Fremdenführer hat, erweist sich als Vorteil, denn Max ist sofort umringt von laut gestikulierenden Jungs, welche sich ebenfalls als Führer anerbieten, es wäre unmöglich gewesen, ohne einen solchen zu den Pyramiden zu kommen. Aber das energische Einschreiten seiner beiden Freunde, gibt ihm die nötige Bewegungsfreiheit. So heftig um den Job gestritten wird, wenn einmal klargestellt ist, wer zu wem schaut, hat man seine Ruhe.
Nach einem kurzen Fussmarsch sieht Max endlich die Spitzen der drei Pyramiden auftauchen und kurze Zeit später, kann er sie in der vollen Grösse betrachten. Er ist überwältigt, wie es wohl jedem Besucher geht, wenn er das erste Mal vor diesen Riesen steht.
Seine beiden Führer zeigen sich von der besten Seite, sie sind echte Profis und es wird ihnen sogar gestattet, sich frei in der Pyramide zu bewegen, ohne dass sie sich einer Gruppe anschliessen müssen, ein grosser Unterschied ist es allerdings nicht, da doch dauernd Gruppen unterwegs sind.
Der ganze Tag ist geprägt von zahlreichen neuen Eindrücken. Am Abend geht es total erschöpft zurück ins Hotel. Aladin macht ihn darauf aufmerksam, dass man ihn heute Abend in der Strassenkneipe erwartet. Er soll schon zum Nachtessen kommen, denn der Wirt will ihm eine Mahlzeit offerieren.
Nachdem Max fünf Tage lang in Kairo von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit geführt wird, nimmt er sich vor, den heutigen Tag in aller Ruhe zu geniessen. Er fährt am Morgen nochmals zu den Pyramiden, mischt sich diesmal nicht in den Touristenstrom, sondern setzt sich etwa zweihundert Meter von den Pyramiden entfernt, auf einen Stein und denkt darüber nach, was er in dieser Woche alles gesehen hat. Auch heute kommen Mustafa und Aladin mit. Damit er seine Ruhe hat, hat er das Schachspiel dabei und die Zwei spielen gegeneinander. So kann Max in aller Ruhe die Pyramiden betrachten und seine Überlegungen anstellen.
Warum stehen diese Riesen in der Wüste? Wer hat sie gebaut? Was war die Motivation für diese Schinderei? Er versucht sich die tausend Sklaven vorzustellen, wie sie die schweren Steine langsam in die Höhe schleiften. Die Pyramiden seien in zwanzig Jahren gebaut worden, das macht rund 7‘000 Tage. Bei 2.3 Millionen Steinblöcken, mussten an einem Tag mehr als dreihundert Steine gesetzt werden. Das macht in der Stunde immer noch dreissig Stück, was wiederum heisst, dass alle zwei Minuten ein Stein an seinen Ort gebracht wurde. Wenn man berücksichtigt, dass in grosser Höhe langsamer gearbeitet wurde, so musste sicher in der Anfangsphase jede Minute ein Stein gesetzt werden. Eine unglaubliche Leistung, auch vom Organisatorischen her. Wenn man dann noch die wunderbaren Kunstwerke berücksichtigt, welche auch in diesen zwanzig Jahren geschaffen wurden, dann kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Warum wurden diese Bauwerke gebaut? Dachten die Pharaonen schon an die Millionen Touristen, welche ihren Nachkommen zu Arbeit und Brot verhelfen? Wohl kaum? Warum war der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod so stark? Waren es die Überlegungen von einigen wenigen Menschen? Den Priestern und Pharaonen! Oder war es ein Mittel, das Volk zu beherrschen? Waren ausserirdische Besuche daran beteiligt, wie EvD vermutet.
Max hatte eigentlich nie den Eindruck, dass beim Pyramidenbau mit überlegener Technik gearbeitet wurde. Allerdings gibt es nicht viele Darstellungen von Steine schleppenden Sklaven. Dabei müsste doch diese Baustelle so eindrücklich gewesen sein, dass die Künstler dieses Motiv nicht hätten übersehen können. Und doch könnten die ausserirdischen Götter die Motivation für dieses gewaltige Bauvorhaben gewesen sein. Hatten diese Angst vor einem Atomkrieg und wollten sie einige Leute nach der Katastrophe wieder ins Leben zurückholen und mussten diese deshalb an einem sicheren Ort aufbewahrt werden?
Max beginnt sich einige Möglichkeiten auszudenken. Zuerst die klassische mit den diktatorischen Pharaonen. Er versucht sich vorzustellen, wie diese auf die Idee gekommen waren, solche Bauwerke zu erstellen? War es ein Baumeister, der einfach eine Offerte einreichte und dem Pharao einreden wollte, dass er sich mit diesem Bau unsterblich macht?
Max hat doch erhebliche Mühe mit diesem Gedanken. Immerhin waren die Pyramiden nicht kontinuierlich immer grösser geworden, sondern bereits die ersten Pharaonen bauten die grössten Pyramiden. Gut, in Sakkara hat es am Anfang noch nicht richtig geklappt und es kam zu einem Unfall, doch schon die nächsten wurden zu den riesigen Pyramiden. Es waren also die ältesten Kulturen, welche die gewaltigsten Bauten errichteten, ganz im Gegensatz zu der üblichen menschlichen Art, welcher immer grösser zu bauen pflegt.
Später wurden die Bauten wieder einfacher. Zu denken gibt ihm auch, dass der Hauptaufwand in Bauten für die Toten konzentriert wurde und weniger in Palästen für die lebenden Priester und Könige. Die lebten auch in Palästen, aber im Vergleich zum Aufwand für die Toten, blieben die Paläste relativ bescheiden.
Wenn die Pharaonen die treibende Kraft waren, dann muss man sich am Ersten eine Diktatur vorstellen, ähnlich jener des dritten Reichs. Dies ist für Max sehr erstaunlich, dass bereits eine der ersten grossen Kultur, die grösste Diktatur der Geschichte wahren. Daraus müsste man eigentlich ableiten, dass die Diktatur die ursprünglichste Regierungsform ist. Dieser Gedanke entspricht gar nicht dem Geschmack von Max und er sucht nach einer anderen Lösung.
Wieder versetzt er sich in Gedanken zurück in diese Zeit. Diesmal stellt er sich vor, dass Ausserirdische auf der Erde wirken. In ihrem Raumschiff umkreisten sie die Erde. Nur an einigen Stellen der Erde konnten sie landen. Die meiste Zeit verbrachten sie in ihrem Raumschiff, in dem sie angenehme Lebensbedingungen vorfanden. Sie interessierten sich für die Erdbewohner und möchten sie in ihrer Entwicklung voranbringen. In ihrem Raumschiff hatten sie jedoch nicht viele Rohstoffe mitnehmen können, also waren sie darauf angewiesen, dass mit irdischen Baustoffen gebaut wurde. Für den Abbau der Rohstoffe, wurden die Erdbewohner angelernt. Dank ihrer überlegenen Technik konnten sie diese mühelos beherrschen. Sicher wurden auch Versuche gemacht, die Erdbewohner mit den Ausserirdischen zu kreuzen, die späteren Göttersöhne! Warum sie am Nil eine Kultur aufbauten, wissen vermutlich nur die Götter selbst. War es das Klima mit ausreichend Wasser, oder war es die Tatsache, dass das Wetter hier sehr beständig ist und man jederzeit landen konnte? Auf jeden Fall war es ein Punkt, welcher vom Weltraum aus sehr gut gefunden werden konnte und sicher beim Landeanflug weniger Probleme aufgab, als die Orte im südamerikanischen Dschungel.
Max stellt sich vor, wie in der Wüste die Raumschiffe gelandet sind. Waren es die Pharaonen selber oder waren die Pharaonen die Nachkommen der Besucher? Auf jeden Fall würde dadurch ihre enorme Macht verständlich.
Vielleicht waren sie auf der Erde zurückgeblieben und erwarteten, dass sie wieder von einem Raumschiff abgeholt wurden. Ob dieser Aufenthalt freiwillig oder unfreiwillig erfolgte, hätte Max sehr interessiert, aber solche Fragen konnten beim besten Willen nicht beantwortet werden, es bleibt nur die Spekulation. Konnten für den Bau, einige spezielle Baumaschinen eingesetzt werden? oder war es einfach der Überlebenswille der Zurückgebliebenen. Die ihr Leben unbedingt weiter verlängern wollten, dass sie von den wiederkehrenden Astronautenkollegen gefunden und sie später auf ihren Heimatplaneten wieder ins Leben zurückkehren konnten. Ob sie dort effektiv zum Leben erweckt werden sollten, oder ob es nur darum ging, dass sie dort begraben sein wollten, spielt an und für sich keine Rolle. Der Aufwand, mit welchem das Leben nach dem Tod vorbereitet wurde, deutet eher auf eine Wiedererweckung hin.
Wie sahen sie wohl aus? Woher kamen sie? Warum konnten sie nicht mehr zurück? Was machten sie hier? Lauter interessante Fragen, doch die Antworten sind sehr schwer auffindbar. Er hat sich jedoch vorgenommen, Rebekka eine glaubwürdige Erklärung für Gott zu geben. Er will sie nicht mit Standardfloskeln abspeisen, und da muss er zumindest selber sicher sein.
In Gedanken sah er die Pharaonen vor sich, wie sie die Leute anwiesen, was zu tun war. Bei der geringsten Auflehnung wurde nicht lange gefackelt, denn ohne ihre Waffen waren die Einwanderer gegen die Menge machtlos, also mussten sie jede Auflehnung im Keim ersticken. Max schauderte bei dem Gedanken, aber er konnte es sich nicht anders vorstellen, sicher versuchten sie die Ordnung vor allem dank Belohnungen aufrecht zu erhalten, daher ist sicher so häufig die Rede von einem gütigen Gott.
«Hallo, wo bist du?», fragt Aladin.
Sie haben ihre Partie beendet und nun fällt ihnen plötzlich auf, wie weit weg Max in Gedanken ist. Brutal wird Max in die Wirklichkeit zurückgeholt. Er weiss nicht mehr, wie lange er dagesessen und geträumt hat, aber es gefällt ihm, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen.