Ernst Friedrich Wilhelm Mader

Wunderwelten


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willst du ihnen das begreiflich machen? Marsmenschen sind sie noch lange nicht.“

      Immerhin pfiff er den Affen, ohne sich darüber klar zu sein, was es helfen könne, wenn sie herkamen.

      Die Schimpansen hatten stets mit Neugier herübergeblickt; es schien ihnen offenbar nicht in der Ordnung, dass sie von ihren Herren völlig getrennt waren.

      Als nun Flitmores wohlbekannter Pfiff erscholl, dem sie zu folgen gewohnt waren, kletterten sie an den Rampen herab bis zum Sumpfspiegel. Hier aber machten sie unschlüssig Halt: Der Boden schien ihnen verdächtig.

      Nochmals pfiff der Lord.

      Nun wagte sich Bobs auf die trügerische Fläche. Er hielt sich mit einer Hand an der Strickleiter fest und versuchte die ragenden Wurzeln und Pflanzen als Brücke zu benutzen; dabei schleppte er die Strickleiter bis zum halben Weg mit sich; da er aber eine Mittelsprosse und nicht das Ende erfaßt hatte, war nun die Strickleiter straff gespannt und er konnte nicht weiter, ohne sie loszulassen.

      Ein dritter Pfiff Flitmores hatte nur zur Folge, dass er los ließ und nun vollends frei herüberturnte, was ihm bei seiner Gewandtheit auch gelang.

      Inzwischen nahte sich auch Dick, der nun an der Strickleiter eine Brücke bis zur Mitte des Sumpfes fand. Hier verließ auch er sie und kam vollends glücklich ans Ufer.

      „Nur fünfzehn Meter!“, seufzte der Kapitän.

      „Wollen Sie’s riskieren?“ höhnte Schultze: „Untergehen werden Sie ja wohl kaum.“

      „Das nicht“, lachte Münchhausen gutmütig, „aber bis zur Mitte meiner Konstitution einsinken, das ist sicher. Was könnte es Ihnen helfen, wenn ich als lebendige Kugelboje im Morast schwämme?“

      „Ich muss hinüber, ich bin die Leichteste“, sagte Mietje in plötzlichem Entschluss.

      „Du?“, rief ihr Gatte mit einem Ton der Besorgnis in der Stimme.

      „Ja, ich! Irgendwie müssen wir aus dieser Notlage herauskommen, und das ist nicht möglich, wenn nicht jemand das Wagnis unternimmt. Das geringste Körpergewicht gibt die beste Aussicht auf das Gelingen und somit bin ich die Geeignetste dazu; denn sinke ich unter, so würde das jedem von euch umso sicherer widerfahren.“

      „Nein, nein! Dieses heldenmütige Opfer können wir nie und nimmer annehmen“, widersprach der Kapitän.

      „Doch, doch! Bobs wird mich führen, und so gescheit und treu ist er schon, dass er mich hält, wenn er mich sinken sieht.“

      „Wir müssen dich anseilen“, sagte Flitmore, der einsah, dass etwas gewagt werden musste und dass seine mutige Gattin allerdings am ehesten Aussicht hatte, den Sumpf ohne ernsten Unfall beschreiten zu können.

      „Gut“, sagte Mietje, „so bitte ich die Herren einen Augenblick wegzusehen.“

      Sie trug unter dem Kleide einen Unterrock aus starker Leinwand. Dieses entbehrlichen Kleidungsstückes entledigte sie sich rasch und schnitt es in Streifen mit der Schere, die sie als praktische Hausfrau in einem handlichen Nähetui stets bei sich trug.

      Die aneinandergeknüpften Streifen gaben ein Seil, das stark genug war, sie im Notfall ans Ufer zurückzuziehen.

      Nun ergriff die junge Heldin Bobs Arm und schob den Schimpansen voran auf den Morast.

      Der Affe zeigte sich verständig und lenksam und schritt gewandt aus, die haltbarsten Unterlagen geschickt auswählend.

      Mietje, die sich des besseren Haltes wegen ihrer Schuhe und Strümpfe entledigt hatte, konnte sich nicht wie der Schimpanse mit den Füßen an den schwankenden Wurzeln und Ranken anklammern: um so fester klammerte sie sich am Arme ihres Beschützers fest, während die Männer am Ufer das Seil straff hielten, das ihr unter den Schultern festgebunden worden war.

      Es war übrigens ein kurioses Schauspiel, die zarte Lady am Arme des Affen dahinschreiten zu sehen; doch richtete sich die Aufmerksamkeit der am Ufer Stehenden lediglich auf ihre Tritte. Oft erbebten sie, wenn sie sahen, dass ihr Fuß einsank; aber die Dame war so behende, dass sie jedes Mal schon den andern Fuß auf irgendeinen festeren Punkt gesetzt hatte und ihr Körpergewicht rasch auf diesen verlegte, ehe der eine Fuß nur Zeit fand, tiefer einzusinken.

      Ein langsames, zögerndes Ausschreiten wäre ihr Verderben gewesen; durch dieses flinke Vorwärtshüpfen, das Bobs kaum gewandter zuwege brachte, gelang es ihr auch sehr zweifelhafte Stützpunkte im Fluge zu benutzen, sie nur als flüchtiges Sprungbrett für den nächsten Schritt verwertend.

      „Bei allen Feen und Elfen!“ konnte der Kapitän sich nicht enthalten, bewundernd auszurufen: „Lord, ich glaube, ihre Gattin würde mit ebensolcher Eleganz über das Meer hinweghüpfen: Bis ein Fuß einsinken will, ist er schon ganz wo anders.“

      „Nicht wahr, da staunen Sie, stattlicher Hugo“, spöttelte Schultze: „Sie möchte ich an Stelle der Lady sehen, wie leichtfüßig Sie durch den Morast stapfen würden. Dass Sie ja hüpfen können, haben Sie uns heut Nacht bewiesen, edler Würmlizertreter.“

      Jetzt atmeten alle auf; Mietje hatte die Strickleiter erreicht und zog das in den Sumpf gesunkene Ende aus dem Schlamm; aber der hierdurch veranlasste Aufenthalt auf dem unsicheren Boden sollte ihr verhängnisvoll werden.

      Sie stand auf einem dünnen Gewirr verflochtener Lianen und Wurzeln, das alsbald zu sinken begann, wie sie sich bückte und mühsam die Strickleiter aus dem Sumpf zog: eine schwere Arbeit, da Pflanzen und — o Graus! Auch dicke Würmer an den Sprossen hingen.

      Die Männer am Ufer zogen sofort das Seil an, als sie Mietje sinken sahen; diese aber rief ihnen ein energisches: „Halt, halt!“ zu.

      Es wäre eine schlimme Sache für die arme junge Frau gewesen, am Strick durch diesen Morast mit all seinem Wirrwarr geschleift zu werden, und sie wäre sicher in bös zerfetztem und zerschundenem Zustand drüben angekommen. Daran dachte sie jedoch nicht: Es war ihr lediglich darum zu tun, so nahe am Ziel den Erfolg ihres gefährlichen Unternehmens nicht in Frage zu stellen.

      Bangend sahen ihr die Männer am Ufer zu, bereit, sofort das Seil anzuziehen, sobald Mietje in dringende Lebensgefahr geriete. Sie stak schon bis zu halbem Leibe im Schlamm, als sie endlich die Strickleiter so weit emporgezogen hatte, dass sie bis ans Ufer reichen konnte.

      Aber was war das? Sie band ja das Seil los, das ihr den letzten Halt geben sollte.

      „Mietje, was tust du? Was fällt dir ein?!“ rief Flitmore mit unverkennbarem Schrecken.

      „Das Gescheiteste!“, rief die Lady zurück.

      Sie band rasch das Ende des Stricks an einer Sprosse fest und schrie dann hinüber: „Jetzt, schnell! Ziehet kräftig an.“

      Mit fieberhafter Eile ließen die Männer das Seil durch ihre Hände gleiten, bis die Strickleiter sich straffte: Sie reichte nun gerade bis ans Ufer.

      Inzwischen war Mietje bis an den Hals im Schlamm versunken, hielt sich aber mit emporgestreckten Armen an einer Sprosse fest.

      Als nun die Männer die Leiter zu fassen bekamen und aus allen Kräften anzogen, wurde die aufopfernde Heldin wieder so weit emporgezogen, dass sie nur noch bis zur Brust im Moraste stak.

      Dieses Straffen der Strickleiter war ein schweres Stück Arbeit gewesen!

      Nun wurde das Ende der Leiter so fest als möglich an einem starken Busch angebunden. Zu aller Vorsicht musste Münchhausen es noch mit seinem ganzen Körpergewicht beschweren und der Professor sich bereithalten, im Notfall auch noch zuzugreifen; denn nun turnten der Lord und sein Diener, sowie Heinz gleichzeitig auf der unsicheren Brücke über den Sumpf, galt es doch, Mietje aus ihrer schrecklichen Lage zu befreien.

      Schrecklich war ihre Lage in der Tat: Sie konnte kaum noch festhalten; ihre ermüdeten Arme waren schmerzhaft gespannt und die sich krampfenden Finger wollten sich an einem fort loslösen. Ein Glück war es, dass sie nicht frei in der Luft hing, sonst hätten ihre Kräfte unbedingt versagt, ehe Hilfe kam. Der zähe Brei, in dem sie steckte, minderte doch einigermaßen das Körpergewicht, das an ihren Armen hing