ich hasse das Rauchen, aber wann immer ich aufhören will, fragt mich Bogart, was willst du dann in diesen Situationen machen, die Gott zwischen Mann und Frau hinein GEPFROPFT hat, in denen man einfach trinken und rauchen muss – oder irgendwas.
Mist! Ich hätte damals Popcorn kaufen sollen und mich wie zufällig zu ihr setzen, ihr davon anbieten. Warum fallen einem die guten Ideen immer erst hinterher ein? Warum? Ich hätte im Büro sagen sollen, ich betrachte lieber Nacken, weil ein weibliches Gesicht nur lächelnd wirklich schön ist. Einmal Bogie sein, einmal nur schlagfertig. Einmal King Kong sein, nur einmal ein richtiger Mann.
Und dann bin ich wieder in dieses Restaurant, ich hatte mal wieder Kinoabend gemacht, und da stand sie. Sie war hier Bedienung, ich fragte, wo die andere sei und sie antwortete, sie musste einspringen. Ich war ganz begeistert, trank mehr Bier als üblich, ich wartete und es wurde später und später. Bei dem vierten Bier fiel mir auf, dass der voyeuristische Blick auf eine Bedienung ähnlich der auf dem Nacken ist. Nur mit dem Unterschied, dass die Frau im Restaurant das weiß. Der Nackenblick ist von daher unfairer. Auch weil der Blick auf die Vorderseite in ihrer Kontrolle liegt, sie kann den Anblick selber prüfen und gestalten. Der Blick auf den Rücken gar, wird von Modemachern bislang nur sehr stiefmütterlich behandelt, allenfalls ein paar T-Shirts gibt es, wie der mit der Vorderseite: „Jesus loves you“ und dann auf der Rückseite „But for everybody else you’re an asshole.“ Was den Hinterrücks-Gedanken auf die Spitze treibt. Beim fünften Bier überlegte ich mir Sprüche für T-Shirts. Vorderseite ein Bandname, vielleicht Linkin Park. Und auf der Rückseite: „That’s a band. Music, you understand?“ Oder auch Vorderseite: „Das ist die Rückseite des T-Shirts“ und die Rückseite: „Der Morgen war net so toll.“ Vielleicht noch Vorderseite: „Party hard“, Rückseite: „Morning hard“.
Oder für die Leute, die von hinten einen zuerst sehen. Rückseite: „Ich habe es mir verdient, vor dir zu sein.“ Und dann die Vorderseite: „Ich kann es mir auch leisten, dich vorzulassen.“ Oder für Frauen, Rückseite: „Erinnere dich, mir zuerst in die Augen zu sehen.“ Und dann Vorderseite: „So vergesslich?“
So verging der Abend und ich hatte etwas Beschäftigung gefunden, um nicht zu viel zu trinken. Bis wir dann alleine waren und sie legte schließlich Salsa-Musik auf und ich, heiter von dem Bier, ging mit dem Kopf immer wieder mit. Und dann lächelte sie mich an. Ich bin, einem inneren Impuls folgend, sofort aufgestanden und bin zu ihr und habe sie zum Tanz aufgefordert, ich kannte zufällig ein paar Schritte. Und da haben wir auf den kleinen paar Quadratmetern Salsa getanzt, zwei Lieder lang. Und am Ende des Salsas, ich hatte bereits gezahlt, habe ich mich bedankt und bin zur Tür hinaus nach Hause.
Und zwar ganz beglückt, denn für mich ist das ein Wunder gewesen, das Wunder in der Fürther Straße. Es wird sich sicher jemand finden, der sagt, dass die Bedienung an jenem Abend wohl einfach für den nächsten Salsa-Tanzkurstermin üben wollte und sicher ihr Tanzpartner krank war, was im Nachhinein richtig ist. Aber für mich ist das ein Wunder.
Es ist wie mit den zwei Weingläsern. Die Sache ist die, dass wenn man zwei Gläser Wein hat, einen Rotwein und einen Weißwein mit genau der gleichen Menge Inhalt. Und wenn man nun von, sagen wir, Rotwein eine bestimmte Menge, in das Weißweinglas gibt und umrührt, dann ergibt das eine bestimmte Rosemischung. Und wenn man nun von dieser Rosemischung nun genau die gleiche Menge wie zuvor in das Rotweinglas zurückkippt, dann stellt sich die Frage, von welchem Wein ist in welchem Glas mehr drin. Ist mehr Rotwein in dem Weißweinglas drin oder mehr Weißwein in dem Rotweinglas? Die Antwort ist, genau die gleiche Mischung. Es ist genauso viel Weißwein im Rotweinglas, wie Rotwein im Weißweinglas. Das ist ein Mischungsgesetz, wird einer von euch sagen. Aber für mich ist das ein Wunder.
Denn ich denke, das alles sind Wunder. Ich bin halt mehr der Typ, der sagt, das sind Wunder. Und ich denke, dass solche Wunder überall passieren und dass sie das Leben schöner machen, wenn man sie denn als solche wahrnimmt.
So habe ich Hannah kennen gelernt.
(2) Hannah
Das Leben ist der Ernstfall, sagt man. Jeder Tag sei wertvoll, jede Sekunde hätte das Potenzial zu einer großen Stunde. Das hört sich gut an, hat nur einen Haken, für die meisten Tage trifft es schlicht nicht zu. Ich sitze in einer Bar, ich habe mich in die Bedienung namens Hannah verguckt und rein theoretisch könnte heute der Wendepunkt sein, aber weil ich außer dem „Hallo“ nichts sage, stehen die Chancen schlecht. Wir haben einen guten Anfang gehabt, aber der ist abgeflacht, besser: ich habe ihn abflachen lassen.
Ich glaube, im Leben gibt es nur zwei Arten von Liebesgeschichten. Diejenigen, bei denen man auf dem Sterbebett denkt, die Geschichte war ein Fehler. Und die, bei denen man denkt, nicht mehr daraus gemacht zu haben war der Fehler. Ich muss an einen Freund denken, der vor einer Prüfung an seinem Schreibtisch Zettel angebracht hatte in der Art von: „Du schaffst es!“ und „Lernen ist die Erfolgsformel jeder Prüfung!“ und er beklagte sich, dass ein Zettel fehlte, der mit der Aufschrift: „Fang endlich an!“
Es fing vor zwei Monaten an, ich habe einer Frau, deren Foto ich auf einer Partnervermittlungsseite im Internet gesehen habe, eine Mail geschrieben, sie indes hat nicht geantwortet. Vor einem Monat dann ging mein Computer kaputt und ich vermisste meine Musik, meine Geschichten, meine Emails, ich vermisste mein Leben. Wenn dein Leben weg ist, suche dir ein Neues also ging ich ins Restaurant und da kam die Geschichte ins Rollen. Tausend Sonnen gingen auf, tausend Stürme erstarben, tausend Blumen sprossen, tausend Tauben flogen auf, tausend Herzen lächelten, ich war überwältigt von fünftausend Gründen, die Klappe zu halten. Aber auch jetzt war es nicht besser, denn was sollte ich groß sagen? Was ist ein guter Anmachspruch für eine Bedienung? Darf ich mal dein Tablett tragen?
Als ich am nächsten Tag einen neuen Computer hatte, war er mir völlig gleich.
Mittlerweile haben wir schon geredet und ich weiß viel und nichts über sie, aber ganz sicher weiß ich, dass es mir gefallen würde, um die vier Mal die Woche ihr Lächeln zu sehen. Und noch eines weiß ich, es würde mir gefallen, jeden Mittwoch in der Kneipe darauf zu warten, dass sie mit dem Arbeiten fertig ist.
Ein Mann spricht mich an und fragt, warum ich die Bedienung anstarre. Ich habe keine Freundin, antworte ich. Wie lange, fragt er. Zwei Jahre. Dummkopf, sagt er, pass bloß auf, dass dir Hannah nicht zum Füllwort für deine unerfüllten Wünsche wird. Ich nicke, und wieso Dummkopf? Weil du aus Dummheit auf die schönen Seiten von Beziehungen verzichtest. Mich hat keine genommen, sage ich. Und wie viele hast du nicht genommen, fragt er. Was? Meine Exfreundin hat mir etwas beigebracht, sagt er, sie nahm immer den besten, der sich für sie interessiert hat. Und was ist der beste, frage ich. Der Versuch, mich in ein philosophisches Gespräch zu verwickeln klappt nicht, beschied er mir. Du sollst dich lediglich an deinem realistischen Marktwert orientieren, nicht an Hätte-gern-Puzzle-Frauen. Frauen kann man nicht backen, aber lieben kann man sie schon, wird er nun doch philosophisch. Die Bedienung ist reine Wunschprojektion. Du bist der Eingeborene, der über ihre kleinen Gaben, ihren Glasperlen, furchtbar in Aufregung gerät und es wird der Anfang einer Eroberung sein, die in Armut und Depression endet.
Sag mir, sagte er, bist du depressiv über diese Geschichte. Ich schluckte trocken und er wandte sich ab. Und dann dreht er sich noch einmal um und sagte: ich hatte große Probleme, weil ich meine Idealfrau gesucht habe für den, der ich hätte sein wollen. Jetzt habe ich die Frau für den, der ich wirklich realistisch geworden bin.
Er geht und ich überlege. Es ist nicht nur ihr atemberaubendes Aussehen. Es sind die Zwischentöne, die ein Kunststück schreiben; es sind die Untertöne, die ein Meisterwerk vollbringen. Hannah ist am meisten Hannah, wenn sie nicht funktioniert. Es ist ihr stummes Fluchen, wenn die Gäste im Weg stehen, das mich an ihr fasziniert. Hannah, würde ich dein Bier erkennen, wenn man mir während eines Stromausfalls drei frisch Gezapfte hinstellen würde? Wenn man mir drei Schmerzmittel hinstellen würde, würde ich Hannah Plus C erkennen? Die Antwort ist Ja. Denn ja, ich habe im letzten Monat drei Frauen kennen gelernt und ja, Hannah, bei Stromausfall bist du mein Schmerzmittel