SCHNAPS wichtig. Den guten unstudierten Leutchen, die man sonst den gemeinen Mann zu nennen pflegte –
MÄRTEN. Nun?
SCHNAPS. Trägt man eine Sache besser durch Exempel, durch Gleichnisse vor.
MÄRTEN. Das läßt sich hören.
SCHNAPS. Also zum Exempel – Er geht heftig auf und nieder und stößt an Märten.
MÄRTEN. Zum Exempel: das ist grob.
SCHNAPS. Verzeiht, ich war in meiner Revolutionslaune.
MÄRTEN. Die gefällt mir ganz und gar nicht.
SCHNAPS. Zum Exempel – Auf Märten losgehend.
MÄRTEN. Bleibt mir vom Leibe!
SCHNAPS. Zum Exempel, wir haben uns vereinigt.
MÄRTEN. Wer?
SCHNAPS. Wir beide und noch neunhundertneunundneunzig.
MÄRTEN. Ehrliche Leute.
SCHNAPS. Das macht tausend.
MÄRTEN. Richtig.
SCHNAPS. Gehen wir gewaffnet auf den Edelhof, mit Flinten und Pistolen.
MÄRTEN. Wo sollen die Flinten und Pistolen herkommen?
SCHNAPS. Das findet sich alles. Seht Ihr nicht, daß ich schon einen Säbel habe? Er nimmt Märten an die eine Seite des Theaters.
MÄRTEN. Ei wohl!
SCHNAPS. Wir ziehen auf den Edelhof und stellen den Edelmann zur Rede. Da kommen wir nun hinein. Er agiert das Hereinkommen.
MÄRTEN macht sich los. Hört nur, ich muß Euch sagen, ich mag nicht mitgehen. Wir sind dem Edelmanne viel Dank schuldig.
SCHNAPS. Narrenspossen! Dankbarkeit ist das, was Ihr zum voraus abschaffen müßt.
MÄRTEN. Wie ist das möglich?
SCHNAPS. Es ist ganz natürlich. Schafft sie nur ab! Ihr werdet finden, der Undank ist die bequemste Sache von der Welt.
MÄRTEN. Hätt ich nicht gedacht!
SCHNAPS. Probiert's und kommt! Macht keine Umstände, es ist ja nur ein Gleichnis.
MÄRTEN. Ja so! ein Gleichnis.
SCHNAPS nimmt ihn wieder an der Seite. Nun kommen wir herein. – Aber wißt Ihr was!
MÄRTEN. Nun?
SCHNAPS. Es ist besser, daß Ihr den Edelmann macht. Er führt ihn hinüber. Stellt Euch hierher.
MÄRTEN. Meinetwegen.
SCHNAPS. Ich komme mit dem Bürgerausschuß.
MÄRTEN. Mit den neunhundertneunundneunzig?
SCHNAPS. Drüber oder drunter.
MÄRTEN. Gut.
SCHNAPS. Herr! sag ich –
MÄRTEN. Nur gemach!
SCHNAPS. Nein! das war nicht recht; es soll niemand ein Herr sein.
MÄRTEN. Nun, wie sagt Ihr denn?
SCHNAPS. Warte – Kurz und gut: im Namen der Freiheit und Gleichheit macht Eure Keller auf und Eure Vorratskammern; wir wollen essen, und Ihr seid satt.
MÄRTEN. Wenn's nach Tische ist, mag's angehn.
SCHNAPS. Tut Eure Garderoben auf! Wir sind entblößt.
MÄRTEN. Pfui! Ihr werdet doch nicht –
SCHNAPS. Nicht anders. – Tut Eure Beutel auf! Wir sind nicht bei Gelde.
MÄRTEN. Das glaubt Euch jedermann.
SCHNAPS. Nun antwortet.
MÄRTEN. Ja, was soll ich sagen?
SCHNAPS auffahrend und trotzig. Was wollt Ihr sagen?
MÄRTEN. Nur gemach!
SCHNAPS. Was könnt Ihr sagen? Ihr seid ein Verwegner! Auf den Schrank losgehend. Ihr habt verschloßne Gewölbe!
MÄRTEN. Das ist Rösens Milchschrank.
SCHNAPS natürlich. Pfui! Ihr müßt im Gleichnisse bleiben.
MÄRTEN. Ja so!
SCHNAPS wie oben. Und versperrte Kasten!
MÄRTEN. Da sind Kleider drin.
SCHNAPS. Wo sind die Schlüssel?
MÄRTEN. Röse hat sie mitgenommen. Sie ist sehr häuslich, sehr sorgfältig; sie verschließt alles und trägt die Schlüssel bei sich.
SCHNAPS. Ausflüchte! Weitläufigkeiten! Wo sind die Schlüssel?
MÄRTEN. Ich habe sie nicht.
SCHNAPS. So werd ich aufbrechen müssen. Er zieht den Säbel und macht sich an den Schrank.
MÄRTEN. Reitet Euch der Henker?
SCHNAPS. Das ist nur zum Exempel.
MÄRTEN. Laßt das bleiben.
SCHNAPS. Was! Ihr wollt Euch widersetzen? Er bricht an den Leisten.
MÄRTEN. Seid Ihr denn vom Teufel besessen?
SCHNAPS. Das muß auf! Er bricht. Krick! Krack!
MÄRTEN herumlaufend. Röse! Röse! Wo bist du?
SCHNAPS bricht. Es geht! Krick! Krack!
MÄRTEN. Görge! Görge!
SCHNAPS. So haltet Euer Maul und bedenkt, daß ich es Euch nur erzählungsweise vorbringe.
MÄRTEN. Nur erzählungsweise? Ich dächte, es wäre handgreiflich genug.
SCHNAPS. Bedenkt doch! Ihr seid jetzt der Edelmann.
Der Schrank geht indessen auf.
MÄRTEN. Gott bewahre mich! Da steht der Schrank auf. Die Leisten sind weggebrochen, das Schloß verdorben. Was wird Röse sagen? Packt Euch zum Henker! Wißt Ihr, daß ich das nicht leide! daß das Grobheiten sind! Ungezogenheiten! daß ich die Nachbarn rufen werde, daß ich zum Richter gehen werde!
SCHNAPS der sich indessen im Schranke umgesehen und die Töpfe visitiert hat. Zum Richter? Eurem Todfeind? Zu dem stolzen Kerl?
MÄRTEN. Pest!
SCHNAPS. Wißt nur, daß Ihr Richter werden müßt, wenn wir nur hier erst den Freiheitsbaum errichtet haben.
MÄRTEN. Richter? Ich weiß wohl noch, wie ich geheimer Landrichter werden sollte.
SCHNAPS. Das sind jetzt andere Zeiten; man betrügt niemand mehr.
MÄRTEN. Das wäre mir lieb.
SCHNAPS. Man hat niemand zum besten.
MÄRTEN. Das ist mir angenehm.
SCHNAPS. Nun, vor allen Dingen –
MÄRTEN. Macht, daß ich Richter werde!
SCHNAPS. Ohne Zweifel. – Vor allen Dingen aber hört, wovon die Rede ist.
MÄRTEN. Die Rede ist, daß wir die Schränke wieder zumachen.
SCHNAPS. Mitnichten.
MÄRTEN. Daß wir die Leisten wieder annageln.
SCHNAPS. Keinesweges. Die Rede ist, daß Ihr begreift, warum man mich zum General gemacht hat.
MÄRTEN. Das seh ich freilich nicht so deutlich ein.
SCHNAPS. Also exempli gratia.
MÄRTEN. Noch ein Exempel?
SCHNAPS. Wir haben ja noch keins gehabt.
MÄRTEN. Nur zu viel.
SCHNAPS. Ich