Rüdiger Marmulla

Beautiful Lights


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Frankfurter müssen doch zusammenhalten.“ Jetzt lache ich. Da habe ich tatsächlich richtig getroffen.

      Lisa setzt wieder an und liest aus der Online-Bibliothek: „In der Trennung von Daphnis erkennt Chloé, dass gegen den Eros kein Mittel hilft – nicht, was getrunken, nicht was eingenommen, nicht was in Zauberliedern ausgesprochen wird. Kein Mittel kann helfen als allein der Kuss, die Umarmung und das Zusammenliegen mit nackten Leibern.“

      „Lisa?“

      „Ja, Lars?“

      „Francis ist bei deinen Eltern. Wir haben die Nacht allein für uns.“

      „Ja, Liebling. Lösche das Licht. Heute Nacht sind wir Daphnis und Chloé.“

      Erwachen

      „Das ist ein wundervoller Samstag. Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne strahlt. Schau nur, Lisa.“ Ich stehe vor dem Wohnzimmerfenster und schaue auf die Frankfurter Skyline.

      Lisa stellt sich zu mir. „Was hältst du davon, wenn wir nach dem Frühstück Francis von meinen Eltern abholen und dann einen Ausflug machen.“

      „Wohin magst du?“

      „Ich war schon lange nicht mehr auf der Saalburg. Wir könnten am Limes entlangwandern. Das kann ein schöner Ausflug werden.“ Lisa nimmt mich in den Arm und gibt mir einen Kuss.

      „Wer kann da schon ‚Nein‘ sagen?“

      „Du willst?“

      „Ja. Aber erst mache ich uns noch ein schönes Frühstück. Ich habe Toast und deine geliebte Ananasmarmelade gekauft. Und frische Milch und Schoko-Flakes.“

      „Da kann auch ich nicht ‚Nein‘ sagen, Lars.“

      Ich gehe in die Küche und bereite das Essen vor.

      Lisa spielt über die Mediathek noch einmal das Musikstück von Maurice Ravel, das wir gestern Abend gehört haben.

      Ja. Das klingt wie ein Sonnenaufgang. Jetzt kann ich es mir auch vorstellen.

      Während ich die Tafel decke, macht es sich Lisa am Tisch schon einmal gemütlich. Sie schaut mich an. „Du, ich werde nächstes Jahr mein Abitur machen. Durch die Geburt von Francis ist ja einiges nicht so ganz planmäßig verlaufen.“

      „Ich unterstütze dich.“

      „Ich habe einen Traum, Lars.“

      „Ja?“

      „Ich möchte Medizin studieren und Ärztin werden, wie mein Vater.“

      „Du wirst bestimmt eine gute Ärztin.“ Ich setze mich zu Lisa an den liebevoll gedeckten Frühstückstisch. Ich drücke ihre Hand ganz fest. Dann essen wir.

      „Deine Einkünfte aus dem Algorithmus zur Kryptierung von Personen-IDs geben uns eine große Freiheit, zu tun, was wir wollen. Viele träumen davon, ein Leben so frei führen zu können, wie wir das tun.“

      „Ich bin glücklich, dich zu unterstützen. Dr. med. Lisa Krönlein. Das klingt irgendwie gut.“

      „Mein Traum ist es, Menschen zu helfen und in schwierigen Zeiten zur Seite zu stehen. Mein Vater ist mir da ein Vorbild.“

      Ich lächele. „Soll ich uns einen Mietwagen bestellen? Dann holen wir Francis von deinen Eltern ab, und dann geht es in den Taunus.“

      „Ja, Lars. Wir werden einen schönen Tag zu dritt haben.“

      Zur Saalburg

      Der Mietwagen fährt uns zum römischen Kastell und parkt auf dem großen Platz neben der Burg ein. Der Bordcomputer zeigt als Adresse „Jupitersäule“ an. Francis jubelt, als er das Kastell entdeckt.

      Während wir zur Pforte der Saalburg laufen, wird mir plötzlich klar, dass ich das letzte Mal hier mit Mama und Papa war, als ich selbst noch ein kleiner Junge war. Das ist eine Ewigkeit her. Und plötzlich vermisse ich Mama. Warum musste sie so früh gehen?

      „Lars? Du schaust so traurig. Was ist mit dir?“

      „Ich denke an meinen letzten Besuch auf der Saalburg. Das war noch mit meinen beiden Eltern. Ich habe mit einem Mal so große Sehnsucht nach Mama.“

      „Lars! Das tut mir leid. Ist es nicht gut, dass wir heute hierher gefahren sind? Damit habe ich nicht gerechnet.“

      „Doch, Lisa. Ist schon OK. Es war nur ein kleiner Moment. Es geht schon wieder. Ich bin in Ordnung.“

      „Sicher?“

      „Ja, Lisa.“

      Francis stellt sich zwischen uns und nimmt unsere Hände. Dann zieht er uns zum Eingang der Saalburg. Die große Vorhalle der Principia beeindruckt unseren Francis am meisten. Er schaut mit großen Augen die Halle an. Dann sagt er: „Ich habe Hunger.“Hung

      Wir kehren in die Taberna ein. Wir finden noch einen schönen Tisch im Schatten eines großen Sonnenschirms. Ich bestelle eine Centurio-Pfanne, Francis sucht sich eine gebratene Lucanica und Lisa einen Salatteller Agricola aus. Dazu bestellen wir uns eine große Flasche Mineralwasser. Francis‘ Augen wandern über die Zinnen der Burgmauer hinweg.

      Da kommt über meinen Messenger eine Nachricht von John Morgan herein: „Hallo Lars. Wir haben hier eine sensationelle Entdeckung gemacht, die ich unbedingt mit ihnen teilen möchte. Melden sie sich doch bitte ab 12 Uhr Ostküstenzeit bei mir.“ Ich lese Lisa die Nachricht vor. In Washington D.C. ist es jetzt früh am Morgen. Vermutlich hat John mit seinem Team die Nacht über diese Entdeckung gemacht. Und nun legt er sich wohl schlafen.

      „Das klingt spannend, Lars. Ja, melde dich später bei deinem Professor.“

      Unser Essen trifft ein. Francis hat ganz hungrige Augen, als er seine römische Wurst auf dem Teller liegen sieht. Lisa schneidet ihm die Wurst in kleine Stücke. Dazu hat er frisches Brot und einen Salat. Wir alle essen.

      Lisa schaut mich an. „Wir könnten nach dem Essen den Limes entlanglaufen. Da gibt es einen schönen Wanderweg. Magst du?“

      „Klar.“ Ich zahle und wir brechen auf. Auf dem Wanderweg neben dem nachgebildeten Limes finden wir einen Jägerhochstand. „Da will ich hoch“, ruft Francis. Hinter ihm steige ich die Leiter nach oben, um ihn sicher halten zu können, falls er fällt. Dann folgt Lisa. Auf dem Hochstand setzen wir uns. Ich fühle mich sehr glücklich. Es ist hier vollkommen ruhig, und die Luft ist mild. Ich nehme diesen Moment zufrieden in mich auf.

      Mit John

      Nachdem wir wieder zuhause eingetroffen sind, melde ich mich bei John Morgan. Sein Avatar erscheint über meinem Handgelenk. Er sieht gut aus. Ich frage ihn unvermittelt: „Haben sie sich nach einer langen Nacht gut ausgeschlafen?“

      „Ja, Lars. Wir haben eine atemberaubende Entdeckung gemacht. Wir werden nächste Woche einen Artikel an das Scientific American senden. Ich wollte sie unbedingt benachrichtigen. Ich will wissen, was sie über alles denken.“

      „Schießen sie los.“

      „Wir lassen seit einer Woche unseren Quantencomputer eine komplexe rekursive Kryptierung durchführen. Und heute Nacht haben wir eine Entdeckung gemacht, die wir zuerst selbst nicht glauben konnten. Wir haben es wieder und wieder kontrolliert, weil es zunächst so unfassbar war.“

      „Ja?“

      „Die Uhr im Quantencomputer lief auf zehn Minuten genau fünf Sekunden nach. Wir legten eine andere Uhr neben den Quantencomputer. Die lief ebenfalls auf zehn Minuten fünf Sekunden nach. Wir haben es mit verschiedenen Chronometern vielfach wiederholt.“

      „Sie meinen, während der Rechentätigkeit des Computers verlief die Zeit langsamer?“

      „Genau, Lars. Und nun fragen wir uns, was das zu bedeuten hat.“

      Ich lache. „Vielleicht leben wir ja tatsächlich in einer Simulation, und ihr Computer verbraucht