mein Kommen in die Kneipe bei Hannah bereits am Nachmittag angekündigt, ich hielt das Speiseeis in der Tasche umklammert, während ich mit dem Plastiklöffelchen spielte. Als ich am Eingang plötzlich meine Exfreundin Andrea anstarrte.
Nun ja, ich habe es versucht, aber die Andrea, die ich jetzt in den Armen hielt, bestand selbst nach drei Wangenküssen und zwei In-die-Luft-Hebern darauf, Gudrun zu heißen. Ich ging zum Tresen weiter, ich versuchte, mich die restlichen zwei Meter über zu normalisieren, da stürmte auch schon eine Frau mit einem breiten Lächeln auf mich zu, klopfte mir auf die Schulter und verkündete hoch erfreut, dass sie sich tierisch freue, mich zu sehen und dass ich sie doch habe anrufen sollen, ich Schelm.
Ich bin die Katrin, sagte sie und als wir uns die Hände schüttelten, sollte ich noch mehr stutzen, denn da kam Hannah, die mir mit einem „Du Schuft“ ein Glas Wasser über den Kopf schüttete, ehe sie wieder hinter dem Tresen ging. Das ist einer der Momente, da hätte ich gern ein Foto von meinem Gesichtsausdruck. Die Frauen lachten laut los, was mein Verdutzen noch verstärkte und dann sagte ich zu Hannah, dass sie mir glauben müsse, zwischen uns sei nie etwas gelaufen. Ich kannte Katrin bis heute gar nicht, sagte ich eilig. Und dass sie die Einzige wäre, die ich haben wolle.
Schlagartig hörten beide auf zu lachen, Hannah schaute mich überrascht und ernst an und sagte, dass sie einen Freund hätte. Katrin störte eilig die Schweigepause und klärte mich auf, Hannah habe ihr erzählt, dass ich eine Wohnung suche und nun wollte sie mich kennen lernen, da sie einen Mitbewohner suche. Sie hätten sich gerade über Männer unterhalten und über Sachen, die selten vorkommen, als ich hereinkam und die falsche Andrea umarmte. Das habe sie total albern gefunden und sogleich beschlossen, mich so auf die Probe zu stellen, ob wir zusammenpassen würden.
In diesem Moment sieht sie zu ihrer Hose herunter. Ich tue das gleiche und entdecke, dass die Umarmungen das Eis zerdrückt haben, Katrin fragt, was das sei und ich antworte niedergeschlagen, es sei Erdbeereis. Hannah kommt zum Tisch, sie legt mir ein Bier hin und lächelt mich an, das sei ausgegeben.
(3) Dürer, die Socken und das Provinzieren
Ich habe Hannah in einer Bar kennen gelernt. Ich hatte ein paar Ideen von T-Shirts ersonnen, die auf Vorder- und Rückseite bedruckt waren, ihr davon erzählt, und zwar bei einer After-Hour, also nach Dienstschluss. Sie war begeistert gewesen und wir verabredeten wir uns zu einem Kneipenbesuch. Und dann wollte sie, dass ich ihr ein paar Wortspiele erzähle, einfach so, aus dem Stand. Aber mir fiel keines ein. Sie war enttäuscht und als wir uns verabschiedeten, stand da immer noch etwas zwischen uns; der Funke war nicht wirklich übergesprungen. Aufgeben aber wollte ich auch nicht gleich.
Ständig schwirrte mir im Kopf herum, dass sie davon gesprochen hatte, wie sehr sie Socken mochte. Das fand ich süß. Und um sie weiter zu begeistern, insbesondere mit meiner Kreativität, beschloss ich, ihr Socken-Comics zu malen.
Da war zum Beispiel die Sportsocke, eine vitale Natur. Dann die Seidensocke, das sollte natürlich ein Mädchen sein. Daneben die modische und stilvolle Herrensocke und die Polyestersocke, die weltoffen und weitgereist sein sollte, so der Typ Bogart-Socke, auch weil sie gelegentlich zwielichtige Jobs machte. Es waren eben Socken mit Persönlichkeit. Natürlich gab es auch ein Zwillingspärchen, die Comic-Socken, die gleichsam eine innere Klammer bildeten, den Comic im Comic. Das Ganze erzählte ich am "Dürer" einer guten Bekannten.
Der "Dürer" in Nürnberg ist nicht der Albrecht-Dürer-Platz. Und warum der richtige Dürer-Platz vom Dürer-Haus nicht einsehbar ist, ist mir ein Rätsel. Der "Dürer" also war ein beliebter Treffpunkt im Sommer, oberhalb des Dürer-Hauses. Man saß da herum, trank Bier und ab und zu geschah auch etwas.
Und so geriet ich, weil ich eines Tages zu früh am "Dürer" war, zum ersten Mal ins Albrecht-Dürer-Haus. Außerdem fühlte ich mich bereit, etwas übers Zeichnen zu lernen. Wenn man unter anderem Möchtegern-Spielerfinder ist, ist das nie schlecht. Fasziniert hat mich an Dürer sofort sein verspieltes Wesen. Er neigte dazu, sehr viel in seine Werke hineinzulegen und auch von Bildwitz verstand er sehr viel. Im Bild von "Hieronymus im Gehäuse" hat er zum Beispiel seine Initialen in einen Rahmen geschrieben, der am Boden liegt. Das Bild im Rahmen des Bildes, so verstehe ich das, das war er. Oder man betrachte die Anordnung vorne, ganz rechts der zahme Löwe, daneben in fallender Bedeutung, der Hund, und links daneben noch die Hausschuhe, das Symbol der häuslichen Gemütlichkeit schlechthin.
Geknickt trat ich wieder ins Freie. Dort drinnen war so viel, und ich war so wenig dagegen. Ich trank mit der besagten Bekannten Katrin ein paar Bier. Dann trollte ich mich nach Hause. Ich hatte da auch gleich meine ersten Ideen fürs Socken-Comic. Im ersten Entwurf band sich die Sportsocke mit einer Laufmasche von ihr an den Pfosten einer Brücke und wollte Bungee-Springen. Im zweiten Bild sprang sie, stellte aber fest, dass sie logischerweise aufdröselte. Und im dritten Bild hing nur noch ein schlaffer Faden an der Brücke. Die Socke hatte sich aufgelöst.
Im zweiten Comic besuchen die edle aber etwas eingebildete Herrensocke und die Damensocke gemeinsam ein Museum, natürlich das Museum der berühmten Socken. Im ersten Bild stehen sie vor der Socke, die Edmund Hilary getragen hat, als er den Mount Everest erstmals bestiegen hat. Sie ist so plastisch abgebildet, dass man den vereisten Mief sehen kann. Das zweite Bild zeigt die Socke, die Armstrong auf dem Mond getragen hat. Sie schwebt einfach so im Raum neben den Stars-and-Stripes. Dann gehen sie zum dritten Bild. Das zeigt wiederum die erste Socke, diesmal auf dem Mars. Erst als sie direkt davor stehen, entdecken die zwei, dass es sich dabei um die Polyester-Socke handelt und sie fragen: Na, ist das jetzt dein neuer Nebenjob? Aber die Polyester-Socke verharrt schweigend in ihrer Pose. ... Macht nur "Pssst!"
Dann hatte ich die beiden Serien per Post an Hanna geschickt und auf Antwort gewartet. Derweil ging ich wieder hoch zum "Dürer", wo ich wieder meine gute Bekannte Katrin traf. Sie fand weder die Idee der Socken-Comics an sich gut, noch deren Ausführung sonderlich bemerkenswert.
Ich geriet in Zweifel. Und hatte sogleich eine neue Idee, ich sollte eine Kolumne schreiben, ich habe doch so gute Ideen. Damit würde ich mich bewerben, bei einer Zeitung.
Und so kam ich auf die Idee, die da hieß, “Die Stadt an der Nürn”. Man muss wissen, Nürnberg ist die Stadt, in der ich wohne, aber Nürn ist kein Ort hier per se. “Nürn” ist nur der eingeschliffene Name für “nor”, was “steiniger Fels” heißt. Und der Fluss heißt ganz anders, es ist die Pegnitz. Ich schrieb also die Probe-Kolumne und gab sie wieder Katrin zum Testlesen, wieder am “Dürer”. Es war ein Text, der im Grunde darum ging, dass ein Freund in der Altstadt einen Stand hatte mit Nippes, Hüte, Lederwaren, Geschenkbändschen und so Zeugs halt, für die Touristen.
Und wann immer die Touristen kamen und fragten, wie der Fluss heißt, dann sagte er immer, das sei die Nürn. Und es sei Tradition, dass man hineinspuckt und dabei sagt: “Ab nach Fürth”, denn dahin fließt die Pegnitz.
Und auch diese Idee fand Katrin nicht sonderlich.
Es folgte eine kurze Phase voller Selbstzweifel. Ich wünschte, ich wäre ein Ozean. Aber ich bin ein kleiner Tümpel, der hineingeworfene Stein beschäftigt die Oberfläche noch eine viel zu lange Weile und schlägt seine Wellen sogar in die Tiefe. Noch Tage nach einem Vorfall spiele ich die Situation durch und versuche, meine Wunden durch schlagfertige Reaktionen zu heilen, aber die Worte gesprochen vom eigenen Mund trösten nur selten. Es wurde Zeit für grundsätzliche Weichenstellungen; ich meldete mich zu einem Samstags-Ganztags-Psycho-Seminar an, es hieß: "Winde Ableiten - Wie ein Schiff vorankommt hängt nicht davon ab, wie der Wind steht, sondern wie die Segeln gesetzt sind. An einem Tag lernen mit Stresssituationen in Mehrpersonenbeziehungen umzugehen. Mit Geld-Zurück-Garantie." Ich überwies die stattliche Summe, füllte den ziemlich umfangreichen Fragebogen aus und ging eine Woche später, es war ein Samstag, hin.
Es ging zeitig los und meine Zuversicht glich einem Ozean. Der Seminarleiter mit der roten Kunststoffdesignerbrille und dem wallenden schulterlangen grauen Haar hätte ich Gartentipps genauso zugetraut wie Kernphysik, und er bewegte sich so schnell wie eine Stubenfliege, wie um ja nicht ertappt zu werden; der versteckte irgendwas.
"Kernaussage