Dagmar Isabell Schmidbauer

Dann stirb doch selber


Скачать книгу

He enttendido Ich habe verstanden!

      „Hast du? Dann trauere nicht lange, Magdalena, du bist doch hübsch, Mädel!“

      21. Szene

      Magdalena

      Natürlich hatte ich Harrys Mutter nicht mehr angerufen. Was sollte ich ihr auch sagen? Es tut mir leid! Ihr sicher auch. Ihr ganz besonders. Aber Marielinde würde sich schon um sie kümmern, die hatte wenigstens den nötigen Abstand. Trotzdem fürchtete ich Bernhards Zorn. Ich wollte auf keinen Fall wieder an seinen Plakaten vorbei laufen.

      In meinem Büro waren die Rollos herunter gelassen, die Möbel verstellt und die Pflanzen entfernt. Stattdessen lag ein dezenter weißer Umschlag mit schwarzem Rand auf meinem Schreibtisch. Er enthielt eine Karte, auf der mir alle Kollegen ihr Beileid ausdrückten, und Geld. Unschlüssig betrachtete ich die Karte. Erwarteten sie jetzt, dass ich einen ausgab? Während ich meine Möbel wieder auf ihren angestammten Platz schob, klopfte es an der Tür. Es war Stella.

      „Hey, wie geht’s dir heute?“, fragte sie knapp und lächelte mich zweireihig und falsch an.

      „Geht schon“, log ich dementsprechend.

      „Der Chef möchte einen Ausdruck von den letzten vier Wochen haben, und er sagt, du sollst auch die offenen Außenposten mit einbeziehen!“

      Warum schickte mein Chef mit so einer Sache ausgerechnet Stella zu mir, ein Anruf hätte doch genügt? Stella setzte sich auf meine Schreibtischkante und sah mir verunsichert ins Gesicht. Aber vielleicht täuschte ich mich auch. „Frag mich nicht, unser Beauty-Heinz ist heute nämlich nicht sehr gesprächig!“

      Ich schwieg, denn Stella war nervig, sie zupfte an ihrem knappen Flatterröckchen herum und griff nach der Karte. „War Juttas Idee.“

      Ich nickte, das war typisch für sie!

      Dann sah ich sie an: „War sonst noch was?“ Sie wusste genau, dass ich es nicht leiden konnte, wenn jemand auf meinem Schreibtisch saß und zusah, wie ich meine PIN eingab.

      „Schon gut, schon gut.“ Abwehrend hob sie die Hände und rutschte von ihrem Platz. „Ich bin ja schon weg!“

      Ich wartete, bis die Tür zuknallte, und atmete tief durch. Ausgerechnet jetzt. Hätte Wirtmeir nicht noch ein paar Tage warten können?

      Gegen Mittag hatte ich alle Unterlagen beisammen, steckte eine große Aktenklammer dran und trug sie ins Chefzimmer hinüber. Da sich auf mein Klopfen niemand meldete, ging ich einfach hinein. Das Zimmer war leer, das Fenster gekippt, trotzdem hing ein würziger Duft in der Luft. Schnuppernd schaute ich mich um. Auf dem Schreibtisch stand ein Aschenbecher mit einer halb gerauchten Zigarre. Es war ein seltsames Gefühl, allein im Chefbüro zu sein, darum legte ich die Sachen schnell auf den Tisch und wendete mich zum Gehen.

      22. Szene

      Klara

      Es war die Zeit der leeren Ablagen; außer ein paar Kleinigkeiten hatte ich nichts zu tun. Vielleicht sollte ich mir Urlaub nehmen und nach München fahren. Meiner Wohnung täte es bestimmt gut, aber andererseits hatte ich keine große Lust, Christina und ihren Freund zu treffen. Auf meinem Bildschirm baute sich ein komplexes Röhrensystem mit gefangenen Ratten auf. Fasziniert schaute ich in der Vergrößerung zu, wie sie, die Nasen am Boden, nach einem Ausweg suchten. Dabei kam mir die Idee, es ihnen gleichzutun und einfach so lange herumzuschnüffeln, bis ich etwas Brauchbares gefunden hatte.

      Dazu musste ich mit meinen Kollegen sprechen und alles auch noch so unwichtig Erscheinende zusammentragen. Ich begann meine Liste durchzusehen. Bernhard Kaufmann, der Bruder, will Landrat werden. Das hatten mir Obermüller und Wegerbauer gar nicht erzählt. Also, ich nichts wie hin, um es ihnen unter die Nase zu reiben. Aber die beiden waren beschäftigt. Hatten mal wieder so einen abenteuerdurstigen Halbstarken unter einem Lastwagen rausgekratzt. Auch nicht schön. Aber es war ein klarer Fall von Selbstüberschätzung - der Junge hatte gerade einmal zwei Wochen seinen Führerschein. Schnell machte ich mich aus dem Staub, das sind genau die Dinge, die mich ins Wirtschaftsdezernat getrieben haben.

      Der Bruder also ist Jurist, verheiratet, hat zwei Kinder und ist sogar im Wahlkampf grundanständig. Wow! Sein Programm kommt bei den Leuten gut an. Er verspricht die heile Welt, als ob es das irgendwo gäbe. Kurz und gut, er ist ein Langweiler, obwohl das oft die Allerschlimmsten sind. Harrys Leben dagegen schien richtig spannend. Er hatte eine Firma in der Altstadt, einen Waffenschein mit der Lizenz zum Sammeln, und ein Punktekonto in Flensburg, das ich nicht geschenkt haben mochte. Ja, ein verwöhnter Balg aus gutem Hause war er. In Unfälle bisher nicht verwickelt, jedenfalls wurde er nie erwischt; war immer nur zu schnell, Zack - Blitz - und zur Kasse bitte!

      Im Geiste sah ich ihn vor mir. Überheblich, selbstgefällig und mit einem Lächeln im Gesicht, immer gut gelaunt. Und so einer wird von der Straße gedrängt und an einen Betonpfeiler gedrückt! Nie im Leben. Den wollte jemand loswerden. Da geh ich jede Wette ein.

      Ich stellte Wasser für einen Cappuccino auf. Der Mensch wird ja so genügsam, wenn er keine Küche mehr hat. Und was ist mit solchen Männern, denen die Frauen weglaufen? Wegen irgend so einem Kerl, dem im Leben alles geschenkt wird? Da könnte man doch ausrasten. Vor allem auf dem Land sind die Leute in Glaubenssachen nicht so tolerant. Liebe, Treue, das ist Sache des Glaubens. Wenn er ihr nun aber nicht mehr geglaubt hat, der Ehemann der blonden Beifahrerin? Es war alles hypothetisch, aber so könnte es durchaus gewesen sein. Er hatte eine Mordswut im Bauch, hat die beiden verfolgt und abgedrängt. Er sah rot, wollte sich einfach rächen; und jetzt saß er vielleicht zu Hause und heulte sich die Augen aus dem Kopf, weil er es nicht mehr ungeschehen machen konnte.

      „Klara, das ist ausgezeichnet. Mit dieser These findest du den Täter, stellst ihn wegen Totschlag und Fahrerflucht vor Gericht und beweist nebenbei auch noch, dass Harry Kaufmann ein Schwein war, wie alle Männer!“

      Eigentlich brauchte ich nur die Beerdigung abzuwarten, und schon konnte ich zuschlagen. Ich schob die Cappuccinotasse zur Seite, nahm mir ein Blatt Papier und begann meine Fallanalyse zu erstellen.

      23. Szene

      Magdalena

      Es war schon nach drei, als ich die Kaffeeküche betrat. Außer Jutta, die wieder mit ihrem Pendel hantierte, war niemand da. Ich nahm mir eine Tasse und fragte sie, ob ich ihr auch einschenken solle. Sie legte ihr Pendel in die linke Hand und umschloss es zärtlich, dann erst kam sie zu mir herüber. „Hast du den Chef heute schon gesehen?“

      „Nein“, gab ich zu, obwohl das eigentlich merkwürdig war.

      „Er hat ziemlich schlechte Laune. Ich hab das Gefühl, dass er unter Druck steht, und wüsste zu gerne warum, du nicht?“

      Ich zuckte mit den Schultern. Stella hatte so etwas erwähnt, aber wenn Jutta es nicht wusste, wer dann? Sie war die Seele der Firma, hatte schon beim Seniorchef gearbeitet und miterlebt, wie der junge Wirtmeir den Betrieb übernahm.

      „Ich habe das Pendel schon gefragt, aber es will mir keine Antwort geben. Wahrscheinlich bin ich zu aufgeregt und verwirre es“, gestand sie mir freimütig und öffnete vorsichtig die linke Hand.

      Ach, Jutta, dachte ich, warum musst du nur immer an so einen Quatsch glauben? Jutta trat vor das kleine Waschbecken und ließ kaltes Wasser über ihre linke Hand laufen.

      „Glaubst du, es ist ihm zu heiß geworden?“, spöttelte ich.

      „Ich reinige es von negativen Strahlen, die hier überall herumschwirren“, belehrte sie mich, während sie es vorsichtig abtrocknete. Ich trank meinen Kaffee aus und ging. Vielleicht war sie ja morgen besser drauf. „Hat der Chef Probleme zu Hause?“, war die letzte Frage, die ich hörte.

      24. Szene

      Klara

      Obermüller kam herein. Er erzählte, dass der Obduktionsbericht am nächsten Tag mit