufgeheizte Situation rechts vorne und sie links davon, ich wurde fast wahnsinnig.

      Den Nacken betrachten, das ist das Symbol für den Schüchternen. Der sich nicht traut, vor die Frau zu treten, ihr ins Gesicht zu sehen. Nacken betrachten ist der Blick des Feiglings. Aber nicht nur. Denn mit das Schönste am Nackenblick ist der, dass er unverstellt ist. Die Frau verstellt sich nicht und man kann ihr Körpergefühl am Nackenblick erkennen. Sind es eher plötzliche, ungelenke Bewegungen? Oder ist da eine Feinheit, eine Zartfühligkeit, sind das gleitende Bewegungen? Wenn man den voyeuristischen Blick vertieft, ist der Nacken rasiert? Wenn sie lange Haare hat, dann kann man an der Art, wie sie ab und zu die Haare zurückwirft das Gleiche erkennen. Wie sie sich durch die Haare fährt. Oder wie sie sich das Oberteil zurechtrückt. Wie die Haltung ist, wenn sie vielleicht ihre Arme vorne verschränkt. Man erhält einen unverstellten Blick auf ihre Neugier – was erregt sie, wie reagiert sie darauf – wenn sie zur Seite schaut, weil etwas ihre Aufmerksamkeit erregt hat.

      Und dann passierte das, weswegen ich eigentlich ins Kino gekommen war: der Film packte mich. Ich war wie benebelt, weil sie sich doch ebenfalls diesen Film ausgesucht hatte – und was für ein Film! Ich war gleich doppelt verliebt, in ihren Geschmack und in ihren Nacken.

      Für mich war das ein Wunder, das Wunder im Kino. Ja, Zyniker werden sagen, sie haben noch ganz andere Frauen NICHT gekriegt und dass es manchmal normal ist, dass man sich in jede verliebt, die den Weg entlang kommt. Aber ich denke, das ist ein Wunder.

      Ich habe, als die Lichter wieder angingen, mit dem Handy ein Foto geschossen, von ihrem Nacken. Ich entschuldige mich dafür, aber vom Nacken kann man ja kaum auf die Person schließen. Was die Pointe ist für das, was im Folgenden passieren sollte. Das habe ich dann in meiner Arbeit auf den PC hochgeladen und es immer wieder angesehen. Und dann mailt ein Kerl aus der EDV-Abteilung mein Nacken-Foto an alle im Haus, an mehr als fünftausend Mitarbeiter, mit der Frage: Wer kennt diesen Nacken?

      Ich bin der Gag der Woche. Ich bin im Eimer. Ich bin inmitten eines schlechten Films