Paul Stefan Wolff

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provinziert, bleiben Sie ruhig." Und er grinste breit in die Runde.

      Wir, das heißt alle vier Teilnehmer und der Leiter, gingen in ein Zimmer, in dem auf dem Boden lauter Bierdosen lagen und er sagte dazu: "Das ist die Ausbeute eines Pfanddosensammlers an einem Wochenende vor einer einzigen Großraumdiscothek. Eine Pfanddose sind 25 Cent, 42 Dosen sind 10 Euro 50. Das sind 550 Euro im Jahr. Es ist kein leichtes Los, aber davon kann man auch in Urlaub fahren. So ist es mit dem Glück auch: es liegt überall und es kann ein großer Polster werden, wir müssen uns nur bücken. Ich sage Ihnen eines: Werden Sie Pfanddosensammler des Glücks! Wer glücklich ist, der lässt sich nicht so leicht provinzieren! Ich wiederhole: werden Sie Pfanddosencorrektor des Glücks!" Und wieder grinste er breit.

      Es war nur ein kleiner Stein und ich zwang mich zur Ruhe und das köstliche Mittagessen glättete die Wogen. Links neben mir aß ein Managertyp mit einer teuren Uhr an der Hand und hackte Befehle in sein Blackberry, rechts saß eine Frau, die permanent mit ihrem Mann telefonierte und ihm per Handy Ortsanweisungen bezüglich seines Essens und das seiner Kleider durchgab und mit gegenüber schließlich eine kugelige Mischung aus Schnupfen und Feinmotorikstörung, den ich beinahe mit "Heh, Internet" angesprochen hätte, als ich das Salz wollte, so sehr war er der Programmierer, als der er sich vorgestellt hatte; kurz, niemand zum Reden da; nichts konnte den Abfluss aus dem Ozean stoppen.

      Für den frühen Nachmittag stand ein Spiel auf dem Plan. Die Frau war schon gegangen und hatte ihr Geld mitgenommen, angeblich weil der Mann das Essen nicht aufwärmen konnte. Ich aber lachte innerlich, es war sicher der andere Grund.

      Es gab einen Stab, der auf alle sechs Hände, wir waren quer gegenüber aufgestellt, unten auf den Handflächen ruhen sollte, und dabei darauf achtend, dass man immer in Kontakt zum Stab bleibt, ihn gemeinsam so hoch wie nur möglich zu heben. Innerlich betete ich darum, dass der Seminarleiter bloß nichts sagen sollte und wenn, dann aber schon gar nichts erklären, aber vergeblich. Denn die Wirkung einer solchen Aufgabe ist die, dass der Stab immer weiter sinkt und so ging es weiter:

      "Wenn jeder nur versucht, die Ebene, also das NiQuh zu halten, wird es immer weiter sinken. Bleiben Sie standhaft, auf alle Fälle - und streben Sie nach Höherem! Wenn Sie jemand provinzieren will, will er sie klein halten und an ihre Grenzen führen. Er will die Befriedigung, dass Sie ausrasten. Tun Sie ihm den Gefallen nicht, bewahren Sie die Achtung vor sich selbst, den Restrikt." Und wieder grinste er breit bis über beide Ohren. Und ich spürte, wie aus dem Ozean ein Tümpel geworden war.

      Der frühe Nachmittag sollte durch einen Spaziergang in der Fußgängerzone ausgefüllt werden. Der Manager war auch schon weg, ein überraschender Termin, sagte er. Ich ahnte es besser.

      "Sie gehen jetzt von hier los", der Seminarleiter deutete auf einen Punkt, "und zählen ihre Schritte bis zehn. Und nach dem zehnten, also wenn elf kommt, springen Sie in die Luft und rufen so laut sie können: Kikeriki! Es wird nicht leicht, es ist wie eine rote Linie; sie macht einem Angst, aber wenn man sie erstmal durchschritten hat, werden Sie sich sagen, das war gar nicht so schwer. So ist vieles im Leben, einfach die im Geiste eingebildete, die imarginäre Grenze ohne zu Fragen durchschreiten, also parlieren und Sie werden sehen, sie war tatsächlich nie da, sie war nie rectal. Wenn Sie jemand provinzieren will, will er, dass Sie klein bleiben. Tun Sie es nicht, sie sind bereits über die rote Linie hin zum Friedlichen gegangen." Und abermals grinste er breit und nickte bedächtig dabei.

      Die rote Linie zu durchschreiten war nicht schwer, allerdings rollte sich in mir ein Stein wie ein Schneeball immer größer auf und ich hatte zunehmend Schwierigkeiten, mich zu beherrschen.

      Am frühen Abend stand Kartenhausbau auf dem Plan. Mit der für wirklich jedermann offensichtlich fadenscheinigen Ausrede, er müsse eine Homepage aktualisieren, war auch Internet gegangen und ich wartete darauf, dass Dr. Gartenbau-Kernphysik anfangen würde zu heulen, aber da war gar kein Unterschied zu erkennen.

      "Kartenhäuser gelten als unsicher, als insteril", er begutachtete meines mit einem breiten Lächeln. "Aber wenn man die beiden gedruckten Blätter, aus denen die Karten bestehen und normalerweise geklebt sind, an den Rändern etwas auseinanderdrückt, dann stellt sich heraus, dass die Konstruktion auf einmal sehr steril sein kann und einiges aushält. Wenn eine Provinziation von oben auf das Kontrakt drückt, hält die sterile Struktur das aus."

      Es reichte jetzt endgültig.

      "Hören Sie mal", fing ich an, "es heißt nicht provinzieren, es heißt provozieren. Provinz ist eine Art Gebiet. Es heißt nicht correktor des Glücks sondern Kollektor. Correktor ist eine Art Verbesserer, meist irgendwas mit Schriftstücke. NiQuh gibt es nicht, es heißt Niveau, Herrgott nochmal! Restrikt ist auch falsch gibt es so gar nicht! Respekt ist das Wort, das Sie verwenden wollten! Restriktion heißt Beschränkung! Die Grenze ist nicht imarginär, wenn Sie nur im Kopf existiert, sondern imAAHginär, ohne R! Rectal verrate ich Ihnen nicht, das Treffende heißt indes REAL. Insteril heißt unsauber, wenn die Konstruktion so überhaupt richtig ist, unsicher heißt inSTAbil. Und schließlich: Kontrakt ist ein Vertrag, ein Gebilde wird auch KONSTRUKT genannt! Sie sind absolut unfähig und vor allem unfähig zu erkennen, dass alle das klar sehen können und schon gegangen sind. Wie kann es Gerechtigkeit geben auf der Welt, wenn Sie von ihrem Job Leben können?? Welche Bildung haben Sie denn überhaupt?!"

      Es ist unschwer zu erkennen, dass der große Stein von meinem Herzen in den Tümpel gefallen war und alles Wasser weggespritzt hatte.

      - Aber er grinste immer noch. Er ging zu seinem Bürotisch und holte einen Packen Blätter hervor, den ich als meine detaillierten Angaben erkannte.

      "Ich bin Diplom-Psychologe", er lächelte. "Aber es ist irrelevant, was ich bin, sondern es ist vielmehr memorabil, was sie sind. Sie glauben, sie sind zielsicher, aber ihre Sprüche sind sehr oft nur verletzend und salopp. Sie sind nicht akkurat, sie sind einfach nur rechthaberisch und lassen sich zu leicht provozieren. Die anderen beiden Herren und die Dame waren bezahlte Schauspieler, ich mache nur Einzelberatungen! Und sie hören gar nicht richtig zu! Den ganzen Tag versuche ich Ihnen nahe zu bringen, dass sich Größe zeigen lohnt; sie aber tun die ganze Zeit nichts, als sich auf ihre kleine Insel zurückzuziehen um mir zu beweisen, dass sie besser sind. Wenn es sie denn so sehr gestört hat, warum haben sie mich nicht vorsichtig beiseite genommen und mich darauf aufmerksam gemacht? Sie sind nicht an Konflikt-LÖSUNG interessiert, sie wollen ihn um jeden Preis gewinnen; still sammeln sie Waffen und hoffen auf die günstige Gelegenheit. Und falls das nicht funktioniert, rotieren sie um ihr kleines Problemchen bis zum jüngsten Tag. Sie könnten die ganze Welt sein, statt dessen lassen sie sich im wahrsten Sinne des Wortes provinzieren, zu einem kleinen Landstrich degradieren..."

      Nein, ich habe mein Geld nicht zurückverlangt. Natürlich nicht.

      Ich habe die Comics Hannah gegeben und die Story von der Nürn auch. Ich hätte auf Katrin hören sollen, der Erfolg hielt sich in Grenzen. Und ich habe daraufhin die Idee mit den Socken-Comics speziell und dem Zeichnen allgemein begraben und ihnen nie mehr eine Träne nachgeweint. Dafür aber Hannah. Denn nun war der Anfangs-Schwung weg und sie hatte sich nicht verliebt.

      (4) Gozo

      Für alle, die es interessiert, Gozo ist die Schwesterinsel von Malta. Für alle, die es interessiert, ich fuhr hin mit der Frau, die ich liebe, Hannah. Zu meinem Bedauern liebt sie einen anderen, den sie nicht kriegt. Zu meinem Bedauern sehr. Für alle, die es interessiert, auch mich liebt eine Frau sehr, Katrin, zum meinem Bedauern hilft das kein bisschen. Katrin ist sogar meine Mitbewohnerin in der WG.

      Im Flugzeug musste ich über Gott philosophieren. Wenn man sich in 10 Kilometern Höhe befindet, kommt einem alles unten nichtig und klein vor. Aus dieser Höhe kann ich verstehen, dass Gott ein liebender Gott ist, weil von hier oben alles winzig klein aussieht. Ich meine, es könnte doch sein, dass es lediglich eine Sache der Höhe des Wohnortes ist und zwar die spezifische Entfernung zur Erde. Meine Theorie bestätigt sich, als wir die Alpen überfliegen sind die Bergspitzen meinem Auge viel näher und ich kehre wieder zum Realismus zurück. Den italienischen Stiefel kann man aus 10 Kilometern Höhe in voller Breite sehen und ich finde alles da unten wieder unbedeutend. Das Essen wird serviert und