Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen


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nicht an! Röse sagt, das wäre jetzt ihr bester.

      SCHNAPS. Das ist mir lieb zu hören.

      MÄRTEN. Nehmt doch einen kleinen Topf, wenn's ja sein soll.

      SCHNAPS. Nein, ich brauche den größten zu meinem Exempel.

      MÄRTEN. Nun, so sag ich Euch kurz und gut, daß ich von allem dem Zeuge nichts wissen will.

      SCHNAPS. So!

      MÄRTEN. Und daß Ihr Euch aus dem Hause packen könnt.

      SCHNAPS. Ei!

      MÄRTEN. Und daß ich ganz und gar nichts hören will.

      SCHNAPS. Ihr wollt nichts hören?

      MÄRTEN. Nein.

      SCHNAPS. Ihr wollt nichts wissen?

      MÄRTEN. Nein.

      SCHNAPS. Nichts annehmen?

      MÄRTEN. Nein.

      SCHNAPS zieht den Säbel. So wißt, daß ich Euch das Verständnis eröffnen werde.

      MÄRTEN. Mit dem Säbel? Das ist eine schöne Manier.

      SCHNAPS ihm zu Leib gehend. So wißt, daß Ihr schuldig seid, Euch zu unterrichten, neue Gedanken, zu erfahren; daß Ihr gescheit werden müßt, daß Ihr frei werden müßt, daß Ihr gleich werden müßt, Ihr mögt wollen oder nicht.

      MÄRTEN beiseite. Görge! Görge! Kämst du nur! ich wollt ihn nicht verstecken.

      SCHNAPS. Ihr hört also gern?

      MÄRTEN. Gewiß.

      SCHNAPS. Und habt keine Abneigung, Euch zu unterrichten?

      MÄRTEN. Keinesweges.

      SCHNAPS. So ist's recht.

      MÄRTEN. Ich find es auch.

      SCHNAPS. Nun gebt acht!

      MÄRTEN. Recht gern.

      SCHNAPS. Dieser Topf stellt ein Dorf vor.

      MÄRTEN. Ein Dorf?

      SCHNAPS. Oder eine Stadt.

      MÄRTEN. Kurios!

      SCHNAPS. Oder eine Festung.

      MÄRTEN. Wunderlich!

      SCHNAPS. Ja! Zum Exempel eine Festung.

      MÄRTEN beiseite. Wenn ich nur die Exempel los wäre!

      SCHNAPS. Ich ziehe davor.

      MÄRTEN. Was gibt das?

      SCHNAPS. Ich fordre sie auf! Treteng! Treteng! Die Trompete nachahmend.

      MÄRTEN. Er ist ganz und gar verrückt.

      SCHNAPS. Sie macht Mäuse und will sich nicht ergeben.

      MÄRTEN. Daran tut sie wohl. Beiseite. Wenn nur Röse käme, die Festung zu entsetzen.

      SCHNAPS. Ich beschieße sie! Pu! Pu!

      MÄRTEN. Das wird arg!

      SCHNAPS. Ich mache ihr die Hölle heiß. Ich setze ihr Tag und Nacht zu. Pu! Pu! Pu! Sie ergibt sich.

      MÄRTEN. Da tut sie übel.

      SCHNAPS nähert sich dem Topfe. Ich ziehe hinein.

      MÄRTEN. Es wird ihr schlimm gehen.

      SCHNAPS nimmt den Löffel. Ich versammle die Bürgerschaft.

      MÄRTEN. Nun ist's aus.

      SCHNAPS. Die Wohlgesinnten kommen eilig. Da laß ich mich nieder – Er setzt sich. – und rede sie an.

      MÄRTEN. Du armer Topf!

      SCHNAPS. Brüder Bürger! sag ich.

      MÄRTEN. Das klingt freundlich genug.

      SCHNAPS. Leider seh ich euch uneins.

      MÄRTEN. Im Topfe ist es ja ganz stille.

      SCHNAPS. Es ist eine heimliche Gärung.

      MÄRTEN horchend. Ich spüre nichts davon.

      SCHNAPS. Ihr habt den ursprünglichen Zustand der Gleichheit verlassen.

      MÄRTEN. Wieso?

      SCHNAPS pathetisch. Da ihr zusammen noch reine Milch wart, fand sich ein Tropfen wie der andere.

      MÄRTEN. Das läßt sich nicht leugnen.

      SCHNAPS. Nun aber seid ihr sauer geworden.

      MÄRTEN. Die Bürger?

      SCHNAPS. Ihr habt euch geschieden.

      MÄRTEN. Sieh doch!

      SCHNAPS. Und ich finde, die Reichen, die unter dem sauren Rahm vorgestellt werden –

      MÄRTEN. Das ist schnakisch!

      SCHNAPS. Die Reichen schwimmen oben.

      MÄRTEN. Die Reichen sind der saure Rahm? Ha! ha!

      SCHNAPS. Sie schwimmen oben! Das ist nicht zu dulden.

      MÄRTEN. Es ist unleidlich!

      SCHNAPS. Ich schöpfe sie also ab. Er schöpft auf einen Teller.

      MÄRTEN. O weh! Nun geht's drüber her.

      SCHNAPS. Und wie ich den Rahm abgehoben habe, find ich die Schlippermilch.

      MÄRTEN. Natürlich.

      SCHNAPS. Die ist auch nicht zu verachten.

      MÄRTEN. Mich deucht.

      SCHNAPS. Das ist so der hübsche, wohlhabende Mittelstand.

      MÄRTEN. Die Schlippermilch der Mittelstand? Was das für Einfälle sind!

      SCHNAPS. Davon nehme ich nach Gutdünken. Er schöpft.

      MÄRTEN. Der versteht's.

      SCHNAPS. Nun rühre ich sie untereinander – Er rührt. – und lehre sie, wie man sich verträgt.

      MÄRTEN. Was soll's nun?

      SCHNAPS steht auf und geht nach dem Schranke. Nun sehe ich mich in der Gegend um und finde – Er bringt ein großes Brot hervor. – einen Edelhof.

      MÄRTEN. Das ist ja ein Brot.

      SCHNAPS. Die Edelleute haben immer die besten Äcker in der Flur; drum werden sie billig unter dem Brote vorgestellt.

      MÄRTEN. Das soll auch dran?

      SCHNAPS. Natürlich! Es muß alles gleich werden.

      MÄRTEN beiseite. Hätte er nur den Säbel nicht anhängen! Das macht unser Spiel verwünscht ungleich.

      SCHNAPS. Da wird nun auch das Nötige abgeschnitten und –

      MÄRTEN. Käme nur Görge!

      SCHNAPS. Auf dem Reibeisen gerieben.

      MÄRTEN. Gerieben?

      SCHNAPS. Ja, um den Stolz, den Übermut zu demütigen.

      MÄRTEN. Ja! Ja!

      SCHNAPS. Und wird sodann unter das übrige gemischt und umgerührt.

      MÄRTEN. Seid Ihr bald fertig?

      SCHNAPS bedächtig. Nun fehlen noch die geistlichen Güter.

      MÄRTEN. Wo sollen die herkommen?

      SCHNAPS. Hier find ich eine Zuckerschachtel. Er greift nach der, welche bei dem Kaffeezeuge steht.

      MÄRTEN fällt ihm in den Arm. Laßt stehen! Rührt sie nicht an! Röse wiegt mir immer für die ganze Woche Zucker ab; damit muß ich reichen.

      SCHNAPS an den Säbel greifend. Bürger!

      MÄRTEN. Geduld!

      SCHNAPS. Die geistlichen Herren