Paul Stefan Wolff

Einzelbilder werden zum Mosaik


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Hier drin lächelt man sogar beim Anblick des Gehaltszettels; ich möchte Petrus’ Urteil über mein Leben in einem Jacuzzi übermittelt bekommen, die Lungenkrebsdiagnose sowieso.

      Ich muss an Katrin denken, die mich liebt. Das tut sie schon seit Längerem, gesagt hat sie es mir vor einer Woche. Ich habe versucht, es ihr auszutreiben, ihr Dinge von mir erzählt, die Frauen nicht mögen. Sie antwortete: „Ich will dich nicht verändern, nur lieben.“

      Als ich zurückkomme, ist Hannah schon da, sie erzählt begeistert vom Tauchlehrer und dann gehen wir essen. Wir essen jetzt zum dritten Mal in Folge Spaghetti Gozitana, diesmal wieder bei dem ersten Restaurant; hier schmecken sie am Besten. Kapern, Oliven und noch mehr. Hannah träufelt noch etwas fein geriebenen Ingwer drauf. Ich könnte glatt aufstehen, zum Koch laufen und ihn bitten, mir das Rezept zu geben, dafür würde ich jegliche Moral und Neigung ignorieren. Man möge mich nicht falsch verstehen, aber sie schmecken hier so gut, dass sie einen in eine andere sinnliche Dimension katapultieren.

      Ich sehe mir den Ober an und hierbei insbesondere seinen Minihintern. Also, das werde ich an Frauen nie verstehen, wie kann man so was nur schön finden? Ich weiß, die meisten Frauen haben ein Problem damit, aber ich möchte hiermit eine Hymne auf das weibliche Becken intonieren. Frau muss in der Mitte wie Frau aussehen. Punktum. Ich habe das Foto der Frau, die mich liebt und ihr Foto ein paar Freunden gezeigt und alle sagten, dass jene, die in mich verliebt ist, schöner sei. Frauen und Männer und dann habe ich gefragt, warum. Und als Antwort kam – weil sie schlanker ist.

      Vierter Tag. Freitag. Immer noch grauenhaft geschlafen. Geträumt habe ich, dass ich mit den Peanuts auf einem Piratenschiff war. Als Flagge dient Schröders Schmusedecke, der verzweifelt versucht, eine fürchterlich keifende geraubte Prinzessin, gespielt von Lucie, in den Griff zu kriegen. Charlie Brown stand als einäugiger Kapitän hinter dem Steuerruder, auf seiner Schulter Woodstock, der Vogel von Snoopy, der selber kläffend hinter mir stand und mich auf die Planke drängte, damit ich ins Wasser springe.

      Heute bekämpfe ich das Rauchen mit Schokolade. Vollherb, mit ganz viel Kakao. Soll glücklich machen. Jede Nation, die etwas auf sich hält, hat ihre eigenen Süßigkeiten und ihren eigenen Alkohol. Frustwegpuster halt. Wenn Frauen Kummer haben, essen sie Süßes, Männer trinken Alkohol. Heute habe ich das „Sorry“ abgestellt, wenn ich jemanden anspreche, es heißt nämlich „Excuse me“. Sorry heißt nicht „Entschuldigung“, es heißt „Es tut mir leid“. Sprache, denke ich mir, während ich frühstücke. Das Mobiltelefon wird nur in Deutschland Handy genannt, in England heißt es „Mobile“ oder Amerikanisch „Cellphone“, kurz „Celly“. Die Malteser haben eine eigene Sprache, eine Mischung aus Italienisch und Arabisch. Aber die Zahlen sprechen sie Englisch aus. Hat sich wegen der Touristen eingebürgert. Wie die Griechen, die den Sirtaki aus dem Film „Alexis Sorbas“ übernommen haben, einfach so, für die Touristen. Der Tanz wurde extra für den Film erfunden und die Griechen haben sich gedacht; naja, wenn das Touris bringt, warum nicht?!

      Die Alkohol-Spezialität hier ist Bier, nennt sich Cisk, sprich Tschisck, und schmeckt lecker; da merkt man die britische Kolonialzeit.

      Die Süßwaren-Spezialität auf Gozo ist Nougat, ähnlich dem türkischen Nougat, hier wird er in stattlichen 150-Gramm-Barren verkauft. Ich esse umso mehr, je mehr ich das Bedürfnis nach Nikotin verspüre, aber ich habe nur 2 gekauft und so muss ich auf Eis umsteigen, dass ich jetzt auf dem Weg zum Strand verputze. Am Ende sind es drei Eis und ich kriege Bauchschmerzen. Die Zigarette schmeckt nach Vanille.

      Am Abend waren wir essen, sie erzählte begeistert vom Tauchgebiet. Sie will mich für Scuba-Diving, das ist Tauchen im Pool, begeistern. Ich winke entschieden ab, da gäbe es nichts zu sehen. Ich gebe doch keine 25 Euro aus, um Kacheln zu sehen!

      Die Gozitanerinnen selber versprechen und halten nichts. Hier hat der Vatikan die Hand drauf; es ist hier absolut nicht üblich, vor der Verlobung sexuelle Aktivitäten das Jungfernhäutchen betreffend zu entwickeln.

      Die Männer auf Gozo reagieren auf die einheimischen Mädels dadurch, dass sie recht beachtliche Energien bezüglich den Touristinnen entwickeln. Nicht plump, eher äußerst bemühend. Wir sind in der Disco und sie ist gerade das Objekt der Begierde. Die Disco heißt „La Grotta“ befindet auf der anderen Seite der Insel, in Xlendi, sprich Schlendi, und liegt traumhaft an einer Felsbucht in selbstmordgefährlicher Höhe; der Innenbereich ist sogar in den Felsen gehauen. Die Örtlichkeit ist der Traum, was ich mir gerade anschauen muss, ist hingegen der Horror eines jeden Verliebten. Hera Lind in der Verfilmung eines japanischen Autorenfilmers mit Turkish Pop als musikalische Untermalung wäre leichter zu ertragen.

      Ich habe Phantasien, zu der brusthohen Begrenzung zu laufen und dann darüber hinaus elegant die Klippe herunter zu springen, aber es würde sowieso nicht klappen. Immer, wenn ich versuche, cool zu sein, geht das in die Hose. Womöglich ist dahinter noch nicht die Klippe und ich lande auf dem Felsen. Es gibt nichts Entwürdigenderes, als einen heroischen Liebeskummer-Selbstmord perfekt zu inszenieren, nur um hinterher von der Frau, wegen der man es tun wollte, seine Schürfwunden verarztet zu bekommen.

      Schließlich fahren wir zurück. Auf Gozo kostet jede Taxifahrt, egal wie weit, vier maltesische Lira; man kann übrigens auch Pfund sagen; was ziemlich genau 10 Euro sind; in der Nacht sind es jedoch fünf Pfund.

      Auf der Heimfahrt denke an Katrin. Sie hat gesagt, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man, als Mann oder als Frau, eher Sex als Liebe bekommt und dass das eine Herausforderung wäre. Eine Herausforderung wozu? Sich zu fragen, was wirklich wichtig ist. Sich zu fragen, was wirklich von Bedeutung ist. Ich weiß, sie bezieht das nicht auf das Vorangesagte und schweige. Sie schweigt auch. Reden kann man mit vielen, schweigen nur mit wenigen.

      Fünfter Tag. Samstag. Wieder mies geschlafen. Ich war Donald Duck auf einer Modenschau. Ich war Mannequin und musste die Kleider von Dagobert Duck auf dem Catwalk tragen, während Tick, Trick und Track Fotos schossen und Daisy mit Gustav Gans in der ersten Reihe wie im Kino wild rumknutschte. Und kaum komme ich nach hinten, schon werde ich von den Panzerknackern ausgezogen, Micky Maus zieht mir die neuen Kleider an, Daniel Düsentrieb korrigiert meinen Lidschatten, Goofy gibt mir einen Klaps auf den Hintern, während ich die ganze Zeit von Dagobert angemault werde, männlicher zu sein und dann wieder raus, wo ich zu der grauenhaften Szenerie vor mir lächeln muss. Und als ich mich auf dem Catwalk wieder umdrehe, sehe ich Klara, die Kuh, die mich mit der Stimme meiner Hausordnungs-Putzfrau fragt: „Wann werden Sie endlich den Mut haben, es ihr zu sagen?“

      Sie geht ein letztes Mal zum Tauchen; man darf 20 Stunden vor dem Fliegen nicht tauchen, der Stickstoff im Blut muss abgebaut werden.

      Das habe ich nun davon. Ich habe mir einen Sonnenbrand geholt, und zwar auf dem Kopf. Nein, ich habe seit 3 Jahren keinen Urlaub mehr in südlichen Ländern gemacht und ja, es war mir peinlich, die Glatze einzuschmieren. Ich betrachte gedanklich die Gozitaner und kann keinen entdecken, der mit Haarausfall zu kämpfen hat. Ist das die Ernährung oder sind das die Gene?

      Heute werde ich die Sucht mit Sport bekämpfen. Das Hotel hat ein eigenes Fitnesscenter und darin werde ich mich austoben. Davor gehe ich zum Supermarkt, der allen Ernstes Jumbo-Mini-Market heißt, obwohl er gerade mal 5 Meter breit und 10 Meter lang ist. Aber er führt 3 Sorten Seife, die gekonnt übereinander gestapelt sind, was dem vordergründigen Widerspruch eine Erklärung abringt. Er hat auch auf 30 Quadratzentimeter Fläche ganze sechs Sorten Cornflakes, Minipackungen, von jeder genau zwei. Ein Wunder an Wirtschaftlichkeit; neugierig schaue ich nach, ob man hier die Tampons oder die Taschentücher einzeln kauft. Ganz ehrlich, für solche Läden wird es verzwickt, wenn ein Hersteller auf die Idee kommt, eine Übergrößenpackung herauszugeben, so in der Art von „25% mehr zum gleichen Preis“. Dann hat ein Stapel Überhang und die gesamte Ordnung bricht zusammen.

      Ich kaufe Wasser und gehe ins Fitnesscenter. Welch eine Überraschung, es ist eng hier. Es ist gerade mal so groß wie mein Wohnzimmer. Das Fitnesscenter, das ich in Deutschland besuche, oder besser, wo ich eingeschrieben bin, ist so groß, dass ich auf dem Laufband meine Brille aufsetzen muss, um motiviert zu sein; hier sehe ich die Touristin mit den schönen leggingsgeformten Beinen auch ohne. Apropos Größe. Die Gozitaner sind in der allermeisten Fällen recht klein und leider machen